Schlechte ökonomische Aussichten in der EU

Handelsstreit und mangelnde Investitionsbereitschaft belasten EU-Wirtschaften

Nicht überall kriselt es: Der Rüstungsindustrie bescheren massive Aufträge satte Gewinne. Sie halten das EU-Wirtschaftswachstum am Laufen.
Nicht überall kriselt es: Der Rüstungsindustrie bescheren massive Aufträge satte Gewinne. Sie halten das EU-Wirtschaftswachstum am Laufen.

»Die gute Nachricht ist, dass sich unsere Arbeitsmärkte gut entwickeln«, sagte Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis am Montag bei der Vorstellung der EU-Frühjahrsprognose für die Jahre 2025 und 2026. Und er ergänzte, sichtlich um positive Botschaften bemüht: »Die EU-Wirtschaft bleibt trotz schwieriger Umstände widerstandsfähig.«

Doch damit endete die blumige Note. »Die Handels- und globale Unsicherheit belasten auch das EU-Wachstum, und die Risiken sind deutlich nach unten gerichtet«, gab der konservative Kommissar aus Lettland zu bedenken. Hinzu kommen nach wie vor hohe Energiepreise und sinkende Nachfrage, etwa im Bereich der Elektromobilität. Nach Einmaleffekten, weil Unternehmen ihre Warenlager vor Inkrafttreten der Zölle auffüllen, werden sich die derzeit robusten Handelszahlen verschlechtern, erklärte Dombrovskis.

Konjunkturprognose deutlich gesenkt

Vor dem Hintergrund geht die Behörde für die EU-Länder von deutlich schlechteren Wirtschaftszahlen aus als noch in ihrer letzten Prognose vom Herbst vergangenen Jahres. »Wir erwarten ein moderates Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Euroraum von 1,1 Prozent im laufenden Jahr«, sagte er. Auch für 2026 senkte die Kommission ihren Ausblick – kumuliert um ein Minus von insgesamt 0,7 Prozent.

Die negativen Aussichten gehen auf die stagnierende Wirtschaft in Frankreich (0,6 Prozent), Deutschland (0 Prozent) und Österreich (– 0,3 Prozent) zurück. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Ländern wie Irland (3,4 Prozent), Polen (3,3 Prozent), Spanien (2,6 Prozent) und Griechenland (2,3 Prozent) wächst dagegen noch vergleichsweise stark.

Gestützt werden die Ökonomien der EU derzeit durch steigende Reallöhne, die den privaten Konsum stärken, heißt es im Kommissionsbericht. Der übertreffe die Erwartungen, was auch mit einem sich verknappenden Arbeitsmarkt zu tun hat. Bis 2026 rechnet die Kommission mit einem Jobzuwachs von zwei Millionen Stellen, vor allem im Dienstleistungsbereich. Die Erwerbslosigkeit soll auf 5,7 Prozent sinken. »Das wäre ein historisches Tief«, erklärte Dombrovskis.

Investitionen in konstante Kapitalbestandteile wie Produktionsanlagen sollen dagegen kaum anziehen. Vor allem die sich langsam erholende Bauwirtschaft und die massiven Aufrüstungsprogramme dürften die Konjunktur am Laufen halten, erklärte Dombrovskis. »Eine lineare Erhöhung der Verteidigungsausgaben aller Mitgliedstaaten auf bis zu 1,5 Prozent des BIP würde das Wachstum in der EU bis 2028 um etwa 0,5 Prozent steigern«, sagte er. Diese Zahlen seien in die Prognose bislang nicht eingeflossen, würden sie also aufhellen.

Hohe Staatsschulden, enge Grenzen

Sorgen bereiten der EU-Kommission indes hohe Staatsschulden. Die Haushaltsdefizite hatten im Zuge der Covid-Pandemie und durch den Energiepreisschock infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine enorm zugenommen.

Nach einem Rückgang auf einen EU-Durchschnitt von 3,2 Prozent im Jahr 2024 wird die Neuverschuldung den Projektionen zufolge auf 3,3 Prozent des BIP im Jahr 2025 ansteigen. Besonders groß sind die Defizite in Ländern wie Rumänien (– 8,6 Prozent), Polen (– 6,4 Prozent), Frankreich (– 5,6 Prozent) und Belgien (– 5,4 Prozent). Erlaubt ist eine Neuverschuldung von maximal 3 Prozent. In Deutschland ist das Minus vergleichsweise gering, die Kommission geht für das Jahr 2025 von einem Defizit von 2,7 Prozent des BIP aus.

Darin sind aber die neuen Investitionspläne der Bundesregierung noch nicht enthalten, erklärte Dombrovskis. »Wir beginnen jetzt unsere Gespräche mit der deutschen Regierung, um über den mittelfristigen Haushaltsplan zu sprechen«, sagte der Wirtschaftskommissar dazu. In den Verhandlungen sollen die geplanten Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro konkretisiert werden.

Während die Kommission für Rüstungsausgaben Ausnahmeregelungen geschaffen hatte, bleiben die Ausgaben für Sozial- und Infrastrukturinvestitionen gedeckelt. Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten hat auf dieser Basis eine Ausnahme beantragt. Kritiker*innen warnen vor einer Austeritätspolitik zugunsten der Rüstungsindustrie.

Auch die Bundesrepublik könnte mit den geplanten Mehrausgaben gegen die EU-Fiskalregeln verstoßen, warnen die Ökonomen Armin Steinbach und Jeromin Zettelmeyer vom europäischen Wirtschafts-Thinktank Bruegel. Sie fordern eine Lockerung der Schuldenregeln. Dombrovskis kündigte an, an den Vorgaben festhalten zu wollen.

Um das Wachstum zu steigern, plant die Kommission eine neue Wettbewerbsstrategie, um Handelsschranken innerhalb der EU zu verkleinern. Die Binnennachfrage soll so »zu einem noch größeren Motor des Wirtschaftswachstums« werden, erklärte Dombrovskis. Am Mittwoch stellt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Fahrplan vor.

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