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BVG in der Krise: Sparfahrplan soll bis mindestens 2029 bleiben
Bis mindestens 2029 soll der Sparfahrplan bei Bahnen und Bussen bleiben – mit einer Ausnahme
Überfüllte Bahnen und Busse werden die Berlinerinnen und Berliner noch das ganze laufende Jahrzehnt begleiten. Denn der Sparkurs beim Fahrtenangebot der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ist deutlich weitreichender als bisher öffentlich bekannt. Nicht nur bis 2027, sondern mindestens zwei Jahre länger soll sich am Fahrplan von Straßenbahnen und Bussen gar nichts ändern. Bei der U-Bahn soll es einen einmaligen Zuwachs im Jahr 2027 geben, weitere Angebotssteigerungen soll es bis 2029 nicht geben.
Diese Information wurde BVG-Beschäftigten bei einer internen Veranstaltung in der Urania gegeben. Die zugehörige Präsentation liegt »nd« vor. Vor allem eine Folie ist bemerkenswert. »Wieder Stabilität und Verlässlichkeit statt täglicher Improvisation« steht in der Überschrift.
Demnach sollen Busse kontinuierlich – wie seit den erneuten Fahrplankürzungen von 2023 – Jahr für Jahr nur 92,4 Millionen Kilometer im Fahrgasteinsatz zurücklegen. Bereits im laufenden Jahr fahren die Busse 5,3 Prozent weniger Kilometer als im Verkehrsvertrag vorgesehen. 2029 soll das Leistungsdefizit satte 8,3 Prozent erreicht haben – es sollen 8,8 Millionen Kilometer weniger gefahren werden als bisher geplant.
Bei der Straßenbahn wird es bis mindestens 2029 bei den im laufenden Jahr gefahrenen 22,6 Millionen Kilometer bleiben. Geplant war – vor allem wegen geplanter Neubaustrecken –, dass 2029 die Bahnen 23,9 Millionen Kilometer im Fahrgasteinsatz zurücklegen. Das wären 5,8 Prozent mehr.
Die größten Einschnitte sind bei der U-Bahn geplant. Bis 2026 soll es bei den 22 Millionen Fahrplankilometern des laufenden Jahres bleiben. Für 2027 ist ein Sprung um eine halbe Million Kilometer zusätzlich geplant. Auf dem Niveau soll das Angebot mindestens bis 2029 verharren. Damit dürfte die im Verkehrsvertrag vorgesehene Einführung eines 3,3-Minuten-Takts auf fast allen Linien abgesagt sein. Derzeit wird je nach Linie in der Spitze ein Vier- bis Fünf-Minuten-Takt gefahren – angesichts des Fahrgastandrangs zu wenig, wie sich an überfüllten Zügen leicht erkennen lässt.
Im Verkehrsvertrag zwischen Land Berlin und BVG ist eigentlich vorgesehen, dass die U-Bahnen 2029 im Fahrgasteinsatz 25,2 Millionen Kilometer zurücklegen sollen. Tatsächlich sollen laut aktueller Planung also 10,7 Prozent weniger Angebot gefahren werden.
»Natürlich werden wir Ausbau im ÖPNV vornehmen.«
Ute Bonde (CDU) Verkehrssenatorin
Berichtet wurde auf dem Podium, dass man »keine Steigerung des Angebots anstreben« wolle. In den Projektionen für die kommenden Jahre werden auch keinerlei Fahrgastzuwächse mehr prognostiziert.
Die Zukunftsaussichten für den Berliner Nahverkehr sind damit deutlich düsterer als es Vorstandschef Henrik Falk in den letzten Wochen öffentlich dargestellt hat. Am vergangenen Mittwoch berichtete er im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses unter dem Motto »Stabilität vor Wachstum«, dass bis 2027 das Angebot gleich bleiben soll. Eine Woche zuvor hielt er beim Fahrgastsprechtag des Fahrgastverbands IGEB einen ähnlichen Vortrag. Bei beiden Terminen wurde allerdings von ihm der Eindruck vermittelt, dass ab 2027 wieder Leistungssteigerungen vorgesehen sind. Die tatsächlichen Planungen sehen offensichtlich anders aus.
Weil sie glaube, dass »es immer falsch verstanden wird«, erklärte Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) am vergangenen Mittwoch im Ausschuss. »Natürlich werden wir Ausbau im ÖPNV vornehmen.« Wie hoch ist der Wert so einer Aussage, wenn intern klar anders geplant wird? Bonde kündigte im Ausschuss auch an, dass der im Verkehrsvertrag bis 2035 geplante Leistungsaufwuchs »nicht stattfinden wird und nicht stattfinden kann«. Man werde dem in der 2025 anstehenden Revision des Verkehrsvertrags Rechnung tragen.
Die BVG dementiert das geplante Einfrieren des Angebots bis 2029. Die aktuelle Zielstellung, die von einem Aufwuchs absieht, reiche nicht über das Jahr 2027 hinaus, teilte die Pressestelle des Unternehmens mit. »Wie das Angebot ab 2027 weiter geplant wird, ist Teil der aktuellen Diskussionen rund um die turnusmäßig anstehende Verkehrsvertragsrevision. So wird es sowohl intern im Unternehmen als auch extern in zahlreichen Veröffentlichungen und Gesprächen kommuniziert«, heißt es. Man äußere sich nicht zu »einzelnen Spekulationen«, wie das Angebot »ab 2027 aussehen könnte«.
Gegenüber der »taz« versucht die BVG-Pressestelle die Darstellung zu entkräften. Bei den bedenklich flachen Angebotskurven habe es sich lediglich um einen »Platzhalter« gehandelt, eben weil keine Zahlen vorlägen. Auf der Veranstaltung habe man das auch klar kommuniziert, wird ein Pressesprecher zitiert.
»Nee, hat man nicht. Die Zahlen waren kein Platzhalter, das ist Quatsch!«, widerspricht ein Teilnehmender auf Rückfrage von »nd« deutlich.
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