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Apotheke krankte an Personalmangel
In Lindow (Mark) gibt es nach einem Inhaberwechsel seit Montag endlich wieder Medikamente
Das war knapp. Die Medikamente waren zwar ausgeräumt, aber die komplette Einrichtung war noch vorhanden und konnte von der neuen Inhaberin Dorothee Hartmann übernommen werden. Seit Montag hat die Linden-Apotheke in Lindow (Ostprignitz-Ruppin) wieder geöffnet – sehr zur Erleichertung der Bevölkerung. »Wir haben unendlich viele Blumen bekommen. In der Bevölkerung herrscht ganz große Freude«, erzählt Apotheker Christian Mahr, der bei der neuen Inhaberin angestellt ist.
Dorothee Hartmann übernahm von der Vorbesitzerin Silke Hollatz-Herzberg nicht nur die Schlüssel, sondern auch die ortsansässige Beschäftigte Doreen Krause. Diese war zeitweise in eine Apotheke nach Rheinsberg gependelt und kann nun wieder in ihrem Heimatort tätig sein.
»Wir haben unendlich viele Blumen bekommen. In der Bevölkerung herrscht ganz große Freude.«
Christian Mahr Apotheker
Die Linden-Apotheke war seit Sommer 2024 geschlossen. Dabei gibt es in der rund 3000 Einwohner zählenden Kleinstadt Lindow (Mark) und in den umliegenden Ortschaften Herzberg, Rüthnick und Viehlitzsee einen großen Bedarf. Doch die bisherige Inhaberin wollte aus persönlichen Gründen aufhören und es schien so, als würde sich wegen der unklaren Zukunft der Ladenzeile an der Rheinsberger Straße kein Nachfolger finden. Die Ladenzeile hinter einer Netto-Filiale beherbergte ursprünglich auch eine Raiffeisenbank und einen Getränkemarkt. Deren Räumlichkeiten standen aber schon länger leer. Nur eine Bäckerei war hier noch verblieben. Weil sich Netto vergrößern möchte, sollte die Ladenzeile abgerissen und ein Neubau errichtet werden, in dem eventuell kein Platz mehr für die Apotheke gewesen wäre. Bei einer derart unsicheren Zukunft fand die alte Inhaberin kein Personal mehr für die Linden-Apotheke. Doch dieses Problem scheint mittlerweile gelöst zu sein. »Der Investor des Areals plant, die Apotheke in den Neubau zu integrieren«, zitiert die »Märkische Oderzeitung« den Lindower Amtsdirektor Karsten Rottstädt.
Mehr als ein halbes Jahr lang mussten die Einwohner bis nach Neuruppin, Gransee oder Rheinsberg fahren, um sich ihre Medikamente zu holen. Zwar bestehen dorthin Bus- und Bahnverbindungen. Doch das ist umständlich und kostet Zeit. Auch mit dem Auto sind viele Kilometer zurückzulegen.
Die Kollegen der nächstgelegenen Apotheken in Gransee und Neuruppin hätten regelrecht darum gebeten, dass die Linden-Apotheke wieder öffne und sie entlaste, berichtet Christian Mahr. Die Kollegen konnten schon keine Pausen mehr machen, weil sie die Kunden aus Lindow und Umgebung mitversorgen mussten. Mahr nennt diese Situation »skurril«. Er war früher 15 Jahre lang Inhaber einer Apotheke in Berlin-Charlottenburg und da herrschten andere Verhältnisse. In der Hauptstadt gibt es aber alle Nase lang Medikamente zu kaufen. Dort möchten Apotheken keine zusätzliche Konkurrenz in ihrem Einzugsbereich. Auf dem Lande sieht es anders aus.
Ende 2023 ist Christian Mahr mit seiner Familie aus Wustermark im Havelland nach Neuruppin gezogen, woher seine Frau stammt. Der 52-Jährige hat bis jetzt in einer Neuruppiner Apotheke gearbeitet, in der er die 42-jährige Dorothea Hartmann kennenlernte. Sie war dort die Filialleiterin, wollte sich aber selbstständig machen.
Deshalb sahen sich Hartmann und Mahr nach einer Apotheke um, die sie übernehmen könnten. Sie hatten schon eine in Wustermark ins Auge gefasst. Doch das wäre für sie ein weiter Weg gewesen. Lindow (Mark) ist für sie besser zu erreichen. »Ich glaube, das wird funktionieren«, sagt Christian Mahr »nd« am Dienstag. »Die Zahlen stimmen.« Der Umsatz war nie das Problem in Lindow (Mark). Kundschaft gab es genug. Es fehlte lediglich Personal. Aber jetzt sind ja Dorothee Hartmann und Christian Mahr da.
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Zur Eröffnung kam am Montag auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (für BSW). Apotheken vor Ort seien »unverzichtbar«, erklärte sie. »Wir brauchen Apotheken, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.« Es sei eine sehr gute Nachricht, dass die in Lindow »dank des großartigen Engamements der Gemeinde so schnell wieder eröffnet werden konnte«.
Wie Christian Mahr erzählt, sind er und Dorothea Hartmann bei den Behörden auf offene Türen und offene Ohren gestoßen. Sie mussten eine neue Betriebserlaubnis beantragen. Ihnen wurden dabei aber keine bürokratischen Schwierigkeiten gemacht, sondern es lief im Gegenteil alles reibungslos. Die Verantwortlichen zeigten sich laut Mahr froh darüber, dass jemand eine Apotheke anmeldet und nicht etwa abmeldet, wie sie es sonst oft erleben müssen.
Wie in Deutschland insgesamt so sei die Zahl der Apotheken auch in Brandenburg rückläufig, erläutert das Gesundheitsministerium. Demnach hatte es im Jahr 2013 im Bundesland 580 Apotheken gegeben und Ende 2024 nur noch 525.
In der Branche besteht Niederlassungsfreiheit. Das bedeutet, es können in Großstädten Apotheken ohne Ende eröffnen und auch sonst überall dort, wo es den Betreibern wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Das Land habe angesichts der bestehenden Gesetzeslage praktisch keine Möglichkeit, das zu lenken, bedauert das Gesundheitsministerium. Auch die Finanzierung der Apotheken liege über die Arzneimittelpreisverordnung vollständig in der Hand der Bundespolitik.
Froh darüber, dass die Apotheke in Lindow gegen den Trend im ländlichen Raum wiedereröffnete, ist auch der Linke-Kreisvorsitzende Ronny Kretschmer. »Das freut uns außerordentlich«, bestätigt er.
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