Ukraine-Krieg: 9. Mai – Feuer frei

Ukraine droht mit Angriffen auf die Feiern zum Weltkriegsende in Russland

In Moskau laufen die Proben für die Parade am 9. Mai. Mit dabei sind auch Soldaten aus China und Vietnam.
In Moskau laufen die Proben für die Parade am 9. Mai. Mit dabei sind auch Soldaten aus China und Vietnam.

Der 80. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland und damit der wichtigste Feiertag für die meisten Menschen in Russland steht kurz bevor. Schon jetzt ist klar, der Kreml will Russland am 9. Mai nicht nur als Befreier Europas vom Hitlerfaschismus darstellen, sondern auch als Kämpfer gegen einen aktuellen Faschismus.

Vor wenigen Tagen sagte Präsident Wladimir Putin bei einer Gedenkveranstaltung in Wolgograd, es müsse alles unternommen werden, um die Wiederauferstehung von Nazismus, Russophobie und Rassismus zu verhindern und rechtfertigte damit erneut seinen Krieg in der Ukraine. Auf der Parade auf dem Roten Platz sollen auch Soldaten des Ukraine-Krieges marschieren.

Ukraine droht mit Angriffen

Aus ukrainischer Sicht inakzeptabel. Neben der propagandistischen Aufladung stört sich Kiew vor allem an der von Putin vorgeschlagenen Waffenruhe rund um den 9. Mai. Das Angebot sei »zynisch«, kritisierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und warf Putin vor, für seine Veranstaltung Ruhe haben zu wollen, um dann die Ukraine weiter zu bombardieren. Russland solle sich zu einer 30-tägigen Waffenruhe bereit erklären, wie sie die Trump-Administration vorgeschlagen hatte, hieß es aus Kiew.

Am 30. April brachte Roman Kostenko, Sekretär des Rada-Komitees für nationale Sicherheit, einen ukrainischen Angriff auf die Parade ins Spiel. Bei Radio NV sagte er, sein Land habe die nötigen Langstreckenwaffen dafür. »Das ist keine große Herausforderung«, so Kostenko. In seiner täglichen Videobotschaft griff Selenskyj diesen Gedanken auf und ließ seitdem immer wieder durchblicken, dass man für einen solchen Angriff bereit sei. Am Sonnabend brachte der ukrainische Präsident gegenüber Journalisten auch die Möglichkeit ins Spiel, Russland könne selbst einen Anschlag verüben, um ihn dann der Ukraine in die Schuhe zu schieben.

Moskau spricht von Terrorismus

Die Reaktion aus Moskau folgte prompt. Seine Äußerungen seien eine »klassische Drohung eines Terroristen internationaler Größenordnung«, schrieb die Sprecherin des Außenministeriums Maria Sacharowa bei Telegram.

Selenskyjs Nein zum Waffenstillstand bezeichnete Kreml-Sprecher Dmitri Peskow als »Test zur Bereitschaft der Ukraine zum Frieden«, der in Moskaus Augen negativ ausfiel. Gleichzeitig verweigert der Kreml weiterhein seine Bereitschaft zu einem 30-tägigen Waffenstillstand, wie von der Ukraine und den USA gefordert.

Selenskyjs Gegenveranstaltung gescheitert

Für die Ukraine ist die Parade und eine mögliche Waffenruhe auch ein Kampf um Initiative und Deutungshoheit. Selenskyj hatte europäische Vertreter zum 9. Mai nach Kiew eingeladen, um der Parade in Moskau etwas entgegenzusetzen. Doch aus der Gegenveranstaltung wird nichts, weil alle bedeutenden europäischen Staats- und Regierungschefs absagten, meldete das Portal Politico vor einigen Tagen.

Ein herber Rückschlag für Kiew, der zur Angriffsdrohung führte. Selenskyjs Büroleiter Andrij Jermak eskaliere bewusste mit den Angriffsandeutungen, um die mediale Agenda auf die Friedensverhandlungen zu lenken und Russland zum Nachgeben zu bewegen, heißt es in ukrainischen Medien.

Ukrainischer Angriff sehr unwahrscheinlich

Dass Kiew wirklich Raketen Richtung Moskau schicken wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Die ukrainische Führung agiert vielmehr nach einem bekannten Schema. Immer wieder philosophieren ukrainische Staatsdiener und Militärs über Wunderwaffen, mit denen sie dies oder das in Russland auslöschen können.

Spätestens seit dem Eingeständnis, dass die Schläge gegen russisches und besetztes Gebiet von US-Truppen aus Wiesbaden koordiniert werden, ist klar, dass dies leeres Gerede ist. Das heißt auch: Die USA werden einen solchen Schlag nicht zulassen. Zwar weiß man natürlich in Kiew, wo der Rote Platz liegt, ohne Geheimdienstdaten der USA wird man aber nichts ausrichten können.

Möglicherweise US-Vertreter bei Parade auf dem Roten Platz

Auch diplomatisch wäre ein Angriff eher kontraproduktiv. Rund 20 Staatsgäste werden am 9. Mai auf dem Roten Platz sein. Die anzugreifen, würde Kiews Ansehen in der Welt massiv schaden. Zumal mit Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zwei Politiker dabei sind, die Selenskyj für einen Frieden mit ins Boot holen will. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico tat Selenskyjs Angriffspläne am Sonntag dementsprechend als »lächerlich« ab.

Und dann sind da noch die USA. Vor einigen Tagen hatte der russische Armeesender Swesda das Gerücht gestreut, ein hochrangiger Vertreter aus Washington könnte auf dem Roten Platz anwesend sein. Als möglicher Name wurde Außenminister Marco Rubio ins Spiel gebracht. Es wäre ein Zeichen, dass die Friedensverhandlungen noch nicht in einer Sackgasse sind. Bisher wollten weder Moskau noch Washington das Gerücht kommentieren.

Sollte aber wirklich ein Vertreter der US-Regierung in Moskau sein, würde die Ukraine dem putinschen Dreitagewaffenstillstand zustimmen, schreibt der Politikwissenschaftler Alexander Baunow für das Berliner Carnegie-Zentrum.

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