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Hilfe unerwünscht
Im postsowjetischen Raum ist USAID teilweise tief in dortige Staatsangelegenheiten verstrickt. Erste Länder gehen dagegen vor
Ilham Alijew will endlich Schluss machen mit der Bevormundung aus dem Westen. Die Staatsanwaltschaft untersuche momentan die illegale Tätigkeit der US-Entwicklungshilfebehörde USAID in seinem Land, sagte der aserbaidschanische Machthaber vor wenigen Tagen auf dem vielsagenden Forum »Auf dem Weg zu einer neuen Weltordnung« in Baku. Sobald die »Mappe« fertig sei, wolle man sie der Administration von US-Präsident Donald Trump übergeben. Was in der Mappe stehen wird, lässt sich bereits erahnen. USAID habe sich in innere Angelegenheiten Aserbaidschans eingemischt, antiaserbaidschanische Organisationen unterstützt und versucht, die Arbeit der Regierung zu stören.
Mit einer ähnlichen Argumentation beendete Russland bereits 2012 die Tätigkeit von USAID im größten Land der Erde. Das Außenministerium sprach damals von einer versuchten Einflussnahme auf politische Prozesse in Russland. »Der Charakter der Arbeit der Vertreter der Agentur entsprach in unserem Land oft nicht den erklärten Entwicklungszielen der bilateralen humanitären Zusammenarbeit«, beschwerte sich das Außenministerium in einer Stellungnahme und fügte hinzu, die Zivilgesellschaft sei erwachsen genug und brauche keine »Führung von außen mehr«. Viele der von USAID unterstützten Organisationen wie die Moskauer Helsinki-Gruppe, die Wahlbeobachter Golos oder Memorial wurden später zu ausländischen Agenten, unerwünschten Organisationen erklärt oder ganz vom Staat liquidiert.
Russland hat USAID bereits 2012 ausgewiesen
Nur einmal war USAID anschließend in Russland aktiv. Während der Corona-Pandemie und Trumps erster Präsidentschaft nahm Moskau 200 Beatmungsgeräte dankend an.
Ironischerweise war dies so ziemlich das einzige Mal, dass USAID seiner offiziell eigentlichen Mission in Russland nachgekommen ist. In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion lag der Fokus eigentlich nie auf Lebensmitteln und Impfungen, sondern auf Einflussnahme. In Georgien beispielsweise ging die Finanzierung bis hinauf in die Behörden. In der Ukraine musste man nach dem Trump-Kahlschlag erstaunt feststellen, dass nahezu alle Bereiche von USAID betroffen waren. Insbesondere der Journalismus. Wie sich herausstellte, wurden bis zu 80 Prozent der »unabhängigen« Medien vom US-amerikanischen Staat finanziert. Auch russische Exil-Medien meldeten Finanzierungsprobleme, die teilweise durch Spendenkampagnen oder durch die Europäische Union überwunden wurden.
Kasachstan überprüft Schließung von USAID
Die tiefen Verstrickungen von USAID in oppositionelle Strukturen veranlassten Kasachstan vor einem Monat, die aus den USA finanzierten Projekte im Land genauer unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, ob deren Ziele auch den »faktischen Ergebnissen« entsprechen. Die Untersuchungsgruppe des Außenministeriums will auch »Vertuschungen« und Interessenskonflikte aufdecken, heißt es in einem Schreiben.
Die Zeichen stehen für USAID damit faktisch auf Abschied, zumal Kasachstan erneut eine konservative Wende zu »traditionellen Werten« vollzieht. Da stören westliche Ideen nur, wie Präsident Kassym-Jomart Tokajew offen zugibt. »Vielen Ländern wurden jahrzehntelang sogenannte demokratische, moralische Werte, inklusive LGBT* aufgedrängt, und unter diesem Etikett haben sich internationale Nichtregierungsstiftungen und -organisationen in deren innere Angelegenheiten eingemischt«.
Russland wird den Platz der US-Amerikaner nicht einnehmen
Der erzwungene Rückzug der US-Amerikaner führte zu Spekulationen, dass Russland und seine Organisation für internationale Zusammenarbeit Rossotrudnitschestwo die Lücke füllen könnten (gemeinsam mit den Chinesen). Schließlich teilt man die gleichen Werte.
Allerdings scheint man auch nicht über Moskaus Auslandsarm überall froh zu sein. So schmiss Alijew nicht nur USAID aus dem Land, sondern schloss auch das Russische Haus in Baku, dem er Spionage vorwarf, ein gängiges Mittel in Aserbaidschan. Offiziell erklärte Alijew zu dem Vorgang, der USAID und Rosstrudnitschestwo auf eine Ebene stellte, Aserbaidschan sei ein reiches Land, dass selbst spendet und deshalb keine Hilfe von außen benötige.
Bei Rossotrudnitschestwo sieht man das Aus von USAID nicht unbedingt positiv. Leiter Jewgeni Primakow glaubt nicht, dass die Entwicklung für Russland gut ist, weil die USA die frei werdenden Mittel »vernünftiger« einsetzen werden, auch gegen Russland.
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