Mentalitätswandel fällig

Ulrike Henning über Personalfragen in Pflege und Medizin

Im Krankenhaus muss es manchmal schnell gehen, aber die Anerkennung von Ärzten mit einer im Ausland erworbenen Berufsausbildung dauert immer noch sehr lange.
Im Krankenhaus muss es manchmal schnell gehen, aber die Anerkennung von Ärzten mit einer im Ausland erworbenen Berufsausbildung dauert immer noch sehr lange.

Im globalen Wettbewerb um medizinisches Personal steht Deutschland eigentlich ganz gut da. Entsprechend steigt der Anteil derjenigen, die vor allem in Kliniken, Pflegeheimen und bei Pflegediensten arbeiten und keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Bei den Pflegekräften kommt mittlerweile jede fünfte aus dem Ausland, bei den Ärzten jeder sechste. Und schon seit 2022 geht das Beschäftigungswachstum in der Pflege ausschließlich auf ausländisches Personal zurück. Da hier aber weiterhin Personalengpässe bestehen: Es könnten noch einmal viel mehr qualifizierte Mediziner und Fachkräfte sein, die Kranke und Gebrechliche in Deutschland versorgen – auch, weil sie zum Teil bereits hier leben.

Dazu wären aber einige Anstrengungen nötig: Die Anerkennung vorhandener Qualifikationen müsste deutlich schneller gehen. Pflegekräfte warten monatelang, Ärztinnen und Ärzte sogar Jahre. Auch das Problem selbst wird schon jahrelang beschrieben, und man muss sich langsam fragen, ob hier nicht aktiv blockiert wird. Während diese Verfahren im nahen Ausland schon automatisiert sind, wird in Deutschland noch immer jeder Einzelfall geprüft.

Leider kann von einer Bundesregierung, die Migration eher als ungünstig bis bedrohlich bewertet, kaum erwartet werden, dass hier beherzt gesetzlich eingegriffen wird. Die allgemeine Notlage in der medizinischen Versorgung ist offenbar noch nicht groß genug.

Auch die Aufwertung von Pflegeberufen, die gesetzlich in der Warteschleife steckt, könnte Interessierte – ob zugewandert oder deutsch – dazu bringen, neue berufliche Ziele anzustreben. Aufwertung hieße auch, dass eine Pflegekraft zum Beispiel für weniger Patientinnen und Patienten verantwortlich ist. Wenn sich entsprechend qualifizierte Personen also entscheiden müssen, in welchem Land sie arbeiten wollen, könnten sie bemerken, dass in ihrem Beruf in skandinavischen Ländern, in den Niederlanden und der Schweiz deutlich weniger Patienten versorgt werden müssen als das in Deutschland der Fall ist. Pflegekräfte hierzulande beklagen oft, dass sie ihren Beruf nicht so sorgsam ausüben können, wie er einst gelernt wurde. Nicht nur zu viele Patienten je Schichtbesatzung, auch zu viel Bürokratie verhindert das.

Teils noch wichtiger erscheint, dass die Leistungen, die Menschen aus Kroatien, Syrien, Indien oder von den Philippinen hier erbringen, vorbehaltlos anerkannt werden – ob das in der Pflege ist oder auf jedem anderen Arbeitsplatz. Das würde das Zusammenleben durchaus erleichtern, nicht nur für die immer wieder misstrauisch beäugten und gern mal absichtlich missverstandenen Fachkräfte. Wer sich jedoch entschieden hat, alle, die nicht deutsch sind, vor allem als Sündenböcke für diverse Probleme zu deklarieren, dem wird so ein Mentalitätswandel nicht gelingen. Der stirbt lieber unversorgt allein zu Hause. Die Übrigen können in ihren Mühen für eine kooperative und solidarische Gesellschaft auch auf die neuen Kolleginnen und Kollegen zählen.

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