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Katherina Reiche: Wirtschaftsministerin aus der Wirtschaft
Katherina Reiche (CDU) kehrt nach zehn Jahren zurück in die Politik
Wenn die designierte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) eins sicher gemeinsam hat mit Altkanzlerin Angela Merkel (CDU), dann die Tatsache, dass beide Frauen angesichts ihrer ostdeutschen Biografie schwer bis überhaupt nicht in das klassisch konservative Rollenbild einzusortieren sind.
Bei Reiche äußerte sich dies darin, dass sie schon das zweite Kind von dem Brandenburger Landtagsabgeordneten Sven Petke (CDU) erwartete, als sie noch immer in lediglich wilder Ehe mit ihm zusammenlebte. Erst 2003 hat sie ihn geheiratet und dann auch noch ein drittes Kind mit ihm bekommen. Ihre an sich gar nicht so untypischen Lebensverhältnisse sorgten in ihrer Partei 2002 aber noch für Irritationen. Damals gehörte sie zum Kompetenzteam des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU). In dieser Vorstufe eines Schattenkabinetts als die Familienexpertin zu gelten, lief darauf hinaus, als Bundesfamilienministerin zumindest ins Auge gefasst zu sein. Für manchen strenggläubigen Christdemokraten war es seinerzeit schwer erträglich, dass eine unverheiratete Mutter diese Funktion erlangen könnte oder sollte.
»Harte und dreckige Arbeit ist mir nicht fremd.«
Katherina Reiche
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. Stoiber hielt sich am Wahlabend verfrüht für den Sieger. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte es noch einmal geschafft. Stoiber blieb bayerische Ministerpräsident. Katherina Reiche blieb Bundestagsabgeordnete, was sie seit 1998 war.
In Angela Merkels Regierungszeit ist sie später Parlamentarische Staatssekretärin erst im Umwelt- und dann im Verkehrsministerium geworden. Zur Ministerin hat sie es nicht gebracht, bevor sie 2015 als neue Hauptgeschäftsführerin zum Verband kommunaler Unternehmen (VKU) wechselte. Die im Juli 1973 in Luckenwalde geborene Reiche legte dazu ihr Mandat nieder. Für Brandenburgs CDU war das in vielerlei Beziehung ein Verlust. Der Landesverband hatte zu wenige Kandidaten aufgestellt. Als einzige Nachrückerin stand noch Andrea Voßhoff zur Verfügung, die aber Datenschutzbeauftragte bleiben wollte. So blieb der von Reiche geräumte Sitz im Bundestag frei, obwohl er ihrer Partei zustand.
Anrüchig wirkte Katherina Reiches Wechsel von der Politik in die Wirtschaft, weil er am selben Tag erfolgte, an dem der Bundestag beschloss, dass in solchen Fällen künftig eine Wartezeit von mindestens einem Jahr eingelegt werden müsse. Dass die Politikerin beim Verband der kommunalen Stadtwerke anheuerte und nicht bei einem x-beliebigen profitgierigen Konzern, gilt es dabei allerdings zu berücksichtigen. Formal war sowieso alles rechtens. Zu erwähnen wäre, dass der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (Linke) beim Wechsel Katherina Reiches zum Verband kommunaler Unternehmen süffisant anmerkte, dass sie 2011 die Privatisierung der Potsdamer Stadtwerke gefordert habe.
Harte und dreckige Arbeit sei ihr nicht fremd, offenbarte Reiche, als sie im Bundestagswahlkampf 2009 dem Bauer Ernst Ruden bei der Kartoffelernte half. Schon als Kind habe sie im Sommer häufig Schweineställe ausgemistet. Kurz nach dieser Bundestagswahl wurden Reiches Eltern angeklagt. Untreue und Insolvenzverschleppung lauteten die Vorwürfe im Zusammenhang mit der reprivatisierten Firma Hesco, die Kunststoffteile für Mobiltelefone fertigte. Die Tochter hatte damit jedoch nichts zu tun. Sie hatte ihren geringen Anteil an dem Unternehmen schon vorher an ihre Mutter abgetreten.
Im Gegensatz zu Katherina Reiche unternahm ihr Mann Sven Petke nur einen kurzen Ausflug in die Wirtschaft. Eine im Sommer 2014 aufgenommene Nebentätigkeit des Landtagsabgeordneten als Manager beim Schienenfahrzeughersteller Bombardier geriet nicht zuletzt deshalb in der Kritik, weil seine Frau zu dieser Zeit Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium war und Interessenkonflikte möglich schienen. Anfang 2015 verzichtete Petke auf das Angebot von Bombardier, fest beim Konzern einzusteigen. Er beendete die Nebentätigkeit und blieb noch bis 2018 Landtagsabgeordneter.
Inzwischen lebt das Paar getrennt. Katherina Reiche ist schon eine Weile liiert mit dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), wie ihr Rechtsanwalt Christian Schertz nun der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Mit dem Ex-Minister hat die künftige Ministerin gemeinsam, dass sie persönlich einen sehr sympathischen Eindruck und eine gute Figur macht – im Gegensatz zu Sven Petke. Der war gleichwohl freundlicher als sein Ruf, insbesondere in seinen letzten Jahren als Abgeordneter. Reiche und Petke haben einst eine Rolle gespielt in den parteiinternen Machtkämpfen der früher notorisch zerstrittenen brandenburgischen CDU. Reiche konnte damals Kampfabstimmungen knapp gewinnen, Petke hat sie knapp verloren.
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Die 51-Jährige folgt als Wirtschaftsministerin auf Robert Habeck (Grüne). Der hatte mit Michael Kellner einen Staatssekretär aus Brandenburg. Kellner sollte sich unter anderem darum kümmern, dass die traditionsreiche PCK-Raffinerie in Schwedt das mit Wirkung Anfang 2023 verhängte Importverbot für russisches Erdöl überlebt. Noch gibt es die Raffinerie. Doch der Betriebsrat hegt für die Zukunft große Bedenken. Am 7. Mai soll es in der Stadt an der polnischen Grenze um 17 Uhr auf dem Platz der Befreiung eine Demonstration »Rettet die PCK-Raffinerie« geben – organisiert von einem überparteilichen Bündnis, dem der BSW-Landtagsabgeordnete Reinhard Simon angehört. Reden soll dort auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Es mehren sich Stimmen, das Importverbot aufzuheben.
Politiker Michael Kellner äußert angesichts dessen: »Besonders beunruhigen mich Stimmen aus Union und SPD, die unser Land mit einer unsäglichen Moskau-Connection zurück in russische Abhängigkeit führen würden.« Für die Grünen versichert Kellner: »Nicht mit uns.« An der Ansage ist auf jeden Fall etwas dran, denn die Grünen haben in der nächsten Bundesregierung nichts mehr zu sagen.
Die Erwartungen an die aus der Wirtschaft in die Politik zurückkehrende Katherina Reiche sind hoch. Fest steht, dass sie etwas von Wirtschaft versteht. Bei Robert Habeck wurde dies in den zurückliegenden Jahren immer wieder angezweifelt.
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