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Grundrechte-Report 2025: Der Ton wird rauer
Initiativen stellen aktuellen Bericht zur Verletzung von Grundrechten vor
Der Ton ist rau wie lange nicht mehr – vor allem gegenüber Minderheiten und Migrant*innen fallen weitere Hemmungen zur Einschränkungen von Grundrechten. Das konstatiert der »Grundrechte-Report 2025«, den zehn zivilgesellschaftliche Organisationen am Mittwoch veröffentlicht haben. Das käufliche Buch versteht sich seit seinem ersten Erscheinen 1997 als »alternativer Verfassungsschutzbericht« und bespricht Maßnahmen oder Entscheidungen von Behörden und Gerichten.
Die diesjährige Ausgabe zeigt auf 240 Seiten: Besonders unter Druck steht die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die in einer Demokratie eigentlich erforderliche »Liebe zu Recht und Ordnung« sei durch ein »verdrießliches Mißtrauen« ersetzt worden, wie es Maximilian Steinbeis, Publizist und Geschäftsführer des Verfassungsblogs, bei der Präsentation am Mittwoch erklärte. Auf der anderen Seite breche der Staat das Völkerrecht, etwa indem der neue Bundeskanzler Friedrich Merz den wegen des Gaza-Krieges vom höchsten Weltgericht per Haftbefehl gesuchten israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Deutschland einladen will. »Jeder weiß, dass jeder weiß, dass das rechtswidrig wäre«, kommentierte Steinbeis.
Stimmen, die sich gegen den verheerenden Völkerrechtsbruch in Gaza engagieren, werden indes zum Schweigen gebracht. Exemplarisch analysiert der Bericht dazu den Umgang mit einem internationalen Palästina-Kongress, der vergangenes Jahr in Berlin von der Polizei aufgelöst wurde. Die Anweisung kam offenbar direkt aus der Senatskanzlei. Die Polizei folgte, der Rechtsstaat wich, folgert der »Grundrechts-Report«.
»Der Report will nicht nur dokumentieren, sondern zum politischen Handeln anregen.«
Charlotte Ellinghaus Juristin
Dazu thematisiert das Buch auch die Räumung eines propalästinensischen Protestcamps auf dem Gelände der Freien Universität Berlin. Studierende hatten ihr Versammlungsrecht ausgeübt, Lehrende sie darin unterstützt – beides rechtlich zulässig. Durch gezielte politische Kommunikation der damaligen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wurde der Protest mithilfe der »Bild«-Zeitung aber öffentlich diskreditiert. Das führte zu Reputationsverlust bei den Wissenschaftler*innen.
Scharf kritisiert der Report in diesem Zusammenhang die Berufung auf die sogenannte Staatsräson als vermeintlich deutsche Verantwortung gegenüber Israel. In Bayern etwa wurde einem palästinensischen Syrer die Einbürgerung verweigert, weil er sich nicht zu dieser »Staatsräson« bekannt habe. Der politisch gemeinte Begriff werde zunehmend wie ein rechtliches Konstrukt behandelt, so die Herausgeber*innen.
Brisant ist in diesem Kontext die Rolle der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus, die der Bundestag 2019 in einer Resolution angenommen hat – und die nun trotz ihrer wissenschaftlichen Fragwürdigkeit und heftigen Kontroversen insbesondere bei Israel-bezogener Kritik von staatlichen Stellen für Repressalien gegenüber Wissenschaft und Zivilgesellschaft genutzt wird.
Beleuchtet werden auch Fälle, die vor allem in rechten Kreisen Empörung auslösten. Dazu gehört eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gegen einen Funktionär der rechtsextremen Partei »Die Heimat«, der nach einem Jura-Studium nicht zum Referendariat zugelassen wurde – ohne dass eine strafbare Handlung vorlag. Ein weiterer Artikel widmet sich einem Rentner, der auf der Plattform X ein satirisch gemeintes Bild des damaligen Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) postete – mit dem Schriftzug »Schwachkopf Professional«. Eine Folge war eine Hausdurchsuchung – ein unangemessener Eingriff in die Privatsphäre, folgert der Report.
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Auch an anderen Stellen wird laut dem Bericht die Erosion der Grundrechte sichtbar: beim Umgang mit Klimacamps und der »Letzten Generation«, beim Protest gegen Rüstungsexporte, bei der Aushöhlung des Mieterschutzes und in der Asylpolitik, etwa wenn der Familiennachzug zu unbegleiteten, minderjährigen Schutzberechtigten beschränkt wird.
Sevda Can Arslan von der Mannheimer Initiative 2. Mai thematisierte bei der Vorstellung des Grundrechte-Wasserstands auch das Thema tödliche Polizeigewalt gegen psychisch kranke und rassifizierte Menschen – die Gruppe gründete sich anlässlich des Erstickens von Ante P. vor drei Jahren, während ein Polizist auf ihm kniete. »Immer mehr Menschen erkennen: Das sind keine Einzelfälle«, konstatierte Aslan mit Blick auf ähnliche staatliche Tötungen.
Doch was folgt aus dem diesjährigen Buch, das wie in den früheren Ausgaben Alarmismus ausstrahlt? Charlotte Ellinghaus, Mitglied der Vereinigung Demokratischer Jurist*innen, formulierte das Ziel der Herausgeber*innen: »Der Report will nicht nur dokumentieren, sondern zum politischen Handeln anregen.« Bekanntlich funktioniert dies nicht auf Zuruf an die Politik; es sind also wieder Bewegungen gefragt, um auf Rechtsstaatlichkeit zu drängen. Nächstes Jahr kann nachgelesen werden, wie der Staat diese Bemühungen unterdrückt hat.
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