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Hungrige Schwarze Löcher

Sie bilden das Zentrum von Galaxien, doch nicht alle Materie muss auch in sie hineinstürzen

  • Ilka Petermann
  • Lesedauer: 5 Min.
Eine grafische Darstellung des Schwarzen Lochs Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße, die auf Messungen der Polarisation des Magnetfelds beruht
Eine grafische Darstellung des Schwarzen Lochs Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße, die auf Messungen der Polarisation des Magnetfelds beruht

Galaxien sind eine reichlich bunte Mischung: mehrere hundert Milliarden Sterne, die meisten klein und rötlich glimmend, manche sonnenähnlich gelb leuchtend und ein kleinerer Anteil gleißend hell und bläulich strahlend. Viele Sterne werden zudem von einem Planetensystem umrundet, manchmal sehr ähnlich unserem Sonnensystem und manchmal mit Planeten, wie den »heißen Jupiters«, die es im Sonnensystem nicht gibt. Zu den aktiven Sternen kommen die erloschenen Himmelskörper: Weiße Zwergsterne, oft zeugt ein farbenfroher »planetarischer Nebel« von ihren dynamischen Endphasen, oder Neutronensterne mit Supernova-Überresten wie dem Krebsnebel, die von dem explosiven Ende der massereichen Sterne übrig geblieben sind. Hinzu kommen Gas- und Staubwolken, mal vielfarbig leuchtend, mal vor lauter Staub finster wie ein »Kohlensack« – so lautet der Name einer bekannten »Dunkelwolke«.

Zusammengehalten wird die Ansammlung durch die Gravitation. Aus dem Studium der Bewegung von Objekten einer Galaxie weiß man, dass zusätzlich zur sichtbaren Materie noch jede Menge »Dunkle Materie« untergemischt sein muss – eine Substanz, die sich nur über die Schwerkraft bemerkbar macht und von der man bis heute noch nicht weiß, woraus sie besteht.

Und dann sieht man noch einmal richtig schwarz: Im Zentrum von Galaxien liegt ein Schwarzes Loch, eine gewaltige Materieansammlung von millionen- bis milliardenfacher Sonnenmasse. Materie, aber auch Licht, das der gewaltigen Schwerkraft zu nahe kommt, wird unwiederbringlich »verschluckt« – was zu der Bezeichnung des »Lochs« führte.

Die Gravitationskraft eines Schwarzen Lochs verhält sich dabei jedoch wie die eines jeden anderen Körpers. Sie nimmt mit zunehmendem Abstand ab. Genauer: Die Gravitationskraft ist umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands. Ein doppelter Abstand bedeutet nur noch ein Viertel der Gravitationskraft. Objekte, zum Beispiel Sterne, können daher eine stabile Umlaufbahn um das Schwarze Loch haben.

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So konnte etwa die Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße, von Astronomen Sagittarius A* genannt, durch die Bahnkurven von Sternen auf 4,3 Millionen Sonnenmassen bestimmt werden. Der Stern S0-2 war der erste, dessen Umlaufbahn genau vermessen wurde: Er umläuft Sagittarius A* einmal in gut 16 Jahren, nähert sich ihm auf 18 Milliarden Kilometer und bringt es auf eine Geschwindigkeit bis zu 27 Millionen Kilometern pro Stunde – das entspricht fast 2,6 Prozent der Lichtgeschwindigkeit!

Ob man ein Schwarzes Loch nun doch sehen oder sogar fotografieren kann, hängt von der Umgebung ab – und seinem »Appetit«. Materie, die sich um das Schwarze Loch befindet, kann von diesem aufgesammelt, »akkretiert« werden. Da die Materie stets einen kleinen Drehimpuls mitbringt, fällt sie nun nicht einfach in das Schwarze Loch wie der Autoschlüssel in den Gully, sondern umkreist es in Form einer ausgedehnten »Akkretionsscheibe«. Durch Reibungskräfte heizt sich die Materie in der Scheibe auf bis zu zehn Millionen Grad Celsius auf und emittiert dadurch gewaltige Energiemengen in einem breiten Wellenlängenbereich – darunter Radio- oder Röntgenstrahlung. Die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs gelang etwa über Aufnahmen des »Event Horizon Telescope«, eines Netzwerks von acht bodengebundenen Radioteleskopen, die Loch und Scheibe im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Messier 87 ablichteten: 6,5 Milliarden Sonnenmassen schwer akkretiert es rund 0,1 Sonnenmassen pro Jahr, wobei die Materie auf bis zu 1000 Kilometer pro Sekunde beschleunigt wird.

Galaxien mit vergleichbar »hungrigen« Schwarzen Löchern gehören somit auch zu den leuchtkräftigsten Objekten im Universum, die sich noch über gewaltige Entfernungen beobachten lassen. Das 2021 entdeckte Objekt J0313-1806 etwa enthält ein Schwarzes Loch von 1,6 Milliarden Sonnenmassen und ist beeindruckende 13,03 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt – ein Entfernungsrekord!

Das Schwarze Loch der Milchstraße zeigt derzeit keinerlei Aktivität.

Womit man auf Fragestellungen kommt, die Astronomen und Gastronomen gleichermaßen interessieren (neben ihrer Freude an Sternen): Wie lange können Schwarze Löcher ihren gewaltigen Appetit aufrechterhalten? Oder anders: Wie startet die Akkretion, wann kommt sie zum Erliegen und kann ein Schwarzes Loch seine Umgebung auch völlig leeren?

Das Schwarze Loch der Milchstraße etwa zeigt derzeit keinerlei Aktivität, es können keine Akkretionsprozesse beobachtet werden und auch energiereiche »Jets«, eng gebündelte Materiestrahlen, die oft während aktiver Phasen einige Tausend Lichtjahre weit in die Umgebung ausgestoßen werden, gibt es nicht. Lediglich sphärische Strukturen auf der Ebene der Milchstraße (die sogenannten Fermi-Blasen), die im Gammastrahlenbereich beobachtbar sind, deuten darauf hin, dass die Milchstraße vor langer Zeit ein aktives, akkretierendes Schwarzes Loch hatte.

Kürzlich haben Wissenschaftler in der 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie SDSS1335+0728 erste Hinweise darauf gefunden, wie ein Schwarzes Loch »aufwachen« könnte. Die unauffällige Galaxie zeigte im Jahr 2019 plötzlich eine erhöhte Leuchtkraft, 2024 emittierte sie dann regelmäßige, intensive Blitze im Röntgenbereich. Bisher ist noch unklar, was die ungewöhnlichen Ereignisse ausgelöst haben könnte, die sowohl energiereicher als auch in größeren Abständen auftreten, als in anderen Galaxien zuvor beobachtet wurde. Die Beobachtungen passen damit nicht ganz zu gängigen Theorien, wonach ein massereicher Stern dem Schwarzen Loch zu nahe kam, zerrissen wurde und eine Akkretionsscheibe ausbildete. In einem anderen Ansatz vermuten Astronomen, dass SDSS1335+0728 über eine »Standardkonfiguration« aus Schwarzem Loch mit umgebender Materiescheibe verfügt. Ein umkreisender Stern könnte nun solcherart durch die Akkretionsscheibe fliegen, dass bei jedem Durchgang ein Blitz ausgesandt wird. Aber auch ganz andere, bisher unbekannte Prozesse sind möglich und so soll in weiteren Beobachtungen die Galaxie von wissenshungrigen Astronomen eingehender untersucht werden, um die energiereichen Eruptionen und damit die Schwarzen Löcher besser zu verstehen.

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