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Was bleibt vom Versprechen des Wandels?
Australiens Premier Anthony Albanese muss bei der Wahl um eine zweite Amtszeit bangen
Premierminister Anthony Albanese versteht es, seine persönliche Geschichte als Symbol des »australischen Versprechens« zu inszenieren: Aufgewachsen in einer Sozialwohnung im Stadtteil Camperdown, von seiner Mutter allein großgezogen, verkörpert er für viele den sozialen Aufstieg durch Bildung und Fleiß. Diese Erzählung nutzt er bis heute. In Australien kann man alles erreichen, wenn man fleißig ist, so sein Credo.
Als der heute 62-Jährige 2022 die Regierung übernahm, versprach er einen politischen Neuanfang – mit Schwerpunkten auf Klimaschutz, Gleichstellung, Integrität und der Versöhnung mit den indigenen Völkern.
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Klimaschutz hinter den Erwartungen zurückgeblieben
Doch der Weg war holprig – und nicht frei von Rückschlägen. Besonders im Klimaschutz, einst Herzstück seines Programms, blieb vieles hinter den Erwartungen zurück. Zwar wurde ein gesetzlich verbindliches Ziel zur Reduktion der Emissionen um 43 Prozent bis 2030 beschlossen. Gleichzeitig aber genehmigte die Regierung zehn neue Kohleminen oder Erweiterungen bestehender Projekte – ein Widerspruch, der die Enttäuschung vieler Umweltaktivisten nährt. Auch das Vorhaben, die Zahl internationaler Studierender zu begrenzen, scheiterte im Parlament – unter anderem am fehlenden Konsens mit kleineren Parteien.
Der wohl größte Rückschlag war das gescheiterte Referendum über die »Voice to Parliament« – ein beratendes Gremium der indigenen Bevölkerung, das in der Verfassung verankert werden sollte. Im Oktober 2023 lehnte eine Mehrheit der Australier den Vorschlag ab – eine bittere Niederlage für Albanese, der sich persönlich stark für das Vorhaben eingesetzt hatte. Kritiker bemängelten unzureichende Erklärungen und fehlende gesellschaftliche Überzeugungsarbeit.
Ein verlorenes Referendum – und eine tiefe Wunde
Parallel dazu leidet das Land unter den wirtschaftlichen Folgen globaler Krisen: Zwölf Zinserhöhungen während Albaneses Amtszeit haben Kredite verteuert, die Immobilienkrise verschärft, Mieten und Energiepreise steigen drastisch. Zwar geht die Inflation zurück, die Zinsen sinken – doch das Gefühl der Überforderung bleibt. »Das Vertrauen in die Regierung ist gering, und die Wählerinnen und Wähler erwarten eindeutig, dass etwas gegen das zentrale Thema dieser Wahl getan wird: die Lebenshaltungskosten«, sagt Intifar Chowdhury, Dozentin für Politikwissenschaft an der Flinders University in Adelaide.
Dennoch kann die Regierung Albanese auch Erfolge vorweisen. In der Außenpolitik setzte sie auf diplomatische Entspannung – insbesondere im Verhältnis zu China, das sich unter den konservativen Vorgängerregierungen deutlich abgekühlt hatte. Außenministerin Penny Wong stärkte zudem die Beziehungen zu den pazifischen Inselstaaten und ermöglichte die Rückkehr mehrerer inhaftierter Australier – darunter Journalistin Cheng Lei und Wikileaks-Gründer Julian Assange.
Erfolge im Außenpolitischen – leise, aber wirksam
International für Aufmerksamkeit sorgte das Verbot sozialer Medien für unter 16-Jährige – ein weltweiter Vorstoß im Kampf gegen digitale Abhängigkeit und psychische Belastungen bei Jugendlichen. Plattformen wie Tiktok, Instagram und Snapchat stehen nun unter Zugzwang, Altersgrenzen technisch besser umzusetzen. Auch sozialpolitisch setzte Albanese Akzente: Steuersenkungen in Höhe von 17,1 Milliarden australischen Dollar (9,6 Milliarden Euro) sowie Entlastungspakete bei Lebenshaltungskosten sollen besonders Familien und Geringverdienern zugutekommen – ein strategischer Schritt wenige Monate vor der Wahl.
Die Bilanz bleibt gemischt – doch auch die Opposition vermag bisher nicht zu überzeugen. Peter Duttons Liberal Party wird vielfach mit einem Trump-nahen Politikstil assoziiert: Er polarisierte beim Referendum, sprach sich gegen die »Voice« aus, plante zwischenzeitlich Massenentlassungen im öffentlichen Dienst (von denen er später abrückte) und befürwortet eine Renaissance fossiler Energien. Sein Vorschlag, zusätzlich Atomkraftwerke in Australien zu errichten, stößt vielerorts auf Skepsis.
Eine Wahl mit offenem Ausgang
Die letzten Umfragen geben Labor Hoffnung. Sollte es jedoch anders kommen und die Sozialdemokraten die Mehrheit verlieren, wären sie die erste Regierung seit 1931, die nach nur einer Amtszeit abgewählt würde. »Die Wählerschaft ist heute deutlich fluider als je zuvor«, sagt Chowdhury. Parteitreue reiche nicht mehr aus. Hinzu komme, dass Wählerinnen und Wähler der Generation Z und der Millennials zusätzliche Volatilität mitbrächten. »2025 wird daher vermutlich eine knappe Entscheidung bringen – kein klarer Durchmarsch.«
Kommt es zu einem »hung parliament«, also einem politischen Patt, wäre Labor auf die Unterstützung unabhängiger Kandidaten und Kandidatinnen und kleinerer Parteien angewiesen – ein Szenario, das Koalitionen und Kompromisse notwendig machen würde.
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