Die Frau mit der größten Langlauf-Sensation
ASSE von einst - damals und heute: Barbara Beier-Petzold / Die heute 46-jährige Rechtsanwältin in Thum ist die einzige deutsche Einzel-Olympiasiegerin im Skilanglauf
Sie sitzt fast auf gepackten Koffern im kleinen erzgebirgischen Thum, dort, wo sie seit 1990 solo eine Rechtsanwalts-Praxis führt. Nächsten Montag fliegt sie nach Salt Lake City. Denn Barbara Beier-Petzold ist seit über einem Jahrzehnt Mitglied der Langlauf-Kommission des Ski-Weltverbandes FIS. Wie bei den Winterspielen seit 1988 ist sie auch bei den Spielen 2002 in der Langlauf-Jury tätig.
Die olympische Rückkehr einer Frau, heute 46-jährig, die Olympia-Geschichte geschrieben hat. Damals, 1980 als knapp 25-jährige, schlug die kleine Skilangläuferin vom SC Traktor Oberwiesenthal die ganz Großen der Weltelite. Ein historischer Sieg, wie immer wieder hervorgehoben wurde. Nachdem Barbara Petzold schon 1976 die olympische Bronzemedaille mit der DDR-Skistaffel gewonnen hatte, vollbrachte sie 1980 in Lake Placid die Sensation: Sie gewann den 10-km-Lauf und holte mit der Staffel zusammen mit Marlies Rostock, Carola Anding und Veronika Hesse die zweite Goldmedaille - ein Erfolg, der niemals wieder von einer deutschen Skilangläuferin auch nur annähernd erreicht wurde. So ging Barbara Petzold ein in die Geschichte als bisher einzige deutsche Olympiasiegerin in einer Einzeldisziplin des Skilanglaufs.
Sie selbst sieht diesen »historischen Sieg als erste Mitteleuropäerin« ganz unpathetisch: »Natürlich war es spektakulär, dass ich den sowjetischen Läuferinnen, den Finninnen, Norwegerinnen und Schwedinnen den Sieg wegschnappte. Eine solche Sternstunde vergisst man nie. Aber die historische Dimension habe ich damals gar nicht so empfunden. Es war ein Olympiasieg, das Größte, das man im Sport erreichen kann.« Sie gesteht aber ein: »Ein Sieg lag außer Reichweite, auch wenn mir mein vierter Platz über 5 Kilometer Mut machte, über 10 Kilometer vielleicht unter die ersten Drei zu kommen.«
Der Aufstieg der in Hammerunterwiesenthal aufgewachsenen Barbara Petzold, die vom Turnen (»Als kleines Mädchen gehörte ich zu einer Riege in Bärenstein«.) mit elf, zwölf Jahren zum Skilanglauf wechselte und bei Christine und Heinz Nestler trainierte, begann 1971. Mit 16 Jahren wurde sie Staffel-Vizeeuropameisterin bei den Juniorinnen. Mit 19 kam sie 1974 bei den WM in Falun als Vizeweltmeisterin über 10 km ein und war maßgeblich am Staffel-Silber beteiligt. 1978 holte sie in Lathi erneut WM-Staffel-Silber.
1982 beendete sie ihre Karriere bei den WM am Holmenkollen bei Oslo mit Staffel-Bronze. Ein Karriere-Ende mit nicht mal 27 Jahren? »Wenn man sich heute im Langlauf umschaut, legt mancher in diesem Alter erst richtig los«, sagt sie, »aber ich hatte durch die jahrelange Überbelastung Knieprobleme. Es ging nicht mehr.«
Zu dieser Zeit studierte sie schon zwei Jahre lang an der Berliner Humboldt-Universität Medizin - zusammen mit dem Eiskunstläufer Jan Hoffmann, heute Facharzt für Orthopädie in Sachsen. »Ein Grundlagenstudium, mehr nicht. Aber mein Wunsch, Sportmedizinerin zu werden, ließ sich nicht verwirklichen, weil es in diesem Fach kein Fernstudium gab.« So wechselte sie an der Humboldt-Uni zu den Juristen und absolvierte nach dem Jura-Studium die übliche Referendarzeit »bei Kollegiumsanwälten in Karl-Marx-Stadt«.
Just in diese Zeit fiel die Wende. »Ich hatte eigentlich keine Alternative«, schildert sie, »außer die, mich auf eigene Beine zu stellen. Es gehörte schon Mut dazu, in Thum eine eigene Rechtsanwaltspraxis zu eröffnen.« Das war genau am 1. April 1990. »Nein, kein Aprilscherz«, lacht sie. »Ich habe überlebt, bis heute.«
Sie ist so etwas wie der »Anwalt der kleinen Leute«. »In einem ländlichen Gebiet macht man einfach alles: Familienrecht, Zivilrecht, Erbrecht, schlägt sich mit Fällen von Streitigkeiten der Nachbarn rum.« Anstrengend sei der Beruf, natürlich. »Manchmal gehen die Fälle an die Substanz. Aber ich habe gelernt, abzuschalten, sonst machst du dich kaputt und kannst nachts nicht schlafen.«
Und dann hat sie ja auch noch ihre Familie, ihren Mann Lutz, einstiger Straßenrennfahrer aus Cottbus, heute bei einer Versicherungs-Agentur, und ihre beiden Söhne, die auf dem Gymnasium sind: Thomas, der demnächst 18 wird, und Felix, der vier Jahre Jüngere. »Thomas ist am 18. Februar geboren. Das ist genau der Tag, an dem ich vier Jahre zuvor Olympiasiegerin über 10 Kilometer geworden war. Hat gut geklappt, was?« scherzt sie.
Der »Alltagssport« der Barbara Beier-Petzold wird natürlich bestimmt vom Skilaufen, aber auch vom Radfahren und Wandern. Auch die drei Wochen jetzt in Salt Lake City unterstreichen ihre nach wie vor engen sportlichen Bindungen. »Die Zeit als Mitglied des Langlaufkomi-
tees der FIS möchte ich auf gar keinen Fall missen. Ich schließe dann eben meine Praxis so lange. Direkt bei Olympia dabei zu sein, entschädigt mich.«
In fünf Tagen bricht sie auf in das Land, wo sie vor 22 Jahren einen im deutschen Skilanglauf einmaligen Triumph feierte...
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