Ein Spiel zum Wegschauen für den FC Bayern

Beim Klub-WM-Aus im Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain verlieren die Münchener Fußballer auch noch Jamal Musiala

  • Johann Caspar Nilius
  • Lesedauer: 6 Min.
Paris Torwart Gianluigi Donnarumma räumt Bayerns Jamal Musiala ab – der seinem Verein nun lange fehlen wird.
Paris Torwart Gianluigi Donnarumma räumt Bayerns Jamal Musiala ab – der seinem Verein nun lange fehlen wird.

Es sah erst nach einem ganz normalen Zweikampf aus. PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma sprang kurz vor der Halbzeitpause auf den Ball, um vor Jamal Musiala an das Spielgerät zu kommen und eine mögliche Chance für Bayerns Dribbelkünstler zu vereiteln. Als die Fernsehbilder jedoch die Wiederholung abspielten und den Fuß des fallenden Musiala zeigten, der im rechten Winkel zum Schienbein abstand, wurde klar: Der FC Bayern zahlt einen hohen Preis für die Teilnahme an der neu eingeführten Klub-WM.

»Oh mein Gott, nein! Bitte nicht!«, sagte Alphonso Davies, als er die Bilder sah. Der aktuell verletzte Verteidiger verfolgte das Viertelfinale seiner Bayern gegen Paris Saint-Germain von zu Hause aus und war dabei im Livestream zu sehen. Nicht nur Davies’ Reaktion vor dem Bildschirm, sondern auch die erschütterten Spieler auf dem Feld zeigten schnell, wie schwer die Verletzung des deutschen Nationalspielers war. Paris-Keeper Donnarumma selbst konnte gar nicht hinsehen. Er hockte am anderen Ende des Fünfmeterraums und vergrub das Gesicht in seinen großen Torwarthandschuhen. Bayerns Flügelspieler Kingsley Coman schlug die Hände über den Kopf zusammen, Michael Olises Gesicht verschwand unter seinem Trikot, Joshua Kimmich verdeckte das seine mit beiden Händen.

Die 0:2-Niederlage der Bayern gegen den amtierenden Champions-League-Sieger wurde schnell zur Nebensache. »Wenn ich jetzt hier neben Ihnen sitze, dann ist es nicht das Ergebnis, das mein Blut in Wallung bringt. Ich verstehe, dass das Fußball ist. Aber es ist die Tatsache, dass es jemandem passiert ist, der das Spiel so sehr genießt«, sagte Bayern-Trainer Vincent Kompany auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, das zumindest in den ersten 45 Minuten hoch spannend war.

Eine ausgeglichene Partie

In der Anfangsphase ging es viel hin und her, mit Chancen auf beiden Seiten, die klareren aber für Paris. Mittelfeldspieler Fabián traf unbedrängt aus 13 Metern Entfernung das Tor nicht (22.). Manuel Neuer vereitelte die größte Pariser Chance durch Khvicha Kvaratskhelia. Der Georgier war durch ein starkes Dribbling von links in den Strafraum eingezogen und kam aus spitzem Winkel frei zum Abschluss (32.). Bei den Bayern fehlte zu diesem Zeitpunkt meist die Präzision im letzten Angriffsdrittel.

Der Schock für die Bayern kam ausgerechnet nach ihrer spielerisch stärksten Phase in der ersten Halbzeit. Erst verfehlte Stürmer Harry Kane in der 38. Minute per Kopf das Tor, danach flog ein Flankenball von Aleksandar Pavlović an Freund und Gegner vorbei auf den zweiten Pfosten zu, wo Donnarumma ihn gerade so von der Linie kratzen konnte. In der 45. Minute musste der Italiener noch mal eingreifen und wehrte einen Schuss von Musiala nahe der Grundlinie ab. Kurz darauf kam es zum folgenschweren Zweikampf der beiden.

»In der Halbzeit hast du dann diese Momente, in denen du dich schwer tust, bei der Sache zu bleiben. Wir sind ja keine Roboter«, sagte Thomas Müller nach dem Spiel zu Musialas Verletzung vor der Pause. Mehrere Minuten musste der 22-Jährige auf dem Feld behandelt werden. Nachdem er vom Platz getragen wurde, beendete Schiedsrichter Anthony Taylor die Halbzeit, ohne das Spiel noch einmal anzupfeifen.

Paris in der zweiten Hälfte stärker

In der zweiten Halbzeit verlief das Spiel lange deutlich ruhiger – bis Paris durch Désiré Doué in Führung ging. Der 20-jährige Franzose, den die Bayern vor einem Jahr gerne an die Isar geholt hätten, schloss in der 78. Minute unbedrängt von der halbrechten Strafraumkante ab und traf ins kurze Eck zum 1:0. Bayern-Coach Kompany versuchte vergeblich, durch die Hereinnahme von Thomas Müller noch einen Akzent zu setzen. Die Münchner Vereinslegende, die ihre letzten 15 Minuten im Bayern-Dress spielte, konnte das Aus bei der Klub-WM nicht mehr verhindern. Den Bayern half es auch nicht, dass sie noch in Überzahl gerieten. Gleich zwei PSG-Spieler sahen kurz vor Ende eine Rote Karte. Trotzdem kam Paris in der 96. Minute zum 2:0 durch den eingewechselten Ousmane Dembélé, nachdem PSG-Rechtsverteidiger Achraf Hakimi gleich drei Spieler ausgedribbelt hatte und nur noch auf den Franzosen querlegen musste.

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Doch die Niederlage interessierte die Bayern-Verantwortlichen nach dem Spiel kaum. Vielmehr ging es um die Gesundheit ihres Spielers Musiala. Sportvorstand Max Eberl sagte: »Es ist tragisch. Wir lieben ihn für seine Spielfreude, jetzt so ein Nackenschlag – das ist für ihn extrem schwierig, aber wir sind für ihn da als Familie.« Seit Sonntag steht fest, dass Musiala mit einem Wadenbeinbruch die Hinrunde der kommenden Bundesliga-Saison ausfallen wird.

Vorwürfe gegen Donnarumma

Der Schuldige dafür war schnell auserkoren: Torwart Donnarumma. »Er hat keine Rücksicht genommen«, sagte Eberl. Er wolle »keinen Vorwurf« machen, »aber das Risiko geht er ein«. Manuel Neuer stimmte zu: »Er nimmt die Verletzung seines Gegenspielers in Kauf.«

Dass die Musiala-Verletzung womöglich die Folge des immer voller werdenden Spielplans sein könnte, dem nach einer langen Saison nun auch noch die Klub-WM folgte, das sagte keiner der Protagonisten. Obwohl der Wettbewerb für viele Bayern-Fans eher das Flair eines Vorbereitungsturniers hatte. Allerdings wurde die Teilnahme fürstlich belohnt. Fast 60 Millionen Euro soll der deutsche Meister durch den Viertelfinaleinzug erhalten haben – und bezahlt dafür mit der Gesundheit eines Spielers. Ob es sich gelohnt hat?

Die Kaderplaner der Bayern geraten nun zumindest in Schwierigkeiten. Für die vier Offensivpositionen stehen nur noch vier gestandene Spieler zur Verfügung. Nach den Abgängen von Leroy Sané und Thomas Müller, dessen Abschied am Samstag zur Hintergrundgeschichte geriet, ist die Notwendigkeit für Verstärkungen noch weiter gestiegen. Das wird auch die Konkurrenz wissen und hohe Preise für Bayerns Wunschspieler verlangen.

Immer mehr Spiele

Da im letzten Sommer die Europameisterschaft stattfand, spielen die besten Spieler der Welt nun seit zwei Jahren ohne größere Unterbrechungen durch. Jürgen Klopp nannte die Klub-WM auch deshalb kürzlich »die schlechteste Idee, die jemals im Fußball umgesetzt wurde«, und kündigte Verletzungen der Spieler an, »die sie noch nie hatten«. Um das zu verhindern, haben die Bayern-Spieler jetzt gerade einmal drei Wochen Pause, bis die Vorbereitung auf die neue Saison startet. Auch die wird sehr lang, steht im nächsten Jahr doch die WM in den USA an. Die Widrigkeiten mit der großen Hitze und dem trockenen Kunstrasen wird es wieder geben. Und es wird auch bei der WM noch mehr Spiele geben, nachdem die Anzahl der Teilnehmerländer von 32 auf 48 erhöht wurde.

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