Werder-Trainer Thomas Horsch: »FC Bayern hat etwas zu verlieren«

Bremens Trainer Thomas Horsch über das Pokalfinale gegen den Meister aus München, den Fußball der Frauen und kleine Unterschiede zu den Männern

  • Interview: Frank Hellmann
  • Lesedauer: 6 Min.
Der Finaleinzug im DFB-Pokal von Bremens Fußballerinnen gegen den HSV ist ein Höhepunkt in Werders Geschichte.
Der Finaleinzug im DFB-Pokal von Bremens Fußballerinnen gegen den HSV ist ein Höhepunkt in Werders Geschichte.

Sie waren Amateur-Torwart, als DFB-Stützpunktkoordinator kamen sie hauptberuflich zum Fußball – und haben dafür einen sicheren Job aufgegeben.

Ja, das war damals als zweifacher Vater keine einfache Entscheidung, ob ich im öffentlichen Dienst für einen Zwei-Jahres-Vertrag beim DFB aufhöre. Ich hatte mich erst mal nur unentgeltlich beurlauben lassen. Viele träumen davon, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Ich habe das nie bereut.

Während der DFB-Tätigkeit fragte Bremens Trainer Florian Kohfeldt, ob sie nicht als Ko-Trainer bei Werders U23 arbeiten wollten. Kurz darauf waren Sie auf der Bühne Bundesliga.

Stimmt, nach dem Klassenerhalt gegen Heidenheim in der Relegation 2020 wurde ich allerdings wieder freigestellt. Ein halbes Jahr später fragte mich Werders Abteilungsleiterin Birte Brüggemann dann, ob ich mir vorstellen könnte, Bremens Frauen vor dem Abstieg zu retten. Seit April 2021 schreiben wir an dieser Story.

Haben Sie mit dem Wechsel zu den Frauen alles richtig gemacht?

So würde ich das nicht titulieren. Für mich schließt sich vielmehr ein Kreis. Als Stützpunktkoordinator war ich gleichzeitig Verbandstrainer für den weiblichen Bereich. Ich hatte bereits ab 2009 mit heutigen Bundesliga- und Nationalspielerinnen wie Michelle Ulbrich, Nina Lührßen und Pia-Sophia Wolter, Reena Wichmann oder Giovanna Hoffmann zu tun. Insofern bin ich als Trainer der Frauen-Bundesliga eher an die Anfänge zurückgegangen.

Was sind die größten Unterschiede?

Es ist eine andere Klientel. Ich sage immer ganz platt: Die Spielerinnen kommen noch viel mehr aus dem richtigen Leben. Weil das Profitum noch nicht so weit fortgeschritten ist und nicht solche Summen gezahlt werden, müssen die Frauen etwas für die Zeit nach der Karriere tun. Wir haben ein sehr cleveres Team mit vielen Studentinnen. Da wird fast alles reflektiert. Und die Spielerinnen sind sehr bodenständig – du bekommst als Trainer viel zurück. Mehr als bei den Männern.

Interview

Thomas Horsch ist seit vier Jahren Trainer der Frauen des SV Werder, die am Donnerstag gegen Bayern München erstmals in der Vereinsgeschichte im Finale des DFB-Pokals spielen. Der ehemalige Torwart war zwischen 2017 und 2020 Co-Trainer der Bremer Männer, davor DFB-Stützpunktkoordinator und Torwarttrainer der deutschen U17-Juniorinnen beim EM-Triumph 2016.

Geht es in der Kabine weniger egoistisch oder ehrlicher zu?

Was mir im Fußball der Frauen am meisten fehlt, ist, dass ich das Kabinenleben abgesehen von der Ansprache aus verständlichen Gründen nicht wirklich mitbekommen kann. Aber auf keinen Fall geht es im weiblichen Bereich sportlich anders zu: Da gibt es dieselben internen Scharmützel, Herausforderungen und Probleme.

Was macht Ihr Team stark?

Fußball ist letzten Endes ein Kampfsport nach gewissen Regeln. Jungs bringen diese Wettkampfhärte vielleicht ein bisschen mehr mit, deshalb ist es ja so hilfreich, wenn Mädchen lange bei ihnen mitspielen. Diese Mentalität habe ich versucht zu forcieren, damit wir uns zu einem etablierten Bundesligisten entwickeln.

Den Charaktertest im Pokal-Halbfinale im ausverkauften Volksparkstadion gegen den HSV hat Ihr Team in Unterzahl bravourös bestanden.

Dabei muss man sagen: Die Diskrepanz zwischen erster und zweiter Bundesliga ist bei den Frauen weiterhin sehr groß. Aber ohne die entsprechende Haltung hätten wir das gegen die Kulisse mit dieser Dramaturgie nicht geschafft. Als der Hamburger Ausgleich fiel, ist dir fast das Trommelfell geplatzt. Es war Wahnsinn, was dieses Spiel mit uns gemacht hat.

Wie meinen Sie das?

Ich war zwar unten am Spielfeldrand die Ruhe selbst, aber danach waren wir alle noch tagelang aufgewühlt. Wir hatten Sonntag gespielt und erst Mittwoch wieder das erste Training – ich habe noch nie in so viele tote Gesichter geschaut. Dann fragt man sich: Was macht das mit dir, wenn du alle drei, vier Tage diese mentale Belastung und mediale Aufmerksamkeit hast. Ich kann noch viel besser nachvollziehen, wie sich Persönlichkeiten in der Männer-Bundesliga unter diesem Druck verändern. Dagegen ist die Frauen-Bundesliga wirklich sehr tiefenentspannt (lacht).

Wie gehen Sie das Pokalfinale gegen die Münchnerinnen am Donnerstag an?

Die Bayern haben etwas zu verlieren! Sie sind nicht umsonst das dritte Mal Meister geworden. Das Team ist gespickt mit internationaler Qualität. Es wird darauf ankommen, dass wir unsere Momente nutzen.

Ist der deutsche Fußball der Frauen mit dem dritten Mal in Folge ausverkauften Pokalfinale auf dem richtigen Weg?

Ja und nein. Eigener Spielort, ausverkauftes Stadion, natürlich sind wir damit auf dem richtigen Weg. Aber: Ich finde den Termin am 1. Mai sportlich unglücklich. Wir spielen Donnerstag das Finale und am Wochenende ist wieder Bundesliga. Zum Glück steigt nur ein Team ab, so dass unser Spiel beim 1. FC Köln keine Relevanz hat. Und Bayern ist bereits Meister. Sonst wäre das doch Wettbewerbsverzerrung. Ich fände einen Termin nach der Bundesliga-Saison viel besser und attraktiver.

Die Aufstockung der Liga auf 14 Klubs zur neuen Saison befürworten Sie?

Auf jeden Fall. Elf Pflichtspiele in einer Halbserie sind zu wenig. Wenn wir von Professionalisierung reden, gehören mehr Spielmöglichkeiten dazu. Ich würde mir auch wünschen, dass die Uefa noch mehr tut. Wenn Platz vier oder fünf auf die europäische Bühne führen würde, wäre die Liga noch mal interessanter.

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Große Probleme gibt es im Nachwuchs.

Ja, die U19 hat sich nicht für die EM qualifiziert, die U17 ist zum zweiten Mal nicht dabei. Dieser Entwicklung muss man entgegenwirken. Wir haben im Nachwuchs ein Quantitätsproblem, wenn wir da nicht richtig dranbleiben, fehlen uns irgendwann die Talente. Es gibt ja mangels Masse keine A-Jugend bei den Frauen. Eine talentierte U17-Spielerin muss sofort in die zweite oder erste Mannschaft. Es kommen also unfertige Persönlichkeiten hoch, die sich in der Bundesliga behaupten sollen. Dieser Übergang ist schwierig.

Man hört heraus, wie sehr der Fußball der Frauen Sie fesselt. Warum hören Sie am Saisonende auf?

(lacht) Ich höre ja nicht auf zu arbeiten. Man muss sich immer wieder hinterfragen, ob man zufrieden ist oder nicht. Wer Trainer einer Fußballmannschaft ist, darf nie in den Zustand kommen, einen Meter weniger zu machen. Für mich ist nach vier Jahren der richtige Punkt gekommen aufzuhören. Ich hinterlasse meiner Nachfolgerin (Friederike Kromp, Anm. d. Red.) einen etablierten Bundesligisten, der jetzt im Pokalfinale steht.

Was werden Sie danach machen? Mit Wolfsburg und Bayern brauchen Deutschlands erste Adressen im Fußball der Frauen neue Trainer.

Ich höre mir alles an und gehe davon aus, dass ich weiter in diesem Berufsfeld arbeiten werde. Es macht unheimlich viel Spaß, mit Menschen zu arbeiten. Und da mache ich keinen Unterschied zwischen Livia Peng oder Jiri Pavlenka, zwischen Larissa Mühlhaus oder Claudio Pizarro. Auf dem Fußballplatz etwas weitergeben zu können, ist für mich nach wie vor glorreich.

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