Handball: Warum die Füchse Berlin über das Parkett schweben

Die Handballer aus der Hauptstadt marschieren im Fernduell um die Meisterschaft weiter vorneweg

  • Christoph Dach
  • Lesedauer: 4 Min.
Tim Freihöfer (l.) ist einer von vielen Berlinern, die in dieser Saison stark gereift sind – und überzeugte auch in Göppingen mit acht Toren.
Tim Freihöfer (l.) ist einer von vielen Berlinern, die in dieser Saison stark gereift sind – und überzeugte auch in Göppingen mit acht Toren.

An einem sonnigen Dienstag im Mai parkt Stefan Kretzschmar seinen Wagen vor dem Trainingszentrum der Füchse Berlin. Ein Medientermin steht an. Das Thema: Endspurt in der Handballsaison 2024/25. Da darf der Sportvorstand des Klubs natürlich nicht fehlen. Auf dem Weg in die Halle läuft ihm ein Bekannter in die Arme. »Und Kretzsche, wie geht’s?«, fragt der Mann. »Sehr gut«, antwortet er und ergänzt: »Bisschen angespannt seit ein paar Wochen.«

Brillanter Tempohandball

Sehr gut, dennoch angespannt. Viel treffender lässt sich auch die aktuelle Situation bei Kretzschmars Arbeitgeber nicht beschreiben: Vier Spieltage vor Schluss haben sich die Füchse in der Bundesliga eine exzellente Ausgangslage verschafft. Mit brillantem Tempohandball und offensivem Spektakel sind sie an die Tabellenspitze gestürmt und haben dabei im Schnitt fast 35 Tore pro Spiel geworfen. Die Mannschaft von Trainer Jaron Siewert hat damit allerbeste Aussichten auf die erste deutsche Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Und dennoch bleiben den Berlinern zwei widerspenstige Verfolger im Nacken: die punktgleiche MT Melsungen und der um einen Zähler schlechter stehende SC Magdeburg.

Am Montagabend erlebte das Fernduell eine Fortsetzung, ohne dass es zu größeren Überraschungen kam: Die Berliner erledigten ihre Pflichtaufgabe in Göppingen und setzten sich mit 43:28 gegen die Schwaben durch. Später am Abend zogen Melsungen und der SCM mit ebenso ungefährdeten Heimsiegen gegen Wetzlar respektive Hannover-Burgdorf nach. Grundsätzlich bestätigte sich allerdings der Eindruck: Im Moment spricht tatsächlich viel dafür, dass die Füchse am 8. Juni die Meisterschale in Empfang nehmen dürfen.

Überragender Welthandballer

In Göppingen trat der Tabellenführer so souverän auf wie schon seit Monaten. Nach einer guten Viertelstunde stand es 13:5 für die Füchse; Göppingens Coach Ben Matschke griff bereits zu seiner zweiten Auszeit – ohne Erfolg. Auch im weiteren Verlauf des Abends ließen die Berliner nicht den leisteten Zweifel daran aufkommen, wer an diesem Abend die Punkte mitnehmen würde. Angeführt wurden sie dabei wieder einmal vom überragenden Mathias Gidsel, der gerade in einer ganz eigenen Liga unterwegs ist und obendrein regelmäßig seine Kollegen mitreißt. Wie gut der 26-jährige dänische Welthandballer drauf ist, belegt unter anderem ein Blick in die Torschützenliste der Bundesliga: Er liegt dort mit 234 Treffern auf Rang zwei, obwohl er keinen einzigen Siebenmeter geworfen hat. »Besser als Mathias im Moment kann man einfach nicht spielen«, lobt Sportvorstand Kretzschmar.

Wer den Erfolg auf Gidsel beschränkt, wird den Berlinern nicht gerecht. »Wir haben eine wirklich gute Mischung in unserer Mannschaft«, analysiert Kretzschmar und ergänzt: »Unsere internationalen Leute im Kader spielen seit einigen Wochen regelmäßig über ihren Möglichkeiten. Und die jungen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs tun es ihnen gleich und haben große Entwicklungssprünge gemacht.«

Bemerkenstwerter Nachwuchs

Im Füchse-Aufgebot finden sich fünf Spieler, die vor zwei Jahren U21-Weltmeister mit dem deutschen Team geworden und seither zu festen Größen im Verein gereift sind: Torhüter Lasse Ludwig, Max Beneke, Nils Lichtlein, Tim Freihöfer und Matthes Langhoff. Letztere drei gehören mittlerweile zur A-Nationalmannschaft. »Das hat natürlich auch etwas mit ihnen gemacht«, sagt Kretzschmar. Vor allem dank bemerkenswerter Auftritte in fremden Hallen haben sich die Berliner ein Selbstvertrauen erarbeitet, das sie phasenweise über das Parkett schweben lässt.

Seit März haben die Füchse in Kiel und Magdeburg gewonnen, zwei der größten Auswärtshürden in der Bundesliga. Darüber hinaus bestanden sie in der Champions League auch bei internationalen Spitzenklubs wie Veszprem, Kielce und Aalborg. Als Lohn dafür dürfen sie – wie der SC Magdeburg – am zweiten Juni-Wochenende am Finalturnier in Köln teilnehmen.

Vorentscheidendes Duell

Bis dahin warten aber noch vier wichtige Aufgaben in der Bundesliga auf das Team von Coach Jaron Siewert – wobei die nächste womöglich vorentscheidend sein kann im Kampf um die Meisterschale. Am Himmelfahrtstag empfangen die Berliner in der heimischen Max-Schmeling-Halle die MT Melsungen zum direkten Duell zwischen Tabellenführer und erstem Verfolger.

Bundestrainer Alfreð Gíslason hat sich kürzlich bereits festgelegt und die Füchse zum Titelfavoriten Nummer eins erklärt. »Wir sind jetzt die Gejagten und müssen versuchen, vernünftig mit diesem Druck umzugehen«, sagt Siewert. »Andererseits müssen wir uns bewusst sein, dass Druck in dieser Phase der Saison etwas Positives ist, weil wir noch Titel gewinnen können«, ergänzt der Trainer. »Das hat sich die Mannschaft über Monate erarbeitet, und das wollen wir jetzt natürlich krönen.«

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