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Luxus bei Dienstreisen in alle Welt

Brandenburgs Rechnungshof rügt Verschwendung an der Europa-Universität Viadrina

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Bibliothek der Europa-Universität Viadrina
Die Bibliothek der Europa-Universität Viadrina

In dem US-Spielfilm »Und täglich grüßt das Murmeltier« gerät der von Bill Murray gespielte Phil Connors in eine Zeitschleife. Er muss den selben Tag immer wieder aufs Neue erleben. Diese Komödie, die 1993 in die Kinos kam, ist der Lieblingsfilm von Brandenburgs Rechnungshofdirektor Ronald Pienkny. Wenn er an die Pensionen der Beamten denkt, fühlt sich Pienkny an diesen Film erinnert. »Und jährlich grüßt der Landesrechnungshof«, sagt er am Montag.

Denn im vergangenen Jahr musste das Land Brandenburg bereits 600 Millionen Euro für die Pensionen seiner 18 900 Beamten und Richter im Ruhestand aufwenden. »Diese Ausgaben werden steigen und zwar in ganz erheblichem Maße«, warnt Pienkny einmal mehr. Im Jahr 2030 wären voraussichtlich zusammen 900 Millionen Euro zu zahlen für Pensionen von dann 32 000 Beamten und Richtern.

Von 51 000 Stellen im Landesdienst sind 16 000 durch sogenannte Tarifbeschäftigte besetzt – also durch Arbeiter und Angestellte, für die monatlich Beiträge an die Rentenversicherung überwiesen werden. Die übrigen 35 000 Landesbediensteten sind verbeamtete Lehrer, Polizisten, Richter, Staatsanwälte und so weiter. Normalerweise wird für ihre Pensionen kein Geld zurückgelegt. Die Pensionen werden gewöhnlich aus dem laufenden Landeshaushalt finanziert.

Weil das aber schwierig werden dürfte, wenn Brandenburg im Jahr 2035 sogar mehr als eine Milliarde Euro für Pensionen aufbringen muss, ist ein Versorgungsfonds angelegt worden. 2025 enthielt der Fonds rund 947 Millionen Euro. Dann war im Ressort von Finanzminister Robert Crumbach (BSW) offenbar ernsthaft erwogen worden, den Versorgungsfonds schrittweise aufzulösen. »Brandenburgs Finanzpolitik steht vor einem Paukenschlag«, hatte der »Tagesspiegel« im März berichtet. Dass sich das Land aus dem Fonds bedienen wolle, gehe aus einem internen Papier des Finanzministeriums für den Doppelhaushalt 2025/26 hervor. Im Jahr 2026 sollten demnach 414,4 Millionen aus dem Versorgungsfonds entnommen werden, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Die Idee sorgte für Protest und ist schlussendlich nicht verwirklicht worden. Es wäre auch »kurzsichtig« gewesen und es sei eine richtige Entscheidung, dass man davon Abstand genommen habe, erklärt am Montag der frühere Justizstaatssekretär der alten rot-roten Koalition und derzeitige Rechnungshofdirektor Pienkny. Er fordert, dass Brandenburg wieder Mittel in den Fonds einspeist. Die Zuführungen waren im Jahr 2017 ausgesetzt worden. Pienkny meint: »Finanzpolitische Weitsicht erfordert, heute schon künftige Belastungen zu berücksichtigen. Daher muss das Land auch für Pensionen so Vorsorge tragen, wie es für Renten vergleichbar schon getan wird.«

Was Pienkny an dieser Stelle nicht erwähnt: Eine mögliche Lösung wäre das Rentenkonzept der Linken. Diese Partei fordert schon sehr lange, dass nicht nur Arbeiter und Angestellte, sondern auch Beamte und alle anderen in die Rentenversicherung einzahlen. Ende November berief sich die Bundestagsabgeordnete Sarah Vollath (Linke) bei einem Seniorenplenum ihrer Partei in Potsdam einmal mehr auf das Vorbild Österreich. Eine derartige Reform kann der Landtag nicht beschließen. Das müsste der Bundestag tun.

Die Pensionen sind für das Land Brandenburg aber nur Teil eines ganz grundsätzlichen finanziellen Problems. Rekordausgaben von jeweils 17 Milliarden Euro im laufenden und im kommenden Jahr seien nur durch neue Schulden von mehr als zwei Milliarden Euro und den Rückgriff auf die Rücklagen zu decken gewesen, analysiert der Rechnungshof. Sein Präsident Harald Kümmel beklagt am Montag, es habe keine Anstrengungen zur Konsolidierung gegeben. Strukturelle Probleme seien nicht gelöst. »Mit einem Haushalt, wie er derzeit aufgestellt ist, kann Brandenburg nur noch mit schmerzhaften Einschnitten oder noch höherer Verschuldung auf neue Herausforderungen reagieren«, erklärt Kümmel. Der zwischenzeitlich etwas abgetragene Schuldenberg ist bis Ende 2024 wieder angewachsen auf 21,8 Milliarden Euro. Kümmel bedauert, die Politik habe sich ans Schuldenmachen gewöhnt. Sie sollte künftig nicht jeden Kredit aufnehmen, der möglich sei, appelliert Kümmel.

Die Direktoren des Rechnungshofs sehen auch Einsparpotenzial – beispielsweise bei den Büros der Landesverwaltung. Büroflächen bleiben den Angaben zufolge vermehrt ungenutzt, weil sich mit der Corona-Pandemie das Arbeiten von zuhause aus etabliert habe. Der Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen nutze diese Entwicklung aber nicht aus. Vorgaben von 2022 würden nicht eingehalten. Es gebe nur die Hälfte der eigentlich vorgesehenen Liegenschaftskonzepte und überhaupt kein Entwicklungskonzept, bemängelt Rechnungshofdirektor Daniel Rosentreter. Standortkonzepte gebe es zwar, aber sie seien veraltet. »Das rächt sich nun«, sagt Rosentreter. »Andere Länder und der Bund werden in den kommenden Jahren 20 bis 30 Prozent ihrer Büroflächen aufgeben. Mit vergleichbaren Vorgaben ließen sich in Brandenburg jährlich bis zu 20 Millionen Euro einsparen.«

Der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) wirft der Rechnungshof ebenfalls vor, nicht sparsam zu wirtschaften. Bei Dienstreisen in alle Welt, die zwischen neun und 40 Tagen dauerten, fehlten die Einladungen oder Teilnahmebestätigungen, die dem Rechnungshof eine Einschätzung ermöglicht hätten, ob die einzelnen Dienstreisen wirklich erforderlich gewesen seien, erklärt Direktorin Katharina Strauß. Teils seien für Flüge Sitzplätze in der Business Class und für die Übernachtung Zimmer in teuren Hotels gebucht worden, was entsprechend höhere Kosten verursacht. Strauß fehlt auch eine Begründung, warum sich der Stiftungsrat der Viadrina eine auf 500 Euro pro Kopf und Sitzung verdoppelte Aufwandsentschädigung genehmigte (für den Vorsitz sogar 1000 Euro). Keine der Sitzungen habe länger als zweieinhalb Stunden gedauert und Reisekosten seien noch extra gezahlt worden.

Der Rechnungshof moniert auch ein Grillfest, bei dem Mitarbeiter Blumen und Büchergutscheine geschenkt bekamen. Strauß sagt: »Die Viadrina gönnte sich aus Steuermitteln die eine oder andere Luxusausgabe.«

Dabei seien die Studierendenzahlen in den zurückliegenden Jahren drastisch gesunken und die Kosten für einen Studierenden von 5100 Euro im Jahr 2019 auf 9000 Euro im Jahr 2024 gestiegen. Für ein Drittel der Studiengänge habe es zuletzt jeweils nicht mehr als fünf Einschreibungen gegeben. Strauß erkennt an, dass die Viadrina dieses Problem mit einer Reform bereits angeht.

Aus dem Rechnungshofbericht
  • Das Haushaltsjahr 2024 endete für das Land Brandenburg mit einem Defizit von 871,7 Millionen Euro.
  • Die Personalausgaben des Landes sind um 14 Prozent gestiegen, weil es Tariferhöhungen gab und die Besoldung der Beamten entsprechend angepasst wurde.
  • Der Rechnungshof stellte für 2023 eine Nettokreditaufnahme von 329,9 Milliarden Euro fest. Im Einklang mit der Verfassung wären seiner Einschätzung nach nur 272,7 Millionen Euro zulässig gewesen.
  • Die Universität Viadrina bezahlt für eine Professur an einer anderen Hochschule 253 400 Euro im Jahr ohne Gegenleistung. Bis zur Pensionierung des Professors im Jahr 2035 werden insgesamt 4,4 Millionen Euro zusammenkommen. Grund dafür ist dem Landesrechnungshof zufolge, dass die Viadrina einen Professor ohne Berufungsverfahren ernannt und ihn später versetzt hatte. af

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