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  • Hungerstreik von Temirlan Sultanbekow

Repressionen gegen Sozialdemokraten in Kirgistan

Der Anführer der kirgisischen Sozialdemokraten Temirlan Sultanbekow setzt seinen Hungerstreik hinter Gittern fort.

  • Ewgeniy Kasakow
  • Lesedauer: 3 Min.
Sadyr Schaparow hat aus Kirgistan eine auf ihn zugeschnittene Präsidialrepublik gemacht.
Sadyr Schaparow hat aus Kirgistan eine auf ihn zugeschnittene Präsidialrepublik gemacht.

Im zentralasiatischen Kirgistan setzt die Regierung ihre im November gegen die sozialdemokratische Partei (SDK) begonnenen Repressionen fort. Bei einer Razzia in der Parteizentrale wurde am 13. November 2024 die Parteiführung um Temirlan Sultanbekow, Irina Karamuschkina und Rosa Turksewer festgenommen.

Der Parteivorsitzende Sultanbekow befindet sich seitdem im Hungerstreik. Seit fast drei Monaten nimmt er nur noch Wasser und Fruchtsaft zu sich. Am 9. Januar verlängerte ein Gericht die Haft bis zum 12. Februar, Sultanbekows Eltern dürfen ihn nicht besuchen.

Frage nach der Verantwortung für Sultanbekows Gesundheit

Das Schicksal der Sozialdemokraten hat inzwischen auch das Parlament erreicht, obwohl die Partei dort nicht vertreten ist. Kamila Talijewa, Abgeordnete der nationalkonservativen Ata-Schurt-Partei, stellte die Frage nach der Verantwortung, sollte Sultanbekow vom Hungerstreik gesundheitlichen Schaden davontragen.

Der Chef der Justizvollzugsbehörde, Kemel Sadykow, verteidigte sich mit dem Hinweis, dass Sultanbekow sich unter ständiger ärztlicher Beobachtung befinde und über die gesundheitlichen Folgen seines Verhaltens belehrt werde. Dennoch habe sich Sultanbekows Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert, teilten seine Anwälte mit.

Verfolgung wegen angeblicher Bestechung

Die SDK geriet 2021 ins Visier der Behörden. Bei der damaligen Parlamentswahl verpasste die Partei, die in Opposition zum nationalistischen Präsidenten Sadyr Schaparow steht, mit 3,14 Prozent den Einzug ins Parlament. Dennoch wurde der SDK vorgeworfen, die Bestechung von Wählern geplant zu haben. Die Behörden veröffentlichten den Mitschnitt eines Telefongesprächs, in dem angeblich Karamuschkinas Stimme zu hören ist. Die Partei bestreitet jedoch die Echtheit der Aufnahme.

Die SDK entstand 2018 als Abspaltung der Sozialdemokratischen Partei Kirgistans (SDPK). Aus deren Reihen kamen zwei Präsidenten, darunter mit Rosa Otenbajewa die erste Frau an der Spitze eines zentralasiatischen Staates. Lange Zeit war die SDK Mitglied der Sozialistischen Internationale, Sultanbekow deren Vizepräsident. 2023 trat man der Progressiven Allianz bei. Nennenswerte Wahlerfolge hatte sich die Partei nur bei den Regionalwahlen ausgerechnet. Wegen der laufenden Ermittlungen wurde sie von denen aber ausgeschlossen.

Dschaparow schneidet Kirgistan auf sich zu

Kirgistan, wo ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, bekam nach den Wahlen 2021 mit Dschaparow den rechtesten Präsidenten seiner Geschichte. Obwohl Dschaparows eigene Patriotische Partei (Mekentschil) gar nicht im Parlament vertreten ist, stehen die meisten Fraktionen dort loyal zu ihm.

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Nach einem Referendum 2021 änderte er die Verfassung und machte aus Kirgistan eine reine Präsidialrepublik. Unterstützung genießt Dschaparow vor allem in agrarisch-traditionalistischen Südregionen des Landes, die sich durch den stärker russifizierten Norden benachteiligt fühlt. Doch auch unter Dschaparow wird im Staatsdienst und in der Hochschulbildung weiterhin viel Russisch genutzt. Der Vorschlag, das kyrillische Alphabet durch das lateinische zu ersetzen, wurde vom Präsidenten abgelehnt.

Druck auf Oppositionelle und Andersdenkende wächst

In den vergangenen Jahren wurden nach dem russischen Vorbild Gesetze gegen »ausländische Agenten« und LGBT-Propaganda eingeführt, der Druck auf oppositionelle Medien wurde verschärft. Auch für Kriegsgegner aus Russland wurde Kirgistan unsicheres Terrain, da es zur Zusammenarbeit von kirgisischen und russischen Behörden kam. In Bezug auf den Ukraine-Krieg agiert Dschaparow vorsichtig, sein Land ist weiterhin Mitglied in der Organisation des Vertrages für kollektive Sicherheit (ODKB) und der Eurasischen Wirtschaftsunion. In jüngster Zeit aber führt Moskaus Politik gegenüber kirgisischen Arbeitsmigranten zu Verstimmungen.

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