- Politik
- HTS
Buhlen um internationale Aufmerksamkeit für Syrien
HTS in Syrien bemüht sich um Unterstützung durch die Uno und die Europäische Union
Damaskus/Brüssel. Die Europäische Union und die Vereinten Nationen bauen nach dem Sturz von Baschar Al-Assad Kontakte zu den neuen Machthabern in Syrien auf. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas schickt dafür den deutschen Spitzendiplomaten Michael Ohnmacht nach Damaskus. Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen sprach dort bereits mit dem Anführer der Islamistengruppe HTS, Ahmed Al-Scharaa.
Die Miliz HTS, die Assad vor gut einer Woche in einer Blitzoffensive gestürzt hatte, gab sich dabei weiter moderat und zugänglich. So erklärte sie, Al-Scharaa habe mit Pedersen über die »Einheit der syrischen Gebiete« gesprochen sowie über den Wiederaufbau und politischen Übergang im Land. Auf Fotos des Treffens ist Al-Scharaa mit Hemd und Sakko zu sehen. Zuvor hatte er sich meist in grüner Militäruniform oder vor Jahren noch mit Turban gezeigt.
Bedenken um Stabilität im neuen Syrien
Eine gewichtige Rolle spielt dabei die Hoffnung vieler Mitgliedstaaten, dass dann Syrien-Flüchtlinge freiwillig in ihre Heimat zurückkehren oder sonst auch abgeschoben werden können. In den EU-Staaten leben weit mehr als eine Million Syrer, die vor dem Assad-Regime geflüchtet sind.
Bislang weiß allerdings niemand, ob Syrien unter den neuen Machthabern wirklich zur Ruhe kommt. EU-Chefdiplomatin Kallas räumte kürzlich ein, es gebe berechtigte Bedenken hinsichtlich der Risiken konfessionell motivierter Gewalt, des Wiederauflebens von Extremismus und eines Regierungsvakuums. Auch um dies zu verhindern, will die EU nun Gesprächskanäle zur HTS aufbauen, obwohl diese weiterhin auf der UN-Terrorliste steht und deswegen mit EU-Sanktionen belegt ist.
HTS fordert aktualisierte UN-Resolution
Von Diplomaten hieß es am Montag in Brüssel, die Sanktionen verhinderten keine Gespräche. Eine Aufhebung von Strafmaßnahmen sei allerdings nur denkbar, wenn mit der HTS wirklich positive Entwicklungen zu sehen sei. Derzeit dürfen der Gruppe zum Beispiel keine Gelder oder andere wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Personen sind zudem auch von Reiseverboten betroffen.
Al-Scharaa und Pedersen sprachen HTS zufolge unter anderem über die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats von 2015 zum Bürgerkrieg in Syrien. Darin sind eine Waffenruhe, eine neue Verfassung und Wahlen vorgesehen. »Es ist notwendig, die Resolution zu aktualisieren, um der neuen Realität zu entsprechen«, erklärte HTS. In der Resolution ist die Al-Nusra-Front, aus der HTS hervorging, gemeinsam mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als »terroristische Gruppe« genannt.
Türkei als Gewinner des Umbruchs
Pedersen sagte, dass ein notwendiger »umfassender politischer Übergang« auf Basis der Grundsätze der Resolution 2254 stattfinden müsse. Die Vereinten Nationen wollten »dem syrischen Volk jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen.«
Auf internationaler Ebene kooperierte HTS, die in vergangenen Jahren die syrische Rebellenhochburg Idlib an der türkischen Grenze kontrollierte, teils mit dem türkischen Militär und Türkei-nahen Milizen. Erst am Donnerstag besuchte der türkische Geheimdienstchef Ibrahim Kalin die syrische Hauptstadt Damaskus, zwei Tage später eröffnete die Türkei ihre Botschaft dort wieder. Die Türkei wird als Gewinner des Umbruchs gehandelt und als einflussreichster ausländischer Akteur.
Der Vorsitzende des Exekutivrats in den autonomen Gebieten Nordsyriens, Hussein Othman, forderte am Montag in Raqqa »einen Stopp der Militäreinsätze auf dem gesamten syrischen Territorium, um einen konstruktiven, umfassenden nationalen Dialog zu beginnen«. Er forderte zudem eine Dringlichkeitssitzung, um sich »auf die Standpunkte für die Übergangszeit zu einigen«, und betonte »die Einheit und Souveränität der syrischen Gebiete«. Agenturen/nd
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.