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Organisiertes Verbrechen in Berlin: Wenn Geldwäsche, dann brutto
Mit neuen Maßnahmen will der Berliner Senat die Organisierte Kriminalität bekämpfen
Trotz stagnierenden Wirtschaftswachstums hat sich ein Gewerbe in den vergangenen Jahren besonders gut gemacht. Welches, das verrät nicht der Wirtschaftssenat, sondern Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU). Es geht nämlich um die Organisierte Kriminalität, die im Jahr 2023 bundesweit eine Milliarde Euro Ertrag aus illegalen Geschäften verzeichnet. In Berlin geht man nun effektiver dagegen vor.
So ist ab Februar eine neue Kooperationsplattform geplant, die einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen Justizsenat, Ordnungsämtern und Staats- sowie Amtsanwaltschaft sichern soll. Auch das Landeskriminalamt, das Zollfahndungsamt und das Finanzamt sollen helfen, verdächtige Phänomene zu identifizieren und abgestimmte Maßnahmen durchzuführen. Badenberg sagt dazu: »Der Ansatz dieser Plattform ist letztendlich die ressortübergreifende Zusammenarbeit aller relevanter Akteure.« Damit sei keine eigene Behörde geschaffen, sondern die Fachkompetenz gebündelt.
In Berlin erzielten Banden aus dem Bereich Organisierte Kriminalität 2023 insgesamt 86 Millionen Euro mit illegalen Geschäften, bei Schäden von 57 Millionen Euro. Bundesweit lag der Schaden im selben Jahr bei 2,7 Milliarden Euro und somit fünfmal so hoch wie noch 2014. Justizsenatorin Badenberg schließt aus diesen Zahlen: »Wenn wir kriminelle Banden dort treffen wollen, wo es wehtut, müssen wir genau hier an der Stelle ansetzen.«
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Dafür blickt die Politikerin ins Ausland: »Wir konnten in Italien beobachten, dass die Organisierte Kriminalität neben ihren klassischen Betätigungsfeldern zunehmend das gesamte gewerbliche Spektrum nutzt.« Zu Überfällen oder Drogen-, Waffen- und Menschenhandel kämen in Berlin vor allem illegale Spielautomaten und der illegale Verkauf von E-Zigaretten hinzu. Damit erzielten die Banden bei relativ wenig Verfolgungsdruck enorme finanzielle Gewinne. Mit der neuen Initiative, über die Badenberg den Senat bei der Senatssitzung am Dienstag informierte, plane man, »konsequent und permanent mit sogenannten Nadelstichen den Verfolgungsdruck« hochzuhalten.
Der Begriff Nadelstiche bezeichnet dabei in der Strafverfolgung eine Strategie, bei der auch vermeintlich kleine Rechtsbrüche hartnäckig verfolgt werden, um systematisch Geschäftsabläufe zu stören und die Präsenz der Behörden zu verstärken. Badenberg setzt dabei besonders auf das Ordnungsamt, das in Zukunft auf Ordnungswidrigkeiten mit Einziehungsbescheiden reagieren soll. In Berlin werden bisher zumeist Bußgeldbescheide erlassen, die allerdings nach dem Netto-Prinzip etwa Miet- oder Wartungskosten vom Gewinn abrechnen. Ein Einziehungsbescheid hingegen zieht nach dem Brutto-Prinzip den gesamten Gewinn ein.
Die Differenz ist erheblich. Für ein Jahr illegalen Spielautomatenbetriebs käme das Ordnungsamt so auf 100 000 Euro Strafe anstatt auf 500 Euro. Die derzeit laufenden, noch nicht rechtskräftigen Bescheide ergeben in Summe zwei Millionen Euro. Kein Wunder also, dass elf der zwölf Bezirke die Bereitschaft zur Teilnahme erklären, nur Friedrichshain-Kreuzberg hat die Einladung der Justizsenatorin nicht beantwortet.
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