Umweltgipfel im Kohleland

Erster globaler »Nature Positive Summit« findet in Australien statt

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Kohleprojekt Narrabri im Bundesstaat New South Wales darf erweitert werden.
Das Kohleprojekt Narrabri im Bundesstaat New South Wales darf erweitert werden.

In Sydney beginnt an diesem Dienstag der erste »Global Nature Positive Summit«. Das dreitägige Treffen dient der Umsetzung des beschlossenen UN-Naturschutzabkommens, in dem sich Ende 2022 rund 200 Staaten verpflichtet haben, jeweils mindestens 30 Prozent der Land- und der Meeresflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen. In diesem Rahmen setzte man sich auch das Finanzziel, jährlich 200 Milliarden US-Dollar für die Instandsetzung der Natur auszugeben. Der »Positive Summit« soll Investitionen des Privatsektors »zum Schutz und zur Wiederherstellung unserer Umwelt fördern«, wie es offiziell heißt. Rund 1000 Vertreter von Regierungen, Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltgruppen werden erwartet.

Allerdings gibt es Kritik am Austragungsort: Als der Gipfel 2022 angekündigt wurde, sicherten Australiens Labor-Regierung und speziell die hochmotivierte Umweltministerin Tanya Plibersek zu, die Umwelt oben auf die Prioritätenliste zu setzen. Seither gibt es zwar kleine Fortschritte, doch die Bilanz ist alles andere als positiv: Mehr als 2200 Arten gelten in Australien als vom Aussterben bedroht. Sämtliche Ökosysteme auf dem Kontinent sind unter Druck geraten, 19 zeigen bereits Anzeichen eines Kollapses oder befinden sich kurz davor.

Zurzeit kämpft Canberra darum, ein Gesetzespaket zum Naturschutz durchzusetzen und eine neue nationale Umweltaufsichtsbehörde zu etablieren. Dass dies kaum vorankommt, liegt aus Sicht der Regierung an der Blockadehaltung der Opposition, also der Grünen und der Konservativen. Die »Extremisten« auf beiden Seiten stünden echtem Fortschritt im Wege, klagte die sozialdemokratische Ministerin Plibersek am Montag in einem Pressegespräch vor Beginn des Gipfels, der von ihr geleitet wird.

Ihre Botschaft an die Teilnehmer ist es, Natur und Wirtschaft zu koppeln. Ökonomische Rahmenbedingungen müssten so geändert werden, »dass unsere Wirtschaft die Natur schützt und nicht zerstört«, sagte Plibersek. Als Beispiele führt sie Mechanismen an wie »Grüne Anleihen« und einen »Nature Repair Market«, den ihre Regierung im vergangenen Jahr startete, um Landbesitzer zu belohnen, die sich für Naturschutz einsetzen. Staaten könnten die Finanzierung nicht allein leisten.

Mehr als 2200 Arten gelten in Australien als vom Aussterben bedroht.

Australiens Engagement für eine nachhaltige Finanzstrategie sei vielversprechend, urteilt eine Expertengruppe der Monash University in Melbourne. Und die hier geplante obligatorische Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen, die auch Fragen der Artenvielfalt umfassen soll, könne dazu beitragen, dass Firmen erstmals Biodiversitätsziele festlegen.

Christine Milne sieht die Vorschläge der Regierung dagegen weniger positiv. Dass Australien einen großen Gipfel für Naturschutz durchführt, sei reines »Greenwashing«, kritisiert die Umweltaktivistin und ehemalige Vorsitzende der Grünen. Nach wie vor fänden hier großflächige Rodungen statt, und es würden neue Kohle- sowie Gasprojekte genehmigt. Erst vor zwei Wochen gab Plibersek grünes Licht für die Erweiterung von drei Kohleprojekten. Auch Bob Brown, ebenfalls Ex-Grünen-Chef und Umweltaktivist, der sich auf seiner Heimatinsel Tasmanien oft wagemutig vor die Bulldozer der Forstindustrie stellt, spricht von einem »kolossalen Schwindel«, den die Regierung sich da erlaube. Im Bundesstaat New South Wales, wo der Gipfel stattfindet, würden riesige Flächen abgeholzt, die eigentlich Teil eines Koala-Nationalparks sein sollten. »Ich habe die Bäume auf dem Boden liegen sehen – mit den Kratzspuren der Koalas«, sagt der 79-Jährige.

Auch Plibersek räumt ein, dass es im Land eine »Biodiversitätskrise« gebe, die durch Extremereignisse wie Buschbrände noch verstärkt werde. Allerdings werde Australien 30 Prozent des Landes und 30 Prozent der Ozeane rund um den Kontinent bis 2030 unter Schutz stellen. Schon jetzt gelte dies für »eine Fläche von der Größe Deutschlands«, so die Ministerin. Zudem investiere ihre Regierung Millionen in den Kampf gegen wild lebende Katzen, die für einen großen Teil des Artensterbens in Australien verantwortlich seien, sowie in ein Programm zur Verbesserung der Wasserqualität am berühmten Great Barrier Reef.

Auf die inzwischen sieben Kohleprojekte angesprochen, die sie seit Beginn ihrer Amtszeit abgezeichnet hat, verweist Plibersek auf den von der Regierung geförderten Ausbau der erneuerbaren Energien. Umweltschützer dagegen weisen auf die hohen Subventionen hin, die Projekte rund um fossile Brennstoffe in Australien nach wie vor erhalten. Premierminister Anthony Albanese sei seit seinem Amtsantritt bereits über 20 Mal nach Westaustralien gereist, um dort Vertreter der Bergbaufirmen zu treffen, weiß Brown. Letzere hielten in vielen Bereichen im Land »die Zügel in der Hand«.

Der konservative Oppositionsführer Peter Dutton wiederum hat erst vor wenigen Tagen bei einer Konferenz deklariert, er werde der »beste Freund« der Branche werden, sollte er nach den Wahlen im kommenden Jahr Premierminister werden. Unterstützt wird er von erzkonservativen Blättern und Sendern des Murdoch-Imperiums, die Propaganda gegen Umweltschutz betreiben. Dass der aktuelle Gipfel trotz guter Vorsätze eine positive Bewegung in Australien anstoßen könnte, daran glauben Brown und Milne nicht.

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