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Sind Männer das Problem?
Melanie Jaeger-Erben kritisiert die Strukturen, die männliche Machtverhältnisse ermöglichen
Es gibt Tage, da scheint das Weltgeschehen eine deprimierende Männerveranstaltung zu sein: Donald Trump schafft den Umweltschutz ab und behandelt die Welt wie sein persönliches Schachbrett. Unter Xi Jinping hat sich 2024 die Menschenrechtslage in China noch weiter verschlechtert; Geert Wilders treibt mit rechtsextremen Positionen die niederländische Regierung vor sich her; das ölkonzerngepimpte Stehaufmännchen Nigel Farage legt in Umfragen usw. Wer die Schlagzeilen durchgeht, könnte schnell den Eindruck gewinnen: Die sozial-ökologischen Probleme dieser Welt sind männergemacht.
Doch so verlockend diese These auch sein mag – sie führt in eine klassische Biologismusfalle. Denn nur auf das Geschlecht zu verweisen, verstellt den Blick auf das eigentliche Problem: Strukturen, die männlich dominierte Machtverhältnisse erst ermöglichen und stabilisieren. Es sind keine vermeintlich »natürlichen«, sondern gesellschaftlich gemachte Mechanismen, die dafür sorgen, dass Männer häufiger in Führungspositionen gelangen und dort als die eigentlichen »Akteure« wahrgenommen werden. Das betrifft sowohl die Auswahl von Kandidaten für politische und wirtschaftliche Spitzenpositionen als auch die mediale Berichterstattung.
Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.
Wenn es kracht, dann sind es die Männer, die im Rampenlicht stehen – was jedoch nicht heißt, dass Frauen keine zentrale Rolle spielen können. Dazu kommt die geschlechtsspezifische Sozialisierung: Von klein auf werden als männlich wahrgenommene Personen eher dazu befähigt oder gar gedrängt, Kontrolle zu übernehmen, Wettbewerb zu suchen, sich an Macht und Nutzenmaximierung statt an Fürsorge und Gemeinwohl zu orientieren. Wer so aufwächst, kann sozial legitimiert die Ignoranz von Umwelt- und sozialer Gerechtigkeit an den Tag legen. So entsteht der Eindruck, dass Männer die Welt regieren – und wenn es schiefgeht, dann eben auch an allem schuld sind.
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Doch genau hier liegt das Problem: Diese Personalisierung lenkt von der eigentlichen Ursache ab – den Strukturen, die problematisches Verhalten hervorbringen. Wenn Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt, dann ist das ein katastrophales Verhalten. Aber warum kann eine einzelne Person überhaupt so viel Einfluss auf sich vereinen, warum sind solche Exits überhaupt so einfach möglich und mit so wenig Konsequenzen verbunden? Nicht das Geschlecht ist hier maßgeblich, sondern ein politisches System, das nicht sanktioniert, wenn kurzfristige Profitinteressen über langfristige Verantwortung gestellt werden.
Um die Probleme der Welt sinnvoll zu analysieren, braucht es einen Perspektivwechsel. Statt Schuld entlang binärer Kategorien zuzuweisen, gilt es Machtstrukturen, Systemlogiken und soziale Dynamiken hinterfragen. Warum gibt es immer noch ein Übergewicht an männlich dominierten Entscheidungsträgern? Warum haben Konzerne und Einzelpersonen so viele Möglichkeiten, Gemeingüter wie die Umwelt auszubeuten? Und warum ist es gesellschaftlich akzeptabler, mit nationalistischen Parolen Wahlen zu gewinnen als mit einem Plan für soziale Gerechtigkeit?
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