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Parlament auf Abruf
Mit dem Termin für Vertrauensfrage und Neuwahl sind bis Februar nur noch wenige Entscheidungen des Bundestages zu erwarten
Das Rentenpaket II der Ampel, das eine Stabilisierung des Rentenniveaus bringen sollte, wird wohl nicht mehr umgesetzt. Von der Unionsfraktion wird es dafür jedenfalls keine Unterstützung für die Minderheitsregierung von SPD und Grünen geben. Die von ihnen geschiedene FDP hatte ihre Zustimmung schon vor dem offiziellen Koalitionsbruch wieder zurückgezogen.
Auf der Kippe steht auch das Steuerentwicklungsgesetz, das eine Entlastung von der Kalten Progression für kleine und mittlere Einkommen bringen sollte. Der Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer soll damit ausgeglichen werden – ein Projekt, das der inzwischen entlassene Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorangetrieben hatte. Mit Kalter Progression wird der Umstand beschrieben, dass Bürger durch den ansteigenden Steuertarif auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. Die FDP signalisierte, einem Ausgleich zuzustimmen. Die Union äußerte sich dazu vage, ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei erklärte, man werde nicht als »Mehrheitsbeschaffer« zur Verfügung stehen. Allerdings hatten auch CDU und CSU in Wahlkämpfen immer wieder den mit der Kalten Progression verbundenen »Mittelstandsbauch« bei der Steuerbelastung beklagt.
»Es geht nicht um die Machtspielchen und das Ego Einzelner, sondern um konkrete Politik im Sinne der Menschen.«
Heidi Reichinnek Ko-Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Bundestag
Lediglich dem bereits parteiübergreifend vereinbarten Gesetz zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor politischer Einflussnahme und der Verlängerung von Bundeswehreinsätzen will die Union vor der Neuwahl noch zustimmen. Darüber hinaus nannte Frei die Rücküberweisung des Nachtragshaushalts für 2024 an den Haushaltsausschuss als Punkt, an dem man zustimmen könne. Zudem könne man ein Gesetz verabschieden, in dem es unter anderem um die Überwachung der Telekommunikation bei Diebstahl während Wohnungseinbrüchen gehe. Die anderen Gesetzesvorhaben der Ampel, deren Umsetzung in der laufenden Legislatur geplant waren, haben dagegen kaum noch Chancen.
Die Linke appellierte derweil an das staatspolitische Verantwortungsgefühl. In einem Brief an alle Fraktionen außer jener der AfD rufen die Vorsitzenden ihrer Bundestagsgruppe, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann, zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit auf. »Es könnte die Stunde des Parlaments werden, indem auf Initiative Ihrer Fraktionen und unserer Gruppe Beschlüsse und Gesetze verabschiedet werden, die schwierige Fragen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger lösen«, heißt in dem Schreiben.
Darin wird vorgeschlagen, in kleinen Gruppen Beschluss- und Gesetzentwürfe vorzubereiten. Aus Sicht der Linken wären demnach beispielsweise die Rente, der Erhalt des Deutschlandtickets und das sogenannte Tariftreuegesetz wichtig, das die öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung tariflicher Standards knüpfen soll. »Es geht nicht um die Machtspielchen und das Ego Einzelner, sondern um konkrete Politik im Sinne der Menschen«, eklärte Reichinnek dazu.
Den Entwurf des Tariftreuegesetzes will das um zwei Mitglieder geschrumpfte Kabinett dem Vernehmen nach am Mittwoch noch beschließen. Im Parlament dürfte es keine Chance mehr haben. Die FDP hatte sich zuletzt auch dagegen gewandt und es als Wachstums- und Investitionshemmnis bezeichnet.
Die Liberalen hatten lange vor dem Ampel-Bruch am 6. November in den Wahlkampfmodus umgeschaltet, ebenso die Unionsparteien. Wirtschaftsminister Robert Habeck veröffentlichte sein Bewerbungsvideo als Kanzlerkandidat der Grünen, und die Linke-Spitze hat am Sonntag ihre Spitzenkandidaten vorgestellt, die aber noch durch den Parteitag bestätigt werden müssen. Demnach werden die Ko-Vorsitzende der Bundestagsgruppe, Heidi Reichinnek, und der neue Ko-Chef der Partei, Jan van Aken, die Partei in den Wahlkampf führen.
Van Aken, der bereits von 2009 bis 2017 Mitglied des Bundestags war, erklärte am Dienstag: »Wir sind startklar für die bevorstehenden Neuwahlen und haben die organisatorischen Aufgaben fest im Griff.« Die Aufstellung der Kandidierenden laufe »auf Hochtouren«. Bis Weihnachten sollen nach seinen Angaben die Listen in »den meisten« Landesverbänden stehen.
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Derweil dringen insbesondere die Grünen auf Klarheit für das Deutschlandticket im Nahverkehr. Der Bund gibt dafür auch im neuen Jahr wie die Länder 1,5 Milliarden Euro. Das ist gesetzlich festgeschrieben und kommt auch im Rahmen einer erwarteten vorläufigen Haushaltsführung ab Januar, auch wenn es noch keinen Beschluss über den Haushalt 2025 gibt. Noch offen ist aber eine Gesetzesänderung, um nicht gebrauchte Mittel in Folgejahre übertragen zu können.
Gegen die Fortführung des Tickets, auf die sich Bund und Länder bei einer Preissteigerung von 49 auf 58 Euro im September geeinigt hatten, brachte sich unterdessen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Stellung. In seiner jetzigen Form sei es angesichts der schlechten Wirtschaftslage nicht mehr finanzierbar, sagte der CSU-Chef am Dienstag in München. Er forderte, dass der Bund das bundesweit für Nahverkehrsmittel und Regionalzüge geltende Ticket künftig allein zahlen müsse. Dies solle die neue Bundesregierung beschließen. »Wenn der Bund es nicht bezahlt, dann muss es fallen«, sagte Söder. Die Landesmittel sollten lieber in den Infrastrukturausbau fließen. mit Agenturen
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