Et hätt noch immer jot jejange

Köln rettet im Relegationsrückspiel bei Holstein Kiel mit einem 5:1 die Bundesligazugehörigkeit. Für den neuen Trainer Steffen Baumgart wird es allerdings nicht leicht

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Von der Belohnung für seine erfolgreich abgeschlossene Rettungsmission hatte Friedhelm Funkel klare Vorstellungen. »Am Sonntag werde ich wohl mit Freunden - draußen und mit genügend Abstand - eine oder zwei Flaschen Wein trinken, lecker essen und das genießen, was wir in Köln gerade zusammen erreicht haben«, kündigte der 67-Jährige vor dem Rückflug in die Domstadt an. Sonne und Temperaturen um die 20 Grad im Rheinland spielten dem bärtigen Übungsleiter bei seiner Rückkehr in den Ruhestand am Tag nach dem 5:1 in Kiel ebenso in die Karten wie dem Kölner Rasenpersonal - das am Sonntag mit Verspätung in den Urlaub startete.

Wegen der Relegationsspiele gegen den Zweitliga-Dritten von der Ostsee musste der Geißbockklub eine Woche nachsitzen - und die finalen Jubelszenen unter dem postkartenblauen Kieler Himmel verfolgte Funkels Nachfolger Steffen Baumgart dort, wo der 49-Jährige auch die vergangenen vier Jahre seines Lebens zugebracht hat: in Paderborn. Mit Freunden saß der gebürtige Rostocker in Ostwestfalen vor dem Fernseher und erlebte eine Partie, die symbolisch für die zu Ende gegangene Saison der Kölner stand.

»Immer wenn wir mit dem Rücken zur Wand standen«, rekapitulierte Kapitän Jonas Hector, »haben wir solche Spiele abgeliefert wie heute.« Und Torwart Timo Horn betonte: »Der FC gehört einfach in die Bundesliga. Da haben wir alles daran gesetzt, damit das weiterhin so ist.« An der Kieler Förde entgingen die beiden Herz-und-Blut-Kölner und ihre Teamkollegen noch mal knapp dem Sog hinab in die demnächst mit Bremen, Schalke, Hamburg oder Düsseldorf ungewöhnlich prominent besetzte Zweite Liga. Doch es wird sich einiges ändern müssen rund ums Geißbockheim, damit dort in einem Jahr nicht wieder das große Nägelkauen einsetzt.

Die wegen der Corona-Pandemie fehlenden Zuschauer seien für den Effzeh ein größeres Handicap gewesen als für andere Klubs, präsentierte Horn eine Erklärung für die zurückliegende Zittersaison. Auch die langen Fehlzeiten wichtiger Akteure wie Hector, Florian Kainz oder des von Union Berlin geholten Mittelstürmers Sebastian Andersson wogen schwer. Doch solche Verletzungsnöte sind kein Kölner Alleinstellungsmerkmal - und die Gründe, warum der emotionsbeladene Verein den siebten Bundesliga-Abstieg erst in der Relegation abwenden konnte, sind vielschichtig.

Seit geraumer Zeit besonders in der Kritik steht Sport-Geschäftsführer Horst Heldt. Unabhängig vom abschließenden Offensivfeuerwerk gegen die nach 11 Spielen in 37 Tagen völlig ausgelaugten Kieler wird dem gebürtigen Rheinländer vor allem angelastet, nach dem ablösefreien Wechsel von Simon Terodde nach Hamburg und dem Verkauf von Jhon Córdoba an Hertha BSC im Angriff keine leistungsstarken Ergänzungen zu dem verletzungsanfälligen Schweden Andersson an Land gezogen zu haben.

»Wir haben einige knifflige Aufgaben zu lösen, aber das ist ja auch der Reiz«, erklärte der von der Zweiten in die Erste Liga aufgestiegene Steffen Baumgart da erst mal tatendurstig. Bei der Sturmbesetzung etwa dürfte der künftige Coach fest mit dem einstigen Kölner Torhelden Anthony Modeste planen, der zuletzt nach Saint-Étienne entliehen war, die Saison wegen einer Adduktoren-OP aber vorzeitig beenden musste.

Schwierig bleibt, trotz des Klassenerhalts, auch die finanzielle Lage des FC. Corona bescherte einen Umsatzverlust von über 60 Millionen Euro. Leistungsträger wie Ellyes Skhiri oder Sebastiaan Bornauw dürften bei lukrativen Angeboten kaum zu halten sein. Ratschläge an die Macher im Kölner Grüngürtel verkniff sich Friedhelm Funkel (»Ich bin vollkommen platt, aber glücklich«) zunächst, sagte aber: »Es kann gut sein, dass ich mit den Leuten dort in Kontakt bleibe. Ich glaube, dass ich in den letzten sieben Wochen mit meiner Erfahrung doch einiges gesehen, erlebt und gespürt habe, was möglicherweise anders gemacht werden muss.«

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