Hungerstreik gegen Häftlingskleidung

Paragraf 129b: Haydar Demiray sitzt im Gefängnis, obwohl er keine Straftat begangen hat. Er wehrt sich gegen das Tragen der Anstaltskleidung

  • Henning von Stoltzenberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit dem 13. März befindet sich der politische Gefangene Haydar Demiray in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Düsseldorf in einem unbefristeten Hungerstreik gegen den Zwang, Anstaltskleidung tragen zu müssen.

Demiray wurde 2022 festgenommen und wegen der Zugehörigkeit zur linken DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuchs als Mitglied einer »ausländischen terroristischen Vereinigung« zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Individuelle Straftaten wurden dem Verurteilten nicht zur Last gelegt, sondern völlig legale Aktivitäten wie die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen. Der Besuch von linken Kulturvereinen wurde als Beleg für seine Mitgliedschaft gewertet.

Als das Urteil im März rechtskräftig wurde, sollte Haydar Demiray damit beginnen, die einheitliche Anstaltskleidung zu tragen, was er verweigerte und unmittelbar mit seinem Protest begann.

Der Widerstand gegen die staatlich verordnete Kleidung in Haft hat in der Türkei eine lange Tradition. Sie wird als Instrument der Unterwerfung betrachtet, um Gefangenen ihre politische Identität zu nehmen und Macht zu demonstrieren. Um ihrerseits mit den wenigen Protestmöglichkeiten von Gefangenen ihren Widerstand auszudrücken, wird das Mittel des Hungerstreiks angewendet.

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Schon während der Militärdiktatur 1984 fand im Gefängnis in Metris über mehrere Monate ein solcher Protest statt. Der Zwang zum Tragen von Anstaltskleidung wurde damals abgewendet. Die Gefangenen Abdullah Meral, Fatih Öktülmüs, Haydar Basbag und Hasan Telci starben damals im Hungerstreik.

Der Zustand von Demiray ist nach fast drei Monaten ohne Nahrung zunehmend kritisch. Ehefrau Sonnur, die selbst jahrelang wegen DHKP-C Mitgliedschaft inhaftiert war, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung der JVA.

In einem Brief an Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) gibt sie an, dass ihrem Mann zu Beginn des Hungerstreiks das Vitamin B1 vorenthalten worden sei. Das Vitamin ist lebensnotwendig für Hungerstreikende, um die Gehirnfunktionen aufrecht zu erhalten und bleibende Schäden zu verhindern. Gleiches gilt für die Einnahme von Salz und Zucker.

Des Weiteren beschreibt Sonnur Demiray die Haftumstände als »Sonderbehandlung« mit zahlreichen Schikanen. So dürfe ihr Ehemann Mitgefangene nur mit Genehmigung in ihren Zellen besuchen. Zudem werde ihm Zugang zu Büchern, ein Deutsch-Kurs oder die Arbeit im Gefängnis verweigert. Wegen eines angeblichen Handy-Funksignals sei er außerdem einer gewaltsamen nächtlichen Durchsuchung unterzogen worden. Auch der Zucker sei ihm kurzzeitig weggenommen worden, bis er mit einem Durststreik gedroht hatte.

Dabei fordere Demiray nicht einmal die Abschaffung der Anstaltskleidung, sondern lediglich die Verlegung in eine JVA, in der das Tragen der eigenen Kleidung gestattet ist, wie es in Gelsenkirchen, Remscheid und Wuppertal der Fall sei.

Verlegungen hatten in der Vergangenheit bereits ähnliche Konflikte lösen können. So wurden die politischen Gefangenen Özkan Güzel und Sadi Özpolat in andere Gefängnisse gebracht und beendeten ihren Hungerstreik.

Eine Antwort auf ihren Brief hat Sonnur Demiray von Minister Limbach bisher nicht erhalten.

Lediglich die Leitung der JVA Düsseldorf reagierte schriftlich. In einem Brief von 13. Mai heißt es, es bestehe aktuell keine Gefahr für Leib und Leben des Gefangenen. Auch Vitamin B1 werde ihm ausgehändigt. Sicherungsmaßnahmen bestünden aufgrund seiner im Urteil festgestellten Gesinnung. Die JVA wolle verhindern, dass er diese auf andere Gefangene »übertragen« könne. Für die Zuweisung von Arbeit stehe Demiray auf einer Warteliste. Eine Verlegung in eine andere Anstalt sei derzeit »nicht angezeigt«, weil das Strafvollzugsgesetz dies allein aus Gründen der Kleidung nicht vorsehe.

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