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Streit um die Rente: Generationenkonflikt in der Union
»Junge Gruppe« will Rentenpaket nicht zustimmen – Risse in der Machtbasis des Kanzlers
Beim Deutschlandtag der »Jungen Union« (JU) in Rust vergangenes Wochenende erlebte Friedrich Merz statt frenetischem Jubel eine teils eisige Atmosphäre. Die sonst so loyale Parteijugend, die ihm im Wahlkampf den Rücken gestärkt hatte, steht Merz kritisch gegenüber. Der Grund für den Bruch: Merz verteidigt das Rentenpaket seiner schwarz-roten Koalition und stellt sich damit erstmals offen gegen seine bisherige Basis.
Das Rentenpaket garantiert wie vereinbart bis 2031 ein Rentenniveau von 48 Prozent. Umstritten ist jedoch eine zusätzliche Passage: Auch nach 2031 soll das Rentenniveau rund einen Prozentpunkt über dem derzeit geltenden Recht liegen. Die »Junge Gruppe« der Unionsabgeordneten kritisiert diese geplante Anhebung und verweist auf zusätzliche Kosten von 118 Milliarden Euro, die aus ihrer Sicht künftige Generationen über höhere Beiträge oder Steuern tragen müssten.
Die Konfliktlinien verlaufen dabei nicht nur entlang eines Generationenkonflikts, sondern quer durch die Partei. Der JU-Chef Johannes Winkel lehnt das Paket kategorisch ab und die »Junge Gruppe« im Bundestag droht, bei der Abstimmung die Zustimmung zu verweigern. Unterstützung erhalten sie auch von unerwarteter Seite.
Bundesjugendministerin Karin Prien etwa, 2017 Mitgründerin der liberalen Union der Mitte, fordert eine Verschiebung der Abstimmung. Man müsse im Parlament das Gespräch über die Generationen hinweg suchen, mahnt sie. Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel und sogar Hubert Hüppe, der 69-jährige Vorsitzende der »Senioren Union«, zeigen Verständnis für die Bedenken der Jungen.
»Ja, ich werde mit gutem Gewissen diesem Rentenpaket zustimmen.«
Friedrich Merz Bundeskanzler und Parteichef der CDU
Auf der anderen Seite steht Merz nicht allein. Der Kanzler argumentiert, dass das Gesetz dem entspreche, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei und dem auch die Junge Union zugestimmt habe. Die Regelung für die Zeit nach 2031 sei eine logische Konsequenz. Vor einem »Unterbietungswettbewerb beim Rentenniveau« warnt er eindringlich – damit gewinne man keine Wahlen. Er sei als Bundeskanzler nicht nur einer Gruppe gegenüber verantwortlich, sondern dem ganzen Land, betonte er mehrfach.
Unterstützung erhält Merz von CSU-Chef Markus Söder. Beim Deutschlandtag lavierte er zwischen beiden Seiten: Einerseits betonte er, Merz müsse eine Koalition zusammenhalten, andererseits signalisierte er der JU Verständnis und forderte weitere Verhandlungen mit der SPD. Aber klar sei, dass er dem Kanzler nicht in den Rücken falle. Die Erklärung für diese Balance liegt im Rentenpaket selbst: Es enthält die Ausweitung der Mütterrente – das zentrale sozialpolitische Projekt der CSU. Für Söder wäre ein Scheitern des Gesamtpakets eine herbe Niederlage.
Die SPD wiederum hat in diesem Punkt keine Beweglichkeit mehr. Parteichef Lars Klingbeil stellte unmissverständlich klar, dass am Gesetz nichts mehr geändert werde. Die Stabilisierung des Rentenniveaus war die zentrale sozialpolitische Forderung der Sozialdemokraten beim Eintritt in die Koalition – vergleichbar mit dem Politikwechsel in der Migrationspolitik für die Union, wie Unionsfraktionschef Jens Spahn betonte.
Politisch brisant wird der Streit durch die Mehrheitsverhältnisse: Die schwarz-rote Koalition verfügt im Bundestag über eine Mehrheit von lediglich zwölf Stimmen. Sollten die 18 Abgeordneten der Jungen Gruppe tatsächlich gegen das Rentenpaket stimmen oder sich enthalten, hätte die Regierung keine sichere eigene Mehrheit mehr.
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Um den Streit zu entschärfen, kündigte Merz in der ARD an, noch in diesem Jahr eine Rentenkommission einzusetzen. Diese solle auch Kritiker des aktuellen Entwurfs einbinden und vor der Sommerpause 2026 Vorschläge für grundlegende Reformen nach 2031 vorlegen. Unmittelbar danach solle ein neues Gesetzgebungsverfahren beginnen. Diese Zusage könne man in einem Begleittext zum aktuellen Gesetz festhalten, etwa in einem Entschließungsantrag. Darüber wolle er mit der SPD sprechen.
Der Rentenstreit reiht sich ein in eine Serie von Konflikten, die die Unionsfraktion seit Beginn der Legislaturperiode erschüttern. Mehrfach waren Friedrich Merz und Unions-Fraktionschef Jens Spahn nicht in der Lage, Disziplin in den eigenen Reihen zu gewährleisten – etwa bei der geplatzten Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin oder der Debatte über eine mögliche Wehrpflicht. Hinzu kommen Auseinandersetzungen zwischen dem rechten Flügel, der teils offen mit einer AfD-Kooperation liebäugelt, und liberaleren Kräften um die neue Strömung »Compass Mitte«. Es schwelt ein Dauerkonflikt über den Kurs der Partei.
Dass nun die JU, lange Zeit die stabilste Hausmacht des Kanzlers, gegen ihn aufbegehrt, markiert eine neue Qualität des Zerfalls. Ob Merz die Jungen wieder einbinden kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Fraktionschef Spahn bot weitere Gespräche an. Doch die Zeit drängt – und die SPD zeigt keine Bereitschaft zu Zugeständnissen. Für Merz steht viel auf dem Spiel: nicht nur das Rentenpaket, sondern auch der Rest seiner Autorität als Kanzler und Parteichef. nd/Agenturen
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