• Sport
  • Italien-Rundfahrt

Giro d’Italia: Ein Mexikaner in Rosa

Supertalent Isaac Del Toro sorgt bei der ersten großen Rundfahrt des Jahres für einiges Aufsehen

  • Tom Mustroph, Pisa
  • Lesedauer: 4 Min.
Trotz schwieriger Bedingungen verteidigte Isaac Del Toro am Dienstag die Gesamtführung.
Trotz schwieriger Bedingungen verteidigte Isaac Del Toro am Dienstag die Gesamtführung.

Der Radsport führt immer wieder zu etwas Neuem. Den Giro d’Italia schmückt derzeit der erste Mexikaner im rosa Trikot. Isaac Del Toro holte sich am Sonntag mit einem famosen Ritt über die Schotterstraßen der Toskana die Führung. Er verteidigte sie souverän am Dienstag im Regen von Pisa. »Die Straßen waren nass, ich wollte kein Risiko eingehen, aber trotzdem schnell sein«, sagte der 21-Jährige im Ziel des 28,6 Kilometer langen Zeitfahrens. Nun, er hielt den Rückstand auf seine wichtigsten Konkurrenten unter einer Minute, mit Ausnahme des noch im Trockeneren gestarteten Primož Roglič.

Auch Juan Ayuso, neben Roglič der Topfavorit dieses Giro konnte die Distanz zu Del Toro nicht entscheidend verringern. Damit bringt der junge Mexikaner die Hackordnung seines Teams UAE etwas durcheinander. Dort sollte eigentlich Ayuso der Kapitän sein, mit einer Ko-Kapitänsrolle für Veteran Adam Yates. »Von Del Toro erwarten wir erst mal nicht so viel. Er soll sich weiter an eine Grand Tour gewöhnen, so lange wie möglich bei Ayuso und Yates sein und ihnen natürlich auch helfen. Aber wir üben keinen Ergebnisdruck auf ihn aus«, sagte der sportliche Leiter Matxin Fernández zu »nd«.

Gesamtführung statt Helferrolle

Diesen Freiraum nutzte Del Toro für sich bisher prächtig aus, mit etwas weniger Aufmerksamkeit für die sekundäre Helferrolle. Auf der Schotteretappe nach Siena machte er in der Führungsgruppe liegend mächtig Tempo, obwohl weiter hinten Ayuso steckte. Im Zweiersprint musste er dann dem Belgier Wout van Aert den Vortritt lassen. Der ist zwar Klassikerspezialist, aber momentan nicht in Top-Form. Ärgern wollte sich Del Toro über die vergebene Siegchance aber nicht allzu sehr. »Van Aert war einfach stärker«, sagte der Mexikaner anerkennend.

Ayuso hatte später an der Top-Performance seines jüngeren Mitfahrers etwas zu knabbern. »Wir sind Freunde«, versicherte er zwar den Journalisten. Aber die meisten Fragen am Ruhetag gingen nicht an ihn, den nominellen Chef, sondern an Del Toro. Betont desinteressiert spielte Ayuso dann auch an seinem Mobiltelefon. Beim Zeitfahren hatte er vor allem seinen Mannschaftskollegen im Blick, fuhr schnell einen größeren Vorsprung heraus. Del Toro hielt aber dagegen, teilte sich das Rennen gut ein und durfte sich an einem weiteren Tag in Rosa erfreuen.

Training auf Mexikos Gipfeln

Er stammt von Mexikos Westküste, etwa 100 Kilometer südlich der US-Metropole San Diego. Schon mit sieben Jahren entdeckte er seine Liebe zum Rad. Sein Vater Jo war Radsportler, der ältere Bruder Angel ist es auch. Als Teenager absolvierte er Trips auf über 4600 Meter Höhe, etwa zum Nevado de Toluca, dem vierthöchsten Gipfel Mexikos. »Ich mag es, mich in der Höhe zu belasten. Ich weiß, wie mein Körper reagiert. Das erlaubt mir, mein Herz und meine Lungen voll auszureizen«, meinte er zur »Gazzetta dello Sport«.

Mit 15 Jahren kam er nach Europa, in den mit knapp 800 Metern über dem Meeresspiegel recht flach gelegenen Kleinstaat San Marino. Dort war er zunächst vom hohen Niveau der Gleichaltrigen überrascht, passte sich aber schnell an. Viel von Europa wird er jenseits der Rennen nicht gesehen haben. »Wir waren wie eine U-Boot-Truppe«, sagte er über sein damaliges Team, also viel zusammen, aber abgeschottet und vor allem durch das Sehrohr Radrennen mit der Außenwelt verbunden.

Wer tritt die Pogačar-Nachfolge an?

Von seinem Talent her sollte Del Toro eigentlich schon vor drei Jahren bei der Tour de l’Avenir aufblühen. Die Nachwuchs-Tour de France 2022 verpasste er aber wegen einer Sturzverletzung. Im Jahr darauf räumte er dann nach einem beeindruckenden Sieg auf der Königsetappe den Gesamterfolg ab. Weil er all das gewissermaßen im Alleingang schaffte – sein mexikanisches Team war im Vergleich zu Italien oder Belgien ziemlich schwach aufgestellt –, galt er schnell als der neue Pogačar. Bei Team UAE spielt man solche Vergleiche herunter. »Tadej ist einmalig. Mit ihm ist es auch superleicht, zu gewinnen«, meinte Teamkollege Rafal Majka zu »nd«.

Aber auch mit Del Toro könnte das Siegen in Zukunft recht flott gehen. Juan Ayuso jedenfalls, Spaniens ein Jahr älteres Top-Talent, muss sich bei diesem Giro schon strecken, um die angestrebte Pogačar-Nachfolge nicht direkt an seinen Teamkollegen weitergeben zu müssen.

- Anzeige -

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.