Die Kantine der Zukunft

Gesunde Kost ist gefragt: Staatssekretärin Antje Töpfer inspiziert die Landtagsküche

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Früh übt sich: Mittagessen in einer Grundschule
Früh übt sich: Mittagessen in einer Grundschule

Tatsächlich lässt sich in der Potsamer Landtagskantine der politische Standpunkt aus dem Essverhalten schließen. Zumindest tendenziell. »Die meisten Vegetarier gibt es bei den Grünen«, sagt Küchenchef Sandro Ay, als am Mittwoch Gesundheitsstaatssekretärin Antje Töpfer (Grüne) der Kantine im obersten Geschoss des Parlamentsgebäudes einen Besuch abstattete. Von der Linken hin zur CDU steige dann der Anteil der Fleischesser an. Doch selbst bei der AfD gebe es inzwischen 30 Prozent Salatesser, weiß der Küchenchef. Die größte Gemeinsamkeit über den Mittagstöpfen lässt sich immer noch bei Spinat mit Rührei herstellen. Ay sagt: »Das ist der Klassiker.«

An diesem Mittwoch serviert wurde unter anderem gebackener Kohlrabi mit gestampften Kartoffeln – und man habe diese Mahlzeit gut verkaufen können, sagt Ernährungsberater Stefan Endres. Verwendet worden seien auch der Strunk und Kohlrabiblätter, den Gästen habe es gemundet. Richtig voll wird es in der Kantine kurz vor und während der regulären Landtagssitzungen. Am Mittwoch gab es keine. Es ist insofern ein ruhiger Tag für das Küchenpersonal.

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»Kantine Zukunft«, heißt ein Projekt des Gesundheitsministeriums, das vor mehr als einem halben Jahr gestartet worden ist. Beim angestrebten Wandel des Essverhaltens steht die Gemeinschaftsverpflegung in Kantinen aller Art im Mittelpunkt. Vom Kampf der Fleischesser gegen Vegetarier oder gar Veganer wollen die Verantwortlichen nichts mehr wissen – zumindest soll auf dieses Etikett weitgehend verzichtet werden. Mit diesen eingefahrenen Begriffen möge die »Ideologie« verschwinden. »Das Essen soll schmecken, darauf kommt es an.« Ernährungsberater Endres hält die strikte Einteilung für überholt und wenig zweckmäßig. »Die Trennlinie zwischen Fleisch und kein Fleisch zu ziehen, wäre zu einfach.« Ihm ist wichtiger: Was spricht die Besucher der Kantine an, was weniger? Natürlich bleibt die vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht, sodass die fleischhaltige Kost von der fleischarmen und fleischlosen weiterhin auch für die Kantinenbesucher deutlich unterscheidbar bleibt.

Für Staatssekretärin Antje Töpfer ist wichtig, dass die Kantine der Zukunft vor allem mit regionalen Erzeugnissen beliefert wird, dass dadurch »Wertschöpfungsketten« entstehen, was »unser großes Anliegen« ist. Töpfer berichtet von brandenburgischen Landwirten, die inzwischen Kichererbsen anbauen und zum Teil schon selbst zubereiten. »Wir müssen die Lieferketten mitdenken.«

Olga Graf leitet die Initiative »Kantine Zukunft« und weist darauf hin, dass »regional« nicht unbedingt bedeute, dass die dort bezogenen Proukte die billigsten sind. »Regional beliefern lassen – das ist richtig. Aber es ist einfacher gesagt als getan.«

Im vergangenen Oktober hatte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) die neue Ernährungsstrategie für Brandenburg vorgestellt. Als Schauplatz wählte sie die Mensa der Potsdamer Universität. Dort ist man inzwischen am weitesten auf dem Weg, den die Pioniere des neuen Essens eingeschlagen haben und auf den sie vor allem die jüngere Generation locken wollen. Die neue Strategie soll dazu führen, dass sich laut Nonnemacher in Brandenburg »nachhaltig, gesund, regional, vielfältig und fair« ernährt wird. Daher plane sie mit ihrer Strategie Anreize für eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu setzen, sagte die Ministerin. Gemeinsames Kochen und die Gesellschaft bei der Einnahme der Mahlzeit förderten das Wohlbefinden aller Beteiligten. Darüber hinaus werde die Umwelt geschont.

Bei diesem Vorhaben bekam Nonnemacher auch innerhalb der mit SPD und CDU gebildeten Koalition Gegenwind. Das laufe auf ein Verbot der gesunden Currywurst hinaus, machte Finanzministerin Katrin Lange (SPD) ihrem Unmut Luft. Aber auch von den oppositionellen Freien Wählern wurde die »Ernährungsstrategie« angegriffen. Sie starteten etwa gleichzeitig eine Kampagne »Verbote verbieten«.

»Wer unsere Anstrengungen darauf reduziert, der verkennt ihre Bedeutung«, entgegnete Nonnemacher auf die Vorhaltungen. Die Politik dürfe nämlich nicht tatenlos zusehen, wenn immer mehr Menschen durch falsche Ernährung krank werden oder sogar Pflegefälle. »Volkskrankheiten« wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Bluthochdruck haben Nonnemacher zufolge nicht selten ihre Ursache in ungesunder Ernährung. Die Fettleibigkeit habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Brandenburg liege mit 56 Prozent übergewichtigen Einwohnern »deutlich über dem Bundesdurchschnitt«. Jeder dritte Jugendliche in der 10. Klasse wiege zu viel, gab Nonnemacher zu bedenken. Vor zehn Jahren waren es knapp 25 Prozent.

»Das Essen soll schmecken, darauf kommt es an. Die Trennlinie zwischen Fleisch und kein Fleisch zu ziehen, wäre zu einfach.«

Stefan Endres Ernährungsberater
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