UN-Regeln für Greenwashing

Weltklimakonferenz in Baku fasst Beschluss zum Umgang mit CO2-Kompensationen für Firmen

  • Christian Mihatsch, Baku
  • Lesedauer: 4 Min.
COP-29-Präsident Mukhtar Babayev
COP-29-Präsident Mukhtar Babayev

Bereits am ersten Tag der 29. UN-Klimakonferenz (COP 29) in Aserbaidschans Hauptstadt Baku wurde ein Beschluss gefasst – und löste prompt massive Proteste vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen aus. Auf den ersten Blick ging es hierbei um ein extrem technisches Thema: Artikel 6.4 des Pariser Klimaschutzabkommens zu den Regeln für CO2-Kompensationen. Diese sollen es Firmen ermöglichen, ihre unvermeidbaren Treibhausgasemissionen auszugleichen, indem sie in Klimaschutzprojekte investieren. Damit sollte sich, zumindest theoretisch, auch Geld insbesondere in ärmeren Ländern mobilisieren lassen.

Gleichzeitig gibt es seit Langem Kritik an dem praktizierten »Ablasshandel«: Wegen der schlechten Standards und mangelnder Kontrolle der Projekte gehe es hier vor allem um Greenwashing – Unternehmen oder Staaten stellen sich klimafreundlichen dar, als sie es tatsächlich sind. Im vergangenen Jahr wurde dann ein Skandal publik. Der Marktführer für CO2-Kompensationen, South Pole, musste daraufhin sein weltweit größtes Waldschutzprojekt stoppen, weil in Simbabwe Millionen Tonnen von CO2 nur auf dem Papier eingespart wurden. Das Beratungsunternehmen aus der Schweiz soll ferner Geheimverträge mit Erdöl- und Erdgasfirmen geschlossen haben.

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Während South Pole im freiwilligen Markt für CO2-Kompensationen tätig ist, soll nun zusätzlich ein UN-regulierter Markt geschaffen werden. Und dieser braucht Regeln, die idealerweise ein ähnliches Debakel verhindern. Doch seit der Verabschiedung des Paris-Abkommens im Jahr 2015 konnten sich die Staaten nicht darauf einigen. Aus diesem Grund hat dieses Jahr das Aufsichtsgremium von Artikel 6.4 Regeln entwickelt, basierend auf den jahrelangen Diskussionen zwischen den Ländern, und der Konferenzpräsident der UN-Klimakonferenz in Baku, Mukhtar Babayev, erklärte den Beschluss für angenommen. »Dies wird ein bahnbrechendes Instrument sein, um Ressourcen in die Entwicklungsländer zu lenken«, sagte Aserbaidschans Umweltminister. Die neuen Standards würden dafür sorgen, dass die gehandelten Emissionsreduzierungen »real, zusätzlich, verifiziert und messbar sind«.

Indes sorgt das Vorgehen für Kritik, dass die Regeln einfach den Ländern zur Verabschiedung vorgelegt wurden, ohne die Möglichkeit, nochmals darüber zu verhandeln und Änderungen vorzunehmen. Der pazifische Inselstaat Tuvalu äußerte Unbehagen darüber, auch wenn er den Inhalt nicht rundweg ablehnt.

Vor allem Umweltorganisationen sehen die Glaubwürdigkeit von COP 29 in Gefahr und warnen vor einem Präzedenzfall: »Wenn solche Texte auf diese Weise angenommen werden können, wo ziehen wir dann die Grenze? Darf das Aufsichtsgremium jede Art von Regelung annehmen und dann die Länder die Entscheidungen ohne echte und umfassende Diskussion absegnen lassen? Das sollte nicht mehr vorkommen«, sagte etwa Isa Mulder von Carbon Market Watch aus Brüssel. Die sogenannten Kohlenstoffmärkte funktionierten einfach nicht, kritisierten zudem die NGOs Friends of the Earth, Oil Change International und 350.org in einem gemeinsamen Statement. »Stattdessen dienen sie großen Umweltverschmutzern als Deckmantel, damit sie ihre Emissionen auf Kosten von Mensch und Natur fortsetzen können.« Immer wieder hätten »diese neokolonialen Pläne« zu Landraub, Verletzungen der Rechte indigener Völker und Menschenrechten sowie zur Untergrabung der Ernährungssouveränität geführt.

Es gab aber auch positive Einschätzungen, dass dieses Thema nun endlich vom Tisch ist: »Ein funktionsfähiger UN-CO2-Markt mit klaren Regeln kann ein unschätzbares Instrument sein, um den Fluss von Finanzmitteln in Länder zu verbessern, die die kohlenstoffreichsten Ökosysteme der Welt verwalten«, sagte Florence Laloe von der US-Organisation Conservation International.

Am Abend des ersten Konferenztages konnten zwei weitere, potenziell explosive Probleme eingehegt werden. China und Indien hatten einen Tagesordnungspunkt zum »CO2-Importzoll« der EU verlangt. Doch schließlich gaben sich die beiden Länder damit zufrieden, dass Konferenzleiter Babayev informelle »Konsultationen« zu diesem Thema führen will. Und beim zweiten Streitpunkt brachte eine Fußnote die Lösung. Hier ging es um die Folgen aus der vor einem Jahr verabschiedeten Bewertung der – noch immer unzureichenden – nationalen Klimapläne der Vertragsstaaten. Die Industriestaaten forderten, sich dabei nicht auf finanzielle Aspekte zu beschränken, sondern auch die Senkung der Emissionen durch Ausstieg aus den fossilen Energien festzuschreiben, dem schließlich in einer Fußnote Rechnung getragen wurde. Damit konnte COP 29 am Dienstag wirklich losgehen.

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