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Rechtsbeugung in Italien
Cyrus Salimi-Asl über das italienische Dekret zu sicheren Herkunftsstaaten
So stellt sich die rechte italienische Regierung die Gewaltenteilung vor: Die Exekutive entscheidet, Geflüchtete gesetzeswidrig in albanischen Lagern festzusetzen. Die Judikative schreitet mit einem Gerichtsurteil ein, und die Exekutive schreit »Verrat«, erlässt kurzerhand ein Dekret, das das Gerichtsurteil aushebeln soll. Giorgia Meloni und ihre Minister lassen wenig Zweifel daran, wie sie Regierungsverantwortung verstehen: als absolute Herrschaft, sanktioniert auf vier Jahre durch den Souverän bei den Parlamentswahlen. Richterliche Beschlüsse gegen Entscheidungen der Regierung werden a priori als illegitime Sabotageversuche aufgefasst. Richter sollen die Gesetze lediglich anwenden, nicht interpretieren.
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Regieren per Dekret
Das am Montag erlassene Regierungsdekret legt 19 sogenannte sichere Herkunftsstaaten fest, in die Schutzsuchende abgeschoben werden dürften, unter anderem nach Ägypten und Bangladesch, obwohl die aus Albanien zurückgeholten Geflüchteten aus genau diesen Ländern stammten. Mit dem Dekret will die Regierung einem Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Genüge tun, wonach Staaten nur als sicher gelten, wenn dies für das gesamte Staatsgebiet gelte.
Europarecht hat auch in Italien Vorrang vor nationalem Recht, das legt die italienische Verfassung fest. Aus dieser Bindung kann sich auch die Regierung Meloni nicht lösen, auch wenn ihr Justizminister suggerierte, die italienischen Richter hätten das komplexe EuGH-Urteil »weder verstanden noch gründlich gelesen«. Einen Ausweg aus dieser Sackgasse deutete der Präsident des Senats an, Ignazio La Russa, ein Parteifreund Melonis: Wir ändern einfach die Verfassung, um die Judikative an die Regierungsleine zu legen.
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