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Die Sensation ist möglich: Elversbergs Bundesliga-Traum

Elversberg und Paderborn haben im Aufstiegsrennen gute Karten neben Köln, Kaisers­lautern und Düssel­dorf

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.
Klein aber fein: Hier spielt und jubelt Elversberg – und feiert am Sonnabend den Aufstieg in die erste Liga?
Klein aber fein: Hier spielt und jubelt Elversberg – und feiert am Sonnabend den Aufstieg in die erste Liga?

Seit Anfang März ist Horst Steffen 56 Jahre alt. Manchmal blickt der Trainer der SV Elversberg gern in die ferne Zukunft. Vor allem, wenn ihn seine Mannschaft mal wieder ganz besonders verzückt – wie am vergangenen Sonnabend gegen Braunschweig. Den Endstand von 3:0 hatten die furiosen Saarländer bereits zwischen der 11. und der 21. Minute herausgeschossen, sodass ihr Übungsleiter später leicht kokettierend ankündigte: »Wenn ich ganz alt bin, werde ich mir diese ersten 20 Minuten wahrscheinlich häufiger anschauen.« So wunderbar herausgespielt seien die Treffer gewesen.

Lobeshymnen auf Steffens Ensemble sind dabei aber längst nicht nur den Protagonisten aus Elversberg und der näheren Umgebung vorbehalten. Die attraktive Spielweise der Sportvereinigung, für die es am Sonntag auf Schalke tatsächlich um den Aufstieg in die Bundesliga geht, kennen sie zum Beispiel auch in Paderborn. Dort lässt Lukas Kwasniok seit 2021 einen ähnlich mutigen Fußball praktizieren wie Steffen 400 Kilometer weiter südwestlich. Diese offensive Grundhaltung pflegt der Fußballlehrer auch bei öffentlichen Auftritten. Vor dem Duell der beiden Klubs Ende April betonte Kwasniok: »Paderborn gegen Elversberg – das klingt jetzt erst mal nicht ganz so sexy, ist aber inhaltlich das Beste, was die zweite Liga zu bieten hat.«

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Bei diesem Statement dürften den Drahtziehern des Hamburger SV und des 1. FC Köln – zwei von den größten Tankern im mit Traditionsvereinen gut gefüllten Unterhaus – die Ohren geklungen haben. Immerhin schaffte der HSV auch dank seiner ansehnlichen 76 Saisontore nach sieben Jahren Abstinenz gerade die Rückkehr in die oberste Etage. Und Köln reicht am Sonntag im Heimspiel gegen Kaiserslautern ein Remis zum direkten Wiederaufstieg.

Vom Selbstverständnis her fühlen sich die Rheinländer wie auch die Hansestädter ohnehin erstklassig. Doch weil sie dieses Ziel zuletzt in Gefahr sahen, beurlaubten die Kölner Bosse Anfang Mai Chefcoach Gerhard Struber und Sport-Geschäftsführer Christian Keller – und ersetzten den österreichischen Trainer durch den in heiklen Fällen vielfach erprobten Friedheim Funkel.

Die erste Partie unter dem 71-jährigen Funkel in Nürnberg wurde auf den letzten Drücker 2:1 gewonnen. Zwei Tage später ging Stürmer Tim Lemperle etwas voreilig auf einem Partyschiff in Köln feiern, wurde im Laufe des Abends in stark alkoholisiertem Zustand in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt, aus der er Gesichtsverletzungen davontrug. Funkel war vor dem Showdown gegen die Lauterer, die wie Düsseldorf noch dezente Aussichten auf den Relegationsplatz haben, also auch als Krisenmanager gefragt. Und das in einer durchaus gefährlichen Gemengelage: Bei einer Kölner Niederlage und gleichzeitigen Erfolgen von Elversberg und Paderborn in Karlsruhe würden die Domstädter schließlich von Rang zwei runter auf Platz vier fallen – und damit komplett aus dem Aufstiegsgeschäft.

Die besten Aussichten auf den direkten Gang in die nationale Beletage hätte dann, dem exzellenten Torverhältnis sei Dank, die SV Elversberg. Für den Klub aus der 13 000-Einwohner-Gemeinde Spiesen-Elversberg wäre es der dritte Aufstieg in vier Jahren. Das Saarland hätte 32 Jahre nach dem Abstieg des 1. FC Saarbrücken wieder einen Erstligisten. Und der deutsche Fußball könnte den kleinsten Bundesligastandort aller Zeiten willkommen heißen.

Alles in allem lockt am kommenden Wochenende also eine echte Sensation – ein Szenario, dem die Elversberger Verantwortlichen bereits Tribut zollten: In dieser Woche waren bei den Trainingseinheiten des Steffen-Teams erstmals keine Journalisten zugelassen. Auch für die aus dem Saarland machte der von einem Pharma-Unternehmen gesponserte Klub keine Ausnahme.

Aus ganz Deutschland kamen die Anfragen, doch Akteure wie das kongeniale Offensivduo mit 18-Tore-Stürmer Fisnik Asllani und Muhammed Damar oder Elias Baum bekommen die Medien erst wieder beim Ligafinale der »Elv« in Gelsenkirchen zu sehen. Neue Chancen auf öffentliche Trainingseinheiten in Elversberg könnte es in der nächsten Woche geben, wenn für die Gemeinde, in der es nicht mal einen Bahnhof gibt, die mögliche Relegation gegen Heidenheim oder Hoffenheim ansteht.

Der verspätete Start in den Urlaub? »Das ist egal, auch wenn die Saison noch vier Wochen dauert«, sagt der torgefährliche Mittelfeldspieler Damar und beteuert: »Für die SVE würde ich alles machen.«

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