Nach dem Bundesliga-Aufstieg: Kompetenzvakuum beim 1. FC Köln

Der Zweitligameister muss nun viele Fragen zur eigenen Zukunft beantworten

  • Daniel Theweleit, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Zweitligameistertrainer Friedhelm Funkel will mit den Kölner Fußballern wohl weiterarbeiten.
Zweitligameistertrainer Friedhelm Funkel will mit den Kölner Fußballern wohl weiterarbeiten.

Eine feine Portion Ironie schwang mit, als Torsten Lieberknecht den soeben in die erste Bundesliga aufgestiegenen 1. FC Köln mit einem schönen Ratschlag in eine krachende Partynacht verabschiedete. Ob er seinen 71 Jahre alten Kollegen Friedhelm Funkel für geeignet halte, den FC auch durch eine erfolgreiche Bundesligazukunft zu führen, wurde Kaiserslauterns Coach gefragt. Funkel sei »topfit, da ist kein Gramm Fett dran, der kann feiern wie ein Biest«, erwiderte Lieberknecht. Also: »Macht die Schatulle auf und haltet den hier fest.«

Die Trainerfrage

Ein schlauer Kommentar in einem Moment, in dem es den Kölnern schwerfiel, nach dem 4:0 gegen Funkels letzten Verein FCK derart wichtige Fragen mit klarem Verstand zu diskutieren: Fußballer und Fans sangen sich in den Armen liegend das Lied »Tommi« von AnnenMayKantereit, eine Hymne voller Melancholie und Liebe zu einer Stadt, die seit zwei Wochen ihrem Friedhelm zu Füßen liegt. Weil der Altmeister der Trainerkunst seit seinem abermaligen Auftauchen am Geißbockheim jederzeit den Eindruck vermittelte, die richtige Lösung zu kennen, und das furchtbar verkrampfte Team von der Angst befreite.

Weil die Kölner nach zwei Funkel-Siegen in die Bundesliga zurückgekehrt und auch noch Zweitligameister geworden sind, ist nun die Frage, ob der Trainer weitermacht, nicht nur fachlich herausfordernd, sondern auch eine Angelegenheit der Herzen. Er selbst wäre bereit, das war nicht zu überhören inmitten der Feierlichkeiten vom Sonntagabend. Zunächst dankte er zwar seinem vor zwei Wochen entlassenen Vorgänger Gerhard Struber, der »einen viel größeren Anteil« an diesem Erfolg habe, weil die Tabellensituation günstig und »die Mannschaft in einem hervorragenden Zustand war«. Als er auf seine eigenen Zukunftswünsche angesprochen wurde, erwiderte Funkel: »Jeder weiß, wie ich zu diesem Verein stehe. Ich bin für alles offen, möglicherweise auch dafür, weiterzumachen. Ich kann mir das vorstellen.«

Viele Zukunftsfragen

Das war eine eindeutige Bewerbung, mit der die Vereinsführung nun arbeiten muss. Wobei gar nicht so klar sichtbar ist, wer gerade die wichtigen Zukunftsentscheidungen trifft. Thomas Kessler, der vormalige Leiter des Lizenzspielerbereichs, ist seit der Entlassung von Sport-Geschäftsführer Christian Keller Interimssportchef. Darüber im Organigramm ist das Präsidium angesiedelt, dem es jedoch an fußballfachlichen Kenntnissen mangelt und das außerdem im September abtreten muss, weil es nicht noch einmal zur Wahl zugelassen wird.

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Von einem Machtvakuum zu sprechen, ginge zu weit, aber ein Kompetenzvakuum ist in jedem Fall vorhanden. »Ab morgen fangen wir an, darüber nachzudenken, wie die Zukunft aussieht«, sagte Präsident Werner Wolf. Kessler erklärte, er könne zur Trainerfrage vorerst »überhaupt nichts sagen«. Nur so viel: »Wir sind Friedhelm brutal dankbar, dass er das geschafft hat in den 14 Tagen. Jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht.« Wahrscheinlich ist es klug, an diesem Punkt nichts zu überstürzen, zumal es sich bei Köln um einen Fußballstandort handelt, an dem es traditionell ein sehr starkes Bedürfnis nach dem großen Retter gibt. Nach einem Mann, der den Verein aus seinem harten Schicksal befreit und dauerhaft zu einem Bundesligisten mit internationalen Ambitionen macht. Wolfgang Overath hat das versucht, Christoph Daum auch, Lukas Podolski war der Prinz, der alle glücklich machen sollte. Sogar Ewald Lienen wurde hier schon zum »heiligen Ewald« erklärt. Und jetzt der gute Friedhelm?

Die Finanzfrage

Der im Mai mit Trainer Struber entlassene Geschäftsführer Christian Keller hat einen Kampf gegen die Kölner Neigung zum Irrationalen geführt. Und die Klubfinanzen saniert. Vor Kurzem sagte er noch, dass der FC im Aufstiegsfall wirtschaftlich über so gute Voraussetzungen für den Aufbruch in eine dauerhaft erfolgreiche Zukunft verfüge wie seit 35 Jahren nicht mehr. In der kommenden Saison lässt sich ohne Risiko ein Etat von mehr als 50 Millionen Euro finanzieren; 2026 ist der Klub dann schuldenfrei, zudem enden teure Vermarktungsverträge. Es gibt also Spielraum, die Mannschaft klug weiterzuentwickeln.

Auch der Nachwuchs blüht: Die U19 wurde wenige Stunden vor dem Aufstieg durch ein spektakuläres 5:4 im Endspiel gegen Leverkusen Deutscher Meister. Noch besser sei sogar die U17, sagen manche im Klub. Das Geißbockheim wurde modernisiert, genau wie die Scouting-Abteilung. Unklar ist nun, wer auf diesen Grundlagen nachhaltige Bundesligaerfolge bewerkstelligen soll. Funkel? Kessler? Wer wird neuer Sportgeschäftsführer? Und wen schlägt der Mitgliederrat zur Besetzung des künftigen Präsidiums vor? Der gute alte FC ist aufgestiegen, aber als geordneter Klub mit klaren Perspektiven beginnen die Kölner ihr nächstes Bundesligakapitel wieder einmal nicht.

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