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Die Zombie-Demokratie
Stefan Schocher über die Optionen in Österreich für eine Regierungsbildung
Ja, das Scheitern der Gespräche zwischen der rechtsradikalen FPÖ und der ÖVP ist eine gute Nachricht. Es wird keinen Kanzler Kickl geben. Und auch, dass sich Österreich zumindest zunächst einmal nicht in Europas Orbit der illiberalen Demokratien befördert hat, ist mehr als begrüßenswert.
Aber nichtsdestotrotz: Wenn Bundespräsident Alexander Van der Bellen dieser Tage vor die Presse tritt, so wirkt dieser Politiker wie ein tatsächlicher Staatsmann, der auf kaum erkundbaren Wegen in einem Kindergarten voller Lausebengel gelandet ist, die nichts anderes zu tun haben, als einander Rotz in die Haare zu schmieren und an die Gurgel zu gehen, während das Dach brennt.
30 Jahre rechtspopulistische Themendominanz haben vernichtend tiefe Spuren hinterlassen. Das Land ist polarisiert; Parteien, aber auch die Gesellschaft sind offenkundig nicht imstande, eine inhaltliche Auseinandersetzung zu führen, die über den Austausch von Parolen hinaus geht. Und das ist die schlechte Nachricht: Kompromiss ist in Österreichs Polit-Habitat etwas für Loser.
In den vergangenen fünf Monaten hat Österreichs politisches System gewirkt wie eine Zombie-Demokratie. Eine lethargisch deplatzierte Darbietung war das bei teils fast schon stolz zur Schau gestelltem Unverständnis von Lage und Umständen. Die aktuelle Krise könnte ein Weckruf sein. Könnte. Aber jeder Schritt voran ist ein Schritt ins Unbekannte. Das Unbekannte ist immer abstrakter als das Bekannte – und sei das Bekannte Rotz eines Widersachers im Haar.
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