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Anschnallen, bitte!
Turbulenzen bergen ein hohes Verletzungsrisiko. Eine App soll für bessere Vorwarnungen sorgen
Anfang März 2023 befindet sich ein Airbus A330 der Lufthansa auf dem Flug über den USA. Plötzlich wird die Maschine durchgeschüttelt und sackt so stark durch, dass Insassen verletzt werden. Der Airbus landet außerplanmäßig in Washington und sieben Menschen müssen in Krankenhäuser gebracht werden. Der Zwischenfall rückt ein Risiko des Luftverkehrs in den Blickpunkt, das in der Öffentlichkeit kaum beachtet wird: Turbulenzen. Mit einer neuen App haben Piloten jetzt die Möglichkeit, besser darauf zu reagieren.
Turbulenzen gehören zu den größten Risiken im Luftverkehr überhaupt. Tagtäglich werden überall auf der Welt Verkehrsflugzeuge mit dem entsprechenden Phänomen konfrontiert. Häufig kommt es dabei zu Verletzten, manchmal sogar zu Toten – meist, weil die Passagiere die Anschnallanweisungen der Piloten ignorieren.
Einige Beispiele unter vielen: Beinahe zeitgleich zum Lufthansa-Flug gerät eine A330neo der Fluggesellschaft Condor beim Flug von Frankfurt nach Mauritius in Turbulenzen. 20 Insassen werden verletzt. Beim Flug von Tokio nach Honolulu wird eine Boeing 747 der Fluggesellschaft United Airlines über dem Pazifik von heftigen Turbulenzen geschüttelt. Der Kapitän fordert die Passagiere zum Anschnallen auf. Viele Fluggäste beachten die Anweisung nicht. Wenig später nehmen die Turbulenzen zu, werden so stark, dass der Kapitän zeitweise sogar strukturelle Schäden am Flugzeug befürchtet. Währenddessen spielen sich in der Kabine grauenvolle Szenen ab. Passagiere, Handgepäck und Verpflegung werden durch die Luft gewirbelt. Ein Fluggast stirbt, 18 Menschen werden schwer und 171 leicht verletzt.
Das Wetterradar kann keine Luftbewegungen erkennen.
Entsprechende Vorfälle werden im Luftverkehr akribisch von den jeweils zuständigen Flugsicherheitsbehörden erfasst und – je nach Ausmaß der Auswirkungen als Unfall oder Zwischenfall – eingestuft. Wer sich die Mühe macht, die entsprechenden Berichte auszuwerten, stößt auf eine schier unüberschaubare Anzahl. Weltweit zusammengefasste Zahlen gibt es nicht. So liegen auch keine Angaben über die weltweite Zahl der Toten und Verletzten vor.
Weltweit ist die US-Flugunfalluntersuchungsbehörde NTSB führend bei der Erfassung. Sie untersucht Unfälle und Zwischenfälle, die im kommerziellen zivilen Luftverkehr der USA geschehen. In einer Studie listet sie 432 Vorfälle in Zusammenhang mit Turbulenzen auf, die sich im Untersuchungszeitraum von 16 Jahren ereigneten. In 225 Fällen kam es dabei zu schweren Verletzungen von Flugzeuginsassen, in 1109 trugen diese leichte Verletzungen davon. Durchschnittlich, so schließt die Behörde, komme es pro Jahr zu 26,9 Vorfällen in Zusammenhang mit Turbulenzen mit 14 schweren und 69 leichten Verletzungen.
Bei Turbulenzen handelt es sich um Luftbewegungen, denen das Flugzeug während seiner Reise ausgesetzt ist. Deren Entstehen kann die unterschiedlichsten Gründe haben. Sie treten in Folge von Unwettern auf, über Wüstengebieten infolge der aufsteigenden Warmluft und durch Bodenunebenheiten, auf die der Wind trifft. Aus diesem Grund ist der Flug in Bodennähe häufig besonders turbulent. Das gilt auch für Flüge über Gebirge, bei denen die starken Bodenunebenheiten starke Auf- und Abwinde verursachen. Während des Reisefluges in großer Höhe treten Turbulenzen weit seltener auf, können aber auch zum Beispiel am Rand der großen Jetstreams vorkommen. Diese sind mächtige und sehr kraftvolle Luftströmungen, die unseren Globus in großer Höhe umfließen.
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»Luftlöcher«, wie Turbulenzen häufig von Passagieren genannt werden, gibt es in der Atmosphäre allerdings nicht. Sackt das Flugzeug plötzlich während des Fluges kräftig durch, hängt das mit der speziellen Form der Tragflächen zusammen. Diese sind so geformt, dass durch ihre spezielle Wölbung an ihrer Oberseite Auftrieb entsteht, wenn das Flugzeug durch seinen Motor beschleunigt wird. Trifft während des Fluges eine kräftige Windböe zusätzlich von vorn auf die Tragfläche, erhöht das kurzzeitig den Auftrieb. Ebbt die Windböe plötzlich ab, sackt das Flugzeug entsprechend für einen kurzen Moment durch.
Zur Grundausstattung moderner Verkehrsflugzeuge gehört ein Wetterradar. Es befindet sich im Bug der Maschine. Es kann allerdings keine Luftbewegungen erkennen, sondern nur Wolkenformationen. Grund: Die darin enthaltenen Wassertropfen reflektieren die Radarstrahlen. Anhand der abgebildeten Wolkenformationen – zum Beispiel Gewitterwolken – können die Piloten meist schon vorab abschätzen, ob mit Turbulenzen während des Fluges zu rechnen ist. Turbulenzen, die nicht in Zusammenhang mit Wolken auftreten, lassen sich nicht vorzeitig erkennen.
Trotzdem erfahren die Piloten über Funk häufig auch von solchen Turbulenzen, da die Besatzungen vorausfliegender Flugzeuge die nachfolgenden warnen. Passagiere werden dann wiederum durch das Anschalten der Anschnallzeichen und entsprechende Durchsagen gewarnt. Die Umsetzung der Warnungen aber können die Piloten nicht erzwingen. Sie liegt allein in der Verantwortung der Passagiere.
Die neue App, die das Risiko von Turbulenzen minimieren soll, wurde von Sita entwickelt, einem auf die Luftfahrt spezialisierten Kommunikationsanbieter. Sie heißt Sita Ewas und fasst die Informationen zahlreicher Wetterquellen zusammen. Dazu gehört unter anderem auch die Turbulenzvorhersage des Deutschen Wetterdienstes. Ewas kombiniert diese Daten mit den Echtzeit-Turbulenzmessungen von anderen Flugzeugen weltweit, wie Autofahrer es von Staumeldungen in der Verkehrsapp bei der Autofahrt kennen. Dadurch können die Piloten während des Fluges zum Beispiel ihre Routen anpassen und so Turbulenzzonen umfliegen. Die App kommt bereits bei Air France und der Lufthansa-Tochter Swiss zum Einsatz.
Dem Flugzeug selbst können Turbulenzen normalerweise nicht gefährlich werden. Es ist für weit größere Belastungen ausgelegt. Die während eines Fluges auftretenden Beschleunigungskräfte werden mit der Maßeinheit g gemessen. Üblicherweise, bei einem ruhigen Reiseflug an einem schönen Sommertag, können hier Belastungen von 1,3 g auftreten. In einem Herbststurm mit kräftigen Böen sind es um die 1,8 g. In Tests zur statischen Bruchbelastung aber hat der Airbus A340 schon 4,5 g ertragen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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