Geschleiftes Bollwerk

Das BSW könnte die AfD schwächen, so hofften Sozialwissenschaftler. Stattdessen wachsen die Schnittmengen der beiden Parteien

  • Volkmar Wölk
  • Lesedauer: 4 Min.
Die BSW-Politikerin Sabine Zimmermann hält die Debatte über ein AfD-Verbot für kontraproduktiv.
Die BSW-Politikerin Sabine Zimmermann hält die Debatte über ein AfD-Verbot für kontraproduktiv.

Eine Social-Media-Kachel im typischen Layout des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), darauf die Konterfeis von Friedrich Merz (CDU), Alice Weidel (AfD), Anton Hofreiter (Grüne) und Lars Klingbeil (SPD). Dazu der Text: »Rechtsextreme kämpfen gegen Rechtsextreme«. Beim Autor dieses Meinungsbeitrags auf Facebook handelt es sich um niemand anderen als den früheren Vorsitzenden der Linkspartei und die heutige Graue Eminenz des BSW Oskar Lafontaine.

Was veranlasst den früher als scharfsinnigen Analytiker bekannten Lafontaine zu der Einschätzung, dass es sich allesamt um »Rechtsextreme« handele, Alice Weidel also wesensgleich mit Hofreiter, Merz und Klingbeil sei? Anlass für Lafontaines Behauptung der faktischen Existenz einer rechtsextremen Einheitspartei ist die Einstufung der AfD als »gesichert rechtsextremistisch« durch den Inlandsgeheimdienst.

Was Lafontaine für rechtsextrem hält

Doch dieser, so Lafontaine, wisse gar nicht, was Rechtsextremismus sei. Er selbst weiß es dafür genau: »Aber auch die Verbreitung von Hass und Hetze gegen Russen ist rechtsextrem. Warum kritisiert der Verfassungsschutz die Bundestagsparteien nicht, die täglich Russenhass verbreiten?« Die Forderung nach Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine bedeute die Vorbereitung eines Angriffskrieges und sei »rechtsextrem«. Zum Schluss heißt es, man könne nicht »Rechtsextremismus mit rechtsextremen Maßnahmen aus der deutschen Politik verbannen«. Wenn alle rechtsextrem sind, ist es niemand mehr.

Sabine Zimmermann, Landes- und Fraktionsvorsitzende des BSW in Sachsen, sekundiert: »Wir brauchen derartige Verbotsdebatten nicht, denn sie wirken kontraproduktiv.« Ergänzt wird das durch die mantraartige Wiederholung der Aussage, man müsse »die AfD inhaltlich stellen«.

Wie sieht das in Zimmermanns Landesverband konkret aus? Die »Süddeutsche« jedenfalls sah schon im Herbst »Bewegung an der Querfront« und konstatierte, AfD und BSW machten im Landtag gemeinsame Sache. So hatte das BSW einem AfD-Antrag »Frieden statt Raketen« zugestimmt und daran vor allem bemängelt, dass »er von unserem Wahlprogramm abgeschrieben worden ist«.

»Bewegung« auf lokaler Ebene

Deutlicher noch als im Landtag wird die »Bewegung« auf der lokalen Ebene durch das Handeln führender Funktionäre. André Liebscher, ehemaliger Büroleiter der früheren AfD-Vorsitzenden Frauke Petry im sächsischen Pirna, ist seit November 2024 in gleicher Funktion für den Parlamentarischen Geschäftsführer der BSW-Landtagsfraktion Lutz Richter tätig. Er wisse noch nicht, ob er auch Parteimitglied werden wolle.

Am deutlichsten aber ist die entstehende Querfront auf der Straße. BSW-MdL Jens Henschel-Thöricht sprach bei einer Kundgebung in Görlitz, die von einer den extrem rechten Freien Sachsen nahen Wählervereinigung organisiert wurde. Redner neben ihm der einschlägige Aktivist Marcus Fuchs. Der Chemnitzer BSW-Landtagsabgeordnete Nico Rudolph wiederum trat bei der Montagsdemonstration der rechten Mischszene von Corona-Leugnern bis hin zu Freien Sachsen auf und fand lobende Worte für AfD und Freie Sachsen im Chemnitzer Stadtrat, die dort als Einzige normal mit dem BSW umgingen.

Eine Reihe von Sozialwissenschaftlern war in der Gründungsphase des BSW davon ausgegangen, dieses könne zumindest in Ostdeutschland als eine Art Bollwerk gegen das weitere Erstarken der AfD wirken. Die Ausrichtung der Partei als »linkskonservativ« ermögliche dies. Das BSW könne damit attraktiv für einen Teil der AfD-Klientel sein, dem diese Partei zu radikal geworden sei. Selbst wenn es nicht gelingen sollte, in die Stammwählerschaft der AfD einzudringen, sei es immerhin möglich, dass durch das Alternativangebot ein weiteres Anwachsen der AfD verhindert werde. Sowohl die Popularität von Sahra Wagenknecht im Osten als auch Schnittmengen in der Sozialstruktur des Wählerpotenzials beider Parteien ließen diese Annahme einigermaßen realistisch erscheinen.

Stattdessen erleben wir heute ein BSW, das immer stärkere Schnittmengen mit der AfD aufweist. Bei Kernthemen der Partei, der Friedenspolitik und im Werben für enge Beziehungen zu Russland sowie der »Aufarbeitung« der Corona-Pandemie, kommt es zur Zusammenarbeit. Die Brandmauer wird von Protagonisten des BSW schlicht als schädlich eingeschätzt.

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