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Sheinbaum macht das Rennen
Mexiko wählt erstmals eine Frau an die Staatsspitze
»Mit all meiner Zuneigung und meinem Respekt gratuliere ich Claudia Sheinbaum. Sie wird die erste Präsidentin Mexikos in der 200-jährigen Geschichte der Republik sein.« Der amtierende Präsident Andrés Manuel López Obrador konnte nach den Wahlen frohlocken, denn seine Wunschkandidatin gewann. Mit 59 Prozent gewann Sheinbaum mit deutlichem Abstand zu ihrer Widersacherin der Opposition, Xóchitl Gálvez (27 Prozent). Die Wahlen fanden in einem Kontext massiver Gewalt gegen Kandidat*innen aller Parteien statt, meist auf Landes- oder Gemeindeebene. Medienberichten zufolge gab es auch Vorfälle mit Schusswaffen vor Wahllokalen. Nichts Ungewöhnliches in Mexiko. Gewinnerin Sheinbaum war zuvor Bürgermeisterin in Mexiko-Stadt. Dort scheinen die Menschen die Politik ihrer Partei Morena nicht mehr zu wollen – der Kandidat der Opposition gewann. Nicht nur das Staatsoberhaupt, auch mehrere Gouverneure, insgesamt über 20 000 Ämter wurden gewählt. Es waren die größten Wahlen in der Geschichte Mexikos.
In Mexiko gibt es keine zweite Wahlrunde, keine Stichwahl. Nur sechs Länder in ganz Lateinamerika haben diese politische Gepflogenheit. Zudem regiert das Staatsoberhaupt lediglich in Mexiko (und Venezuela) ganze sechs Jahre. Vielerorts sind vier oder fünf Jahre die Regel. Andere Nationen erlauben darüber hinaus oft die Wiederwahl eines Präsidenten. In Mexiko ist das laut Verfassung nicht möglich.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Wer wählt, kriegt einen Hamburger
Um die Partizipation unter den Wähler*innen zu erhöhen, bieten verschiedenste Restaurants und Einzelhandelsgeschäfte Rabatte und kostenlose Produkte an, informiert die Zeitung »El Universal«. Wer Lust auf Hamburger habe, der solle sich die 2-für-1-Aktion bei der Burger-Kette Carls Jr. zu Gemüte führen. Wem es eher nach Eis ist, der soll mit der Tinte am Wählerdaumen zu Burger King oder Dairy Queen gehen, wo eine kostenlose Kugel Eis auf all die warte, die gerade von ihrem fundamentalen demokratischen Recht Gebrauch gemacht haben.
Die britische Zeitschrift »The Economist« veröffentlicht seit 2010 jedes Jahr den »Democracy Index«. An diesem lässt sich ablesen, in welche Richtung sich ein Land entwickelt. Mexiko befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit Existenz des Demokratieindex. Von 6,7 von 10 Punkten (2006) ist der nordamerikanische Staat auf 5,1 Punkte abgerutscht (2023). Damit ist Mexiko keine »unvollständige Demokratie« mehr – die zweitbeste Bezeichnung des Barometers – sondern ein »hybrides Regime«. Und nur noch eine Stufe und einen Punkt davon entfernt, ein autoritäres Regime zu sein.
Mexiko versinkt weiter in Gewalt, das Land ist politisch gespalten. Massengräber, Verschwundene, Binnenvertriebene: Die Administration von Andrés Manuel López Obrador hat nichts zur Linderung des Leids beigetragen. Das Nationale Statistikinstitut konstatiert 180 000 Morde während seiner Amtszeit – mehr als je zuvor seit Datenaufzeichnung 1990. López Obrador dankt jetzt ab, er hat sein Ziehkind Claudia Sheinbaum (Bündnis Morena, PT, Grüne) an die Präsidentschaft gebracht. Neue Strategien gegen den Einfluss des organisierten Verbrechens sucht man vergeblich: »Umarmungen, keine Kugeln« ist weiterhin der Modus Operandi. Das heißt im Klartext: Freie Hand für die Kriminellen. Was die aktuelle Regierung geschafft hat, ist das Sichtbarmachen marginalisierter Gruppen wie den Indigenen. Großzügige Sozialprogramme und ein höherer Mindestlohn helfen vielen Menschen. Die Armut konnte um einige Prozentpunkte reduziert werden.
Die Politik und das organisierte Verbrechen
Rund einen Monat vor den Wahlen und kurz nach der ersten TV-Debatte zündete die Investigativautorin Anabel Hernández – mal wieder – eine mediale Bombe. Ihr neues Buch »La historia secreta« (Die geheime Geschichte) enthält pikante Details über Verflechtungen von Politiker*innen mit Akteur*innen des organisierten Verbrechens. Auch über die der frisch gewählten Präsidentin, die laut der Journalistin gemeinsame Sache mit Omar García Harfuch mache. Dieser gehört zur selben Partei (Morena), war jahrelang Chef der Sicherheitsbehörde Mexiko-Stadts und soll Verbindungen zum organisierten Verbrechen unterhalten. Hernández entkam verschiedenen Mordversuchen, bis sie schließlich Mexiko verlassen musste. Jetzt wohnt sie als Exilautorin in Italien und reist nur noch sporadisch nach Mexiko. Die Journalistin erzählt im Interview mit MVS Noticias, dass sie »nicht einen, nicht zwei, sondern mehr als 20« Zeugen als Basis für ihre Anschuldigungen habe. Einige davon sind – oder waren – relevante Akteure in der Drogenmafia.
Das Buch lieferte der Oppositionskandidatin Xóchitl Gálvez (Bündnis PAN, PRI, PRD) die rhetorische Grundlage, um ihre Kontrahentin Claudia Sheinbaum »Narco-Kandidatin« zu nennen. Generell zeichneten sich die insgesamt drei ausgestrahlten TV-Debatten durch wenig Inhalt und viel Angiften aus. Die Kandidat*innen wurden selten konkret, nutzten allerdings jede Gelegenheit, sich gegenseitig zu attackieren. Schilder mit ausgedruckten Internet-Memes, die politische Satire oder Korruptionsvorwürfe enthielten, hielten die Kandidat*innen in die Luft. Richtige Debatten waren es ohnehin nicht. Denn die Wahlbehörde INE entschied sich für ein Format, bei dem die einzelnen Amtsanwärter*innen mit einem Zeitkonto nach und nach ihre Statements abgeben. Das führte dazu, dass kein Dialog untereinander entstehen konnte, sondern lediglich kurze, anschuldigende Aussagen an den Kopf des politischen Gegners geworfen wurden.
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