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Nach dem Blackout in Spanien zurück zum Atomstrom

Der Stromausfall in Spanien entfacht eine Debatte über die Verlängerung der Laufzeit von Uralt-Reaktoren

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Fußgängerin während des Stromausfalls auf der Iberischen Halbinsel Ende April
Eine Fußgängerin während des Stromausfalls auf der Iberischen Halbinsel Ende April

Auch drei Wochen nach dem Blackout, dem historischen Stromausfall Ende April in Spanien und Portugal, kann weiter nur über Ursachen spekuliert werden. Bisher schieben sich die spanische Regierung, Netzbetreiber und Energieunternehmen gegenseitig die Verantwortung zu – und stellen nun den Beschluss zum Atomausstieg infrage. Atomkraftwerke würden besonders zur Netzstabilität beitragen, so die Behauptung. Dabei werden dort seit Längerem deutliche Probleme registriert. Das AKW Almaraz könnte sogar eine Rolle beim Blackout gespielt haben.

Eigentlich war schon vor sechs Jahren zwischen Regierung und Betreibern des ältesten Atomkraftwerks vereinbart worden, die beiden Meiler an der Grenze zu Portugal im November 2027 und im Oktober 2028 abzuschalten. Sie sind seit 1981 bzw. 1983 in Betrieb und waren für eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt. Über das Vorgehen sind sich die drei Betreiberfirmen Iberdrola, Endesa und Naturgy nicht einig. Ein für Dienstag geplantes Treffen wurde auf ein unbestimmtes Datum Anfang Juni verschoben.

Die Minderheitsregierung unter Pedro Sánchez schreibt sich gerne den Atomausstieg auf die Fahnen. Sánchez’ sozialdemokratische PSOE fordert diesen seit gut zwei Jahrzehnten. Passiert ist aber wenig. Die rechte Volkspartei (PP) fordert nun eine weitere Laufzeitverlängerung. Dass die Sánchez-Regierung in dieser Frage umfallen könnte, deutete der Ministerpräsident an. Er schränkte aber ein: »Wenn die großen Energiekonzerne eine Verlängerung vorschlagen, müssen sie auch bereit sein, dafür zu bezahlen.«

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Aufgrund der hohen Kosten hatte sich sogar Iberdrola einst für die Abschaltungen eingesetzt. Konzernchef Ignacio Sánchez Galán hatte vor neun Jahren erklärt, Atomkraftwerke müssten aus »ökonomischen Gründen« geschlossen werden: »Kernkraftwerke sind wirtschaftlich nicht rentabel.« Doch in den Monaten vor dem Stromausfall trommelte er plötzlich für eine Laufzeitverlängerung und erklärte, Strompreise würden steigen, wenn AKWs abgeschaltet werden.

Dabei ist eher das Gegenteil der Fall. Was Galán nicht sagt, ist, dass abgeschriebene Altmeiler über das EU-Tarifsystem in den letzten Jahren enorme Zufallsgewinne einfuhren. Im Tarifsystem wird der Strompreis über die teuerste Form seiner Erzeugung bestimmt. Das war in den letzten Jahren Gas. So konnten die Stromerzeuger große Gewinne erzielen.

Da die Strompreise aufgrund des Ausbaus erneuerbarer Energien auf der Iberischen Halbinsel aber insgesamt extrem gefallen sind, hatten die Energiefirmen zum Blackout-Zeitpunkt nur vier Atommeiler am Netz. Davon liefen zwei auf halber Kraft. Auch Gaskraftwerke seien »kriminell«, aus »Gier« und für »Profitmaximierung«, abgeschaltet gewesen, kritisiert Antonio Turiel, Forscher am CSIC-Institut (Oberster Rat für wissenschaftliche Forschung).

Zuletzt hätte es Investitionen in Erneuerbare wie Batteriespeicher gebraucht, um das Netz zu stabilisieren.

Zuletzt hätte es Investitionen in Erneuerbare wie Batteriespeicher gebraucht, um das Netz zu stabilisieren, so Turiel. AKWs behinderten, da sie viel Strom zur Kühlung brauchen, zusätzlich die Reaktivierung des Stromnetzes. Drei Tage nach dem Blackout lieferten sie zudem noch keinen Strom und konnten demnach nicht zur Stabilisierung des Netzes beitragen.

Viele Kritiker richten ihren Blick nun auf Almaraz. Denn an einem Netzknoten an diesem AKW wurden seit dem 15. April »bedeutende Spannungsschwankungen« registriert. Solche »Oszillationen« sollen zum Zusammenbruch des Netzes geführt haben. Laut dem Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber sei eine Schwankung einige Minuten vor dem Ausfall nicht mehr aufgefangen worden.

Die Urheberschaft für den Stromausfall befindet sich, wie auch Energieministerin Sara Aagesen einräumen musste, geografisch in der Region von Almaraz. Dass es den Betreibern nach dem Blackout eine Woche lang nicht gelang, die Meiler schnell wieder ans Netz zu bringen, ist ein weiterer Indikator.

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