- Kultur
- »Ein neuer Sommer«
Lügen, Geheimnisse und Klassenschranken
Die Krimi-Serie »Ein neuer Sommer« bietet einen Blick auf das Leben der oberen Zehntausend an der US-Ostküste
Als Amelia Sacks (Eve Hewson) am Tag ihrer Hochzeit frühmorgens noch schlaftrunken ein paar Meter aus der Sommerresidenz ihrer zukünftigen Schwiegereltern zum Strand von Nantucket, eine schicke Insel die zum US-Bundestaat Massachuetts gehört, hinuntergeht, sieht sie plötzlich einen leblosen Körper im Wasser treiben. Als ihr klar wird, wer die Tote ist und wie viel sie ihr bedeutet, bricht sie in Panik aus. Erst am Ende der ersten Episode erfährt der rätselnde Zuschauer, wer da eigentlich gestorben ist.
Aber mit diesem Versteckspiel gibt die starbesetzte und aufwendig produzierte sechsteilige Netflix-Serie »Ein neuer Sommer« schon einmal ihren eigenwilligen Erzählmodus vor. »Ein neuer Sommer«, die Adaption des nicht ins Deutsche übersetzten Romans »The Perfect Couple« (2018) von Elin Hilderbrand, die selbst auf der Insel Nantucket wohnt, ist eine komplexe Krimigeschichte voll überraschender Wendungen aus dem Milieu der oberen Zehntausend.
Auch wenn »Ein neuer Sommer« als klassischer Krimi angelegt ist, wird diese Geschichte durch ihre nichtlineare Erzählweise wie ein rätselhaftes Puzzle inszeniert.
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Die Familie Winbury besitzt ein großes Anwesen am Strand von Nantucket, wo die Schönen und Reichen residieren. Gerade soll die Hochzeit für Sohn Benji (Billy Howle) mit der aus einfacheren Verhältnissen stammenden Amelia gefeiert werden, als die Tote aufgefunden wird und bereits zahlreiche Gäste übers Wochenende eingetroffen sind. War es ein Unfall oder sogar Mord?
Sehr zum Unmut der Winburys ermitteln bald Polizeichef Dan Carter (Michael Beach) und Kommissarin Nikki Henry (Donna Lynne Champlin) in dem Fall und befragen der Reihe nach Familie und Gäste, nachdem die Hochzeit erst einmal abgesagt worden ist. Mutter Greer Garrison Winbury (Nicole Kidman) ist erfolgreiche Bestseller-Autorin und steht kurz vor einer neuen Buchveröffentlichung, sodass, während die polizeilichen Ermittlungen noch laufen, Journalisten anreisen, um eine Home-Story über die Familie zu machen.
Ehemann Tag (Liev Schreiber), der eine Affäre nach der anderen hat und stets gute Miene zum bösen Spiel macht, sitzt den ganzen Tag kiffend am Strand. Die Söhne Thomas (Jack Reynor), Benji und der junge Will (Sam Nivola), der ein romantisches Tête-à-Tête mit der Tochter des schwarzen Polizeichefs hat, liegen im Dauerclinch und kloppen sich auch mal. Dazu sind noch Freunde der Familie eingeladen, die in den Gästehäusern auf dem am Meer gelegenen Anwesen wohnen. Die Anzahl möglicher Verdächtiger ist dadurch groß und mit den laufenden Ermittlungen wird klar, dass es jede Menge Motive für einen möglichen Mord gibt.
Auch wenn »Ein neuer Sommer« als klassischer Krimi angelegt ist, wird diese Geschichte durch ihre nichtlineare Erzählweise mit zahlreichen Rückblenden und vielen Andeutungen wie ein rätselhaftes Puzzle inszeniert. Erst ganz langsam ergeben die verschiedenen, äußerst geschickt miteinander verwobenen Handlungsstränge zwischen Verhören auf der Polizeiwache, Ereignissen vom Vortag der geplanten Hochzeit, den fortlaufenden Ermittlungen und jeder Menge zum Teil weit in die Vergangenheit reichender Rückblenden Sinn.
Alle Anwesenden haben ihre kleinen und großen Geheimnisse. Im Keller der wohlhabenden Familie Winbury gibt es jede Menge Leichen. Dabei geht es um geheime Liebschaften, teuren Schmuck, verletzte Gefühle, Eifersüchteleien und vor allem um kaum überwindbare Klassenschranken.
Die Winburys sind Prototypen der aufgeklärten superreichen Ostküsten-Amerikaner. Als der jugendliche Will Winbury eines Tages durch das Fenster ins Zimmer zu seiner Geliebten Chloe (Mia Isaac) steigt, erwischt ihn ihr Vater, der Polizeichef, und ruft wutentbrannt: »Deiner Familie gehört nicht die ganze Insel. Das ist mein Haus!« Wills Bruder Thomas, ein arrogantes Ekelpaket, droht den ermittelnden Beamten damit, den jährlichen Weihnachts-Scheck der Familie für das Polizeirevier zu kürzen, sollten ihre Autos weiter die Einfahrt versperren. Je weiter sich die Geschichte mit fortlaufender Handlung entwickelt, desto wichtiger werden diese Klassenunterschiede, für die fast schon proletarischen Beamten Dan Carter und Nikki Henry ebenso wie für die zahlreichen Gäste und die Braut mitsamt ihren Eltern.
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