Moschiach (I)

Der Moschiach könnte langsam mal auftauchen. Er würde gewiss niemandem schaden – und einigen sogar nützen

  • Alexander Estis
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Moschiach wird im Nissan kommen, aber vermutlich nicht in einer Blechkiste.
Der Moschiach wird im Nissan kommen, aber vermutlich nicht in einer Blechkiste.

Wann kommt der Moschiach? Das weiß keiner, außer vielleicht der Prophet Elija. Und wann kommt der Prophet Elija? Auch das weiß keiner.

Also weiß eigentlich keiner, wann der Moschiach kommt. Аußer vielleicht der Moschiach selbst – aber ob er es weiß, weiß leider wiederum keiner. Wenn er käme, könnten wir ihn fragen, allein: Das können wir schwerlich, solange er nicht gekommen ist. Und wenn er schon gekommen wäre, bräuchten wir ihn nicht zu fragen, weil wir es dann ja schon wüssten.

Ezzes von Estis

Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.

Außerdem hätten wir gewiss bessere Fragen, wenn der Moschiach käme – zum Beispiel, warum er eigentlich so lang gebraucht hat.

Ja, das wäre mal eine Frage, denn es wäre durchaus an der Zeit. Der Moschiach könnte langsam mal auftauchen, das würde niemandem schaden. Das würde niemandem schaden – und einigen würde es vielleicht sogar nützen, zum Beispiel der ganzen Welt. Weil auf ihr dann endlich Frieden wäre, und dagegen hätte die Welt bestimmt nichts einzuwenden. Aber selbst wenn sie etwas einzuwenden hätte, dürfte sie gar nicht mitreden, und die Menschen noch weniger als gar nicht – weil, wenn die Menschen mitreden dürften, eben kein Frieden wäre. Daher dürfen die Menschen höchstens mitschweigen, und selbst das nur, wenn sie gefragt werden. Aber warum sollte jemand die Menschen fragen, wenn der Moschiach da ist?

Daher werden, wie gesagt, umgekehrt die Menschen den Moschiach fragen. Ja, wenn der Moschiach kommt, dann wird eine Fragerei sein, wie sie die Welt noch nicht erlebt hat:

»Moschiach, kannst du Tante Klara mit ihrer Arthritis helfen?«

»Moschiach, möchtest du lieber Knejdlech oder Tscholent?«

»Moschiach, wenn du den Tempel wiedererrichtet hast, kannst du bei uns auch gleich noch die Garagenwand neu verputzen?«

»Moschiach, müssen wir all die Auferstandenen jetzt bei uns einquartieren? Wir haben so schon kaum Platz, und nächste Woche kommt auch noch Neffe Motja!«

»Moschiach, möchtest du lieber Latkes oder Zimmes

»Moschiach, hast du etwa gar keine Frau? Asoj a schejne jingele, und ganz allein! Kennst du schon unsere Enkelin Lija?«

»Moschiach, wo habe ich meine Brille gelassen?«

»Moschiach, wirst du jetzt wohl aufessen? Wenn du nicht aufisst, bist du nicht der wahre Moschiach!«

Falsche Moschiachs hatten wir nämlich genug. Und einer davon war sogar so überzeugend, dass ihn bis heute viele für den wahren halten. Womöglich war er sogar tatsächlich der wahre. Nur eben nicht der Moschiach.

Dabei gibt es eigentlich eindeutige Zeichen dafür, ob es sich um einen wahren oder um einen falschen Moschiach handelt. Wenn einer zum Beispiel sagt, dass er von David abstamme, und er meint David den alten nebechinker von gegenüber, dann handelt es sich vermutlich nicht um den wahren Moschiach. Oder wenn einer sagt, dass du ihm zwecks Rettung der Welt dein ganzes Geld übertragen sollst, ist es höchstwahrscheinlich auch nicht der wahre Moschiach. Und wenn einer in einem X-Trail-SUV vorfährt, weil es heißt, dass der Moschiach im Nissan kommen werde, dann ist es ziemlich sicher auch nicht der wahre Moschiach.

Falsche Moschiachs gibt es eben viele, aber den wahren nur einmal. Und er wird kommen, man weiß zwar nicht wann, aber gewiss nicht viel später als gerade noch zur rechten Zeit.

Moschiach – Messias; Nebechinker – armer Schlucker; Asoj a schejne jingele! – So ein schönes Jüngchen!; Nissan – der siebte Monat nach jüdischem Kalender (etwa Mitte März bis Mitte April)

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