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Berliner Bröhan-Museum: Hexen am Kaffeetisch

Das Berliner Bröhan-Museum spürt »Geheimcodes« im Werk von Hans Baluschek nach

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Kaffeelöffel als Zauberstab: »Hier können Familien Kaffee kochen«, Öl auf Leinwand, 1895
Der Kaffeelöffel als Zauberstab: »Hier können Familien Kaffee kochen«, Öl auf Leinwand, 1895

Er gilt als sozialkritischer Chronist der Großstadt Berlin. Neben Szenen aus dem Berliner Volksleben widmete er sich der Darstellung des Elends, Motiven der Desillusionierung und der Vermassung der Menschen in den Fabriken, auf der Straße, in der Öffentlichkeit und den Wohnstätten. Humor und Heiterkeit, aber auch Spott, Hohn oder Verachtung findet man hier kaum. Bedrücktheit und Trostlosigkeit herrschen vor.

Nun zeigt das Berliner Bröhan-Museum an ausgewählten Beispielen, wie Hans Baluschek vielen seiner Bilder »Geheimcodes« unterlegt hat, sodass hinter seiner Erzählung noch eine andere Erzählung verborgen erscheint. Das Spiel mit dem Uneindeutigen war ihm nicht fremd. »Hier können Familien Kaffee kochen« (1895) – Baluschek hat dieses geflügelte Wort aufgegriffen und es zu einer karikaturhaften Momentaufnahme umgestaltet: Das ist kein gemütlicher Kaffeeklatsch, es zeigt das kleinbürgerliche Milieu herausgeputzter Kaffeetanten. Die Frauen sitzen mit müden, ausdruckslosen Gesichtern hinter den riesigen Kannen, können die Last des Alltags nicht abwerfen. Aber ist das alles? Nun gehen neue Deutungen von einem Hexenzirkel aus, der am runden Tisch stattfindet, Symbol für einen magischen Kreis. Eine Frau mit Kneifer, die Hexenmeisterin, rührt mit einem Löffel, der den Zauberstab ersetzt, in der Kanne einen Zaubertrank, während Fliegen auf den Kannen okkulte Botschaften zu übermitteln scheinen.

Zwei der Hauptwerke Baluscheks, »Rummelplatz« (1914) und »Großstadtlichter« (1933), erweisen sich, Berlin zwischen Volksfest und Mobilmachung zeigend, als prophetische Warnung vor nahenden Katastrophen. Der Fußgängerstrom, der sich im zweiten Bild nach links und rechts spaltet, weist die einen dem Proletariat, die anderen dem Bürgertum zu. Dagegen erscheint im Bild »Ein Toter (Toter auf der Landstraße)« (1922) der Leichnam eines Vagabunden mit ausgebreiteten Armen in der Pose des Messias.

Die Bewohner der hinter ihnen liegenden trostlosen Mietskaserne verbringen den »Sommerabend« (1928) auf dem kargen Feld im Vordergrund. Aber hätte man vermuten können, dass der Maler in den Paaren und Gruppen die sieben Tugenden und Todsünden gestaltet? Es sind existenzielle Fragen im Kreislauf des Lebens, aus denen seine Motive auch hervorgegangen sind. Baluscheks Bildwelt – das erweist diese museale Neubewertung – ist tiefgründiger als bisher angenommen, fantasievoller, von größerer Kreativität. Sie wird nun auch im Grenzbereich zwischen Traum und Realität, Unbewusstem und Bewusstem zu betrachten sein. Der Maler des sozialen Mitleids zielt mit seiner Nähe zum Geheimnisvollen und Versteckten eben auch auf Irritation und subversive Wirkung, um dergestalt zu neuem Denken anzustoßen.

»Geheimcodes. Hans Baluscheks Malerei neu lesen!«, bis zum 1. September, Bröhan-Museum, Berlin

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