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Polizist belästigt Zeugin privat
Brandenburgs Datenschutzbeauftragte verhängt Bußgelder in Höhe von knapp 33 500 Euro
Ein Polizist hatte eine Zeugin befragt und wusste daher ihren Namen und die Nummer ihres Mobiltelefons. Die Frau gefiel ihm. Er versuchte, per Whatsapp-Nachrichten mit ihr anzubändeln. Als er auf die erste Nachricht keine Antwort erhielt, schrieb er am nächsten Tag noch eine zweite und sendete der Frau via Facebook Freundschaftsanfragen. Außerdem probierte er es noch bei Instagram und Snapchat. Selbstverständlich hätte er die Telefonnummer nicht benutzen dürfen, um die Frau privat zu behelligen. Der Zeugin gefiel das auch ganz und gar nicht. Ihre Beschwerde darüber hatte Konsequenzen. Gegen den Polizisten wurde ein Bußgeld in dreistelliger Höhe verhängt.
Der Fall taucht im jüngsten Tätigkeitsbericht von Brandenburgs Datenschutzbeauftragter Dagmar Hartge auf. Sie hat den Bericht am Montag in Potsdam an Landtagsvizepräsidentin Jouleen Gruhn (BSW) übergeben.
Auch ein zweiter Polizist verstieß gegen Datenschutzbestimmungen. Er zahlte ein Bußgeld in etwaiger Höhe eines Monatslohns. Dieser Polizist hatte 5446 interne Dateien auf eine private Festplatte kopiert, darunter Angaben zu Beschuldigten, Geschädigten und Zeugen, außerdem Adressen, Telefonnummern und Beurteilungen von Kollegen plus Informationen zu deren Gesundheitszustand, zusätzlich noch Schulungsmaterial zum Thema Kinderpornografie. Weil er eine Führungskraft ist, hat er Zugang zu solch sensiblen Daten. Er weiß aber auch, dass er sie nicht auf eine private Festplatte kopieren darf – selbst wenn er die Daten nur für berufliche Zwecke verwenden will.
Aufgefallen war das, so erläutert die Datenschutzbeauftragte Hartge am Montag, weil im Computersystem der Polizei eine Software zur Virenerkennung auf der Festplatte ansprang. Hartge ergänzt: »Ich mache meine Arbeit im Sommer 20 Jahre in Brandenburg.« Der gegenwärtige Polizeipräsident nehme das Thema Datenschutz sehr ernst. Das möchte Hartge ausdrücklich positiv vermerken. Doch so schnell ließen sich nicht alle Mängel beheben, sagt sie. Da habe es jetzt durchaus noch zu Verstößen kommen können.
Beschäftigt hat sich Hartges Behörde im vergangenen Jahr auch mit einem System zur Gesichtserkennung. Es spielte eine Rolle in den Ermittlungen zu zwei schweren Fällen von Grenzkriminalität. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hatte hier auf Amtshilfe durch die sächsische Polizei gesetzt. Diese hat die Technik, Gesichter vorüberfahrender Auto- und Beifahrer zu scannen und mit gespeicherten Fotos mutmaßlicher Verbrecher abzugleichen.
Nach Einschätzung von Hartge reichte die von der Staatsanwaltschaft genannte Rechtsgrundlage nicht aus, den Einsatz dieses Systems zu rechtfertigen. Sie sei wegen dieses Vorgehens verwundert, hatte es doch vor einigen Jahren schon großen Ärger wegen einer automatischen Erfassung von Kennzeichen auf Brandenburger Autobahnen gegeben. Dass Kennzeichen erfasst wurden, war im Zusammenhang mit der Suche nach einem in Berlin verschwundenen Mädchen bekannt geworden. »Es liegt nahe«, so Hartge, »dass die für den Kennzeichenabgleich geltenden Bedenken erst recht für den besonders eingriffsintensiven Abgleich biometrischer Gesichtsbilder zum Tragen kommen.«
Richtig teuer wurde es für eine Augenoptiker-Firma, die einem Kunden über neuneinhalb Monate hinweg 63 Werbe-E-Mails schickte, obwohl er seine Einwilligung dafür bereits dreieinhalb Jahre zuvor widerrufen hatte. Gegen die Firma verhängten die Datenschützer ein Bußgeld in Höhe von 30 000 Euro – zumal diese Firma wiederholt negativ aufgefallen war.
Mit einer Verwarnung kam eine Stadtverwaltung davon, die einer Partei die Adressen minderjähriger Einwohner zur Verfügung stellte. Die Partei wollte Erstwählern Wahlwerbung zusenden. Das ist zulässig. Doch die Stadt übermittelte auch die Adressen von 1500 Kindern und Jugendlichen, die noch gar nicht wahlberechtigt sind, worüber sich Eltern beschwerten. Die Stadt meldete die Datenpanne immerhin gleich ordnungsgemäß selbst und kassierte nur eine Verwarnung.
Die Datenschützer überprüfen immer wieder, ob bestimmte Überwachungskameras zulässig sind. Infrage standen im vergangenen Jahr 786 Kameras, davon allein rund 100, die auf den Sportplatz, den Eingang, die Treppen und Flure eines Asylheims ausgerichtet waren. Die Begründung, es habe Körperverletzungen und Hausfriedensbrüche gegeben, überzeugten Hartge und ihre Kollegen nicht. Hartge erließ eine Anordnung, die Videoüberwachung einzuschränken. Der für die Kameras Verantwortliche klagte gegen diese Anordnung. Das Verfahren schwebt noch.
Um 40 Kameras ging es in einem Hotel. Diese sind nach Ansicht der Datenschützer mindestens so einzustellen, dass sie nicht das Kartenlesegerät am Empfangstresen erfassen und auch nicht die Barzahlung von Hotelgästen aufzeichnen. In einem Schwimmbad gab es Kameras in der Umkleide. Mit denen war wenigstens niemand beim Ausziehen zu beobachten. Die Kameras waren auf Schränke gerichtet, die von Dieben zuweilen aufgebrochen werden.
- 1450 Beschwerden sind im vergangenen Jahr bei der Landesdatenschutzbeauftragten von Brandenburg eingegangen. Im Jahr zuvor waren es 1336 Beschwerden.
- In 467 Fällen halfen die Datenschützer mit Beratungen. Für das Jahr 2023 hatte der Tätigkeitsbericht 324 Beratungen vermerkt.
- Auch bei den Meldungen von Verstößen gegen die Datenschutzbestimmungen durch die Verantwortlichen war ein Anstieg zu verzeichnen. Nach 490 Meldungen vor zwei Jahren kam es im vergangenen Jahr zu 506 Meldungen.
- Deutlich gestiegen ist der Anteil von Meldungen über Datenschutzpannen, die durch technische Mängel verursacht worden sind.
- Die Zahl der Beschwerden und der Beratungen zur Videoüberwachung stieg im vergangenen Jahr von 365 auf 389.
- In fünf Fällen wurden wegen Verstößen gegen die Bestimmungen des Datenschutzes Bußgelder verhängt.
- Außerdem gab es im Jahr 2024 eine Verwarnung und vier Anordnungen der Datenschutzbehörde. af
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