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AfD in Talkshows: Nicht mehr willkommen?
Die AfD gilt neuerdings als »gesichert rechtsextremistisch«. Sollte man ihre Leute jetzt nicht mehr in Talkshows einladen?
In dem Demokratiemodell, in dem wir uns befinden, ist mediale Aufmerksamkeit die erste und wichtigste Währung. Niemand weiß das besser als die AfD, die es von Beginn an verstanden hat, ein maximales Medieninteresse zu erzeugen. Ihr Startkapital waren dabei ein paar CDU-Hinterbänkler, die mit Angela Merkel unzufrieden waren (»Berliner Kreis«) und die Kenntnisse des Medienbusiness mit einbrachten, wie der Ex-Zeitungsherausgeber Alexander Gauland oder der langjährige »FAZ«-Redakteur Konrad Adam.
Alle naselang werden ja neue politische Grüppchen gebildet, und eine angemessene erste Reaktion auf das konservative Häuflein wäre gewesen: keine Reaktion. Die AfD hingegen genoss viel Aufmerksamkeit schon vor ihrer eigentlichen Gründung: 2012 ging eine Proto-AfD namens »Wahlalternative 2013« an den Start, und da bereits deutete sich an, dass deutsche Medien Probleme haben würden, zu ihr eine klare Haltung einzunehmen: Die »Welt« öffnete sich den CDU-Staubfängern mit sympathisierender Hingabe. Der »Spiegel« widmete der Neugründung ebenfalls einen großen Artikel, allerdings mit dem Grundton empfundener Überlegenheit, die sich keine Mühe geben zu müssen meint: »Nörgelei vom rechten Flügel«, tropfte es aus der edlen Feder, »frustrierte Konservative«, Überschrift: »Merkels Meckerecke«. Das innere Abwinken hatte der »Spiegel« direkt von den Granden der Bundestags-CDU übernommen.
Seit diesen Tagen wächst die AfD. Zunächst surfte sie auf dem Euro-Thema und lernte dann bald, rechtsextreme Provokationen zu setzen, immer in dem Wissen: Dies ist die günstigste denkbare Werbung. Egal, welches Stöckchen wir hinhalten, genügend Journalisten werden drüberhüpfen, die Empörung des Tages auf Facebook ist uns gewiss: Wer Tabus bricht, bekommt die Schlagzeilen. So durfte man seit der AfD-Gründung 2013 erstaunt mitverfolgen, wie eine Kleinpartei und ihre Themen von sämtlichen Medien so lange hochgejazzt wurden, bis sie zur Großpartei geworden war. Ihr Erfolg ist so umfassend, dass es schon zu kuriosen Rückkopplungen kommt: Heute reibt sich eine etablierte Größe wie der ZDF-Komiker Jan Böhmermann an AfD-nahen Youtubern, um sich als Faschismus-Bekämpfer zu inszenieren. Die Youtuber werden dadurch erst richtig bekannt, aber hej, was soll’s.
Der Ungeist ist ja eh raus aus der Flasche, das lässt sich nicht mehr ändern. Die Präsenz der AfD hat längst die Schwelle der Ignorierbarkeit überschritten. Dass deutsche Massenmedien einen großen Anteil daran haben, ist dabei auch klar: Zu verlockend ist es für Journalisten, rechtsextreme Standpunkte als Aufreger hochzuhalten, zu leicht sind da die Punkte gemacht. Es ist einfacher, menschenverachtende Sprüche vermeintlicher Provinzdeppen zu geißeln, als die Lage am Wohnungsmarkt oder in der Pflege zu analysieren, oder zu erklären, warum ein skrupelloser Raubzug wie das Cum-Ex-System eine Gesellschaft viel härter trifft als irgendwelche Migrationsbewegungen.
Vor Kurzem wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz die AfD als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft hat, und die Medien haben ein neues Debattierthema: Muss man nun den Umgang mit dieser Partei neu durchdenken? Darf man ihre Vertreter noch in Talkshows einladen? (Talkshows werden in Medienkreisen für eine zentrale Institution der Demokratie gehalten.) Gesprächsrunden werden einberufen, Meinungen werden abgerufen. Der Hamburger Journalistik-Professor Volker Lilienthal scheint recht froh, dass Papa Staat nun endlich ein Machtwort gesprochen und die Gefährlichkeit der AfD bestätigt hat, er will ihr den Zugang zu den heiligen Talk-Hallen versagen: »Die Podien in Talkshows, diese Wahlkämpferbühnen zur besten Sendezeit, sind seit der neuesten Einstufung durch den Verfassungsschutz als ein Verstoß gegen die geltenden Programmgrundsätze zu klassifizieren.« Und der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands DJV, Mika Beuster, meint: »Es reicht für Journalistinnen und Journalisten nicht mehr, nur objektiv und kritisch zu berichten.« Ja, aber wäre das denn nicht die Kernkompetenz von Journalistinnen und Journalisten? Sollen sie sich jetzt in Tarnanzüge kleiden, Fäuste und Transparente schwenken? Wäre nicht eine objektive, kritische Berichterstattung wichtiger denn je?
Die Kolosse der Sender sind nicht in der Lage, der AfD Paroli zu bieten? Dann sollten wir wirklich über Rundfunkgebühren sprechen.
Auffallend oft ist von »Plattform« und »Bühne« die Rede, welche der AfD nicht geboten werden solle. So nachvollziehbar der Impuls ist, was sagt er über die Medien und ihr Selbstverständnis aus? Wieso »Bühne«? Müssten die stets gern genannten Talkshows nicht eher eine »Arena« sein, vor deren Betreten die Politiker*innen gefälligst zu zittern haben? Sollten sie sich nicht eher wie im Untersuchungszimmer, wie in der Durchleuchtungsröhre fühlen? Wenn Talkshow-Gastgeber sich als Impresarios begreifen, dann sollen sie sich nicht wundern, wenn sie einen Zirkus bekommen. Wenn es ein 1000-seitiges Gutachten über die rechtsextreme Positionierung der AfD gibt, dann muss es doch möglich sein, sie im Fernsehen zu stellen und in die Ecke zu treiben? DJV-Chef Mika Beuster hat da wenig Zutrauen zu seinem Berufsstand, über die Auseinandersetzung mit der AfD sagt er: »Die alte mediale Logik, die auf der Grundlage fußt, dass vor allem demokratische Parteien im Meinungswettbewerb miteinander stehen, funktioniert hier nicht mehr – vor allem im Format der Talkshows, bei denen live nicht jede Aussage eingeordnet werden kann.«
Ja, und das wäre dann wirklich mal ein Grund, sich über Rundfunkgebühren aufzuregen. Die gut gefütterten Kolosse der Öffentlich-Rechtlichen sind nicht in der Lage, ein paar gewitzte Geister auf AfD-Inspektion zu trainieren, jede ihrer Volten bereits zu kennen, Antworten und scharfe Nachfragen parat zu haben? Ist das wirklich so schwer, wenn doch, dem Vernehmen nach, die Zukunft der Demokratie auf dem Spiel steht? Oder hat nur niemand Lust auf diese unappetitliche Aufgabe, während die Kolleg*innen Schnittchen mit der SPD essen gehen ...
Lilienthal und Beuster bleiben nicht unwidersprochen. Der Medienrechtler Dieter Dörr findet, der öffentlich-rechtliche Rundfunk stehe sehr wohl für Demokratie und Menschenwürde ein, auch wenn er Vertreter einer rechtsextremen Partei einlade. »Dies geschieht beispielsweise durch die Wahl der Fragestellung und Kommentierung in einer Sendung.« Die journalistische Verantwortung schließe auch die Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Ansichten ein.
Die mittlerweile ausgestiegene Talkshow-Veteranin Anne Will kann es im Nachhinein selbst nicht mehr verstehen, wie lange man in ihrer ARD-Redaktion einen AfD-Boykott gepflegt hat, mahnt aber auch: »Ich würde immer raten, sie zu Themen einzuladen und nicht zu sich selbst.« Über die Einstufung durch den Verfassungsschutz würde sie daher nicht mit ihnen sprechen, wohl aber über Rentenpolitik, Arbeitsmarktpolitik oder Gesundheitspolitik. »Das war schon immer der richtigere Weg, mit der AfD umzugehen.«
Ähnlich sieht es Branchenkenner Alexander Teske, Autor des Buchs »Inside Tageschau. Zwischen Nachrichten und Meinungsmache«, der auf telepolis.de fragt: »Wo sind die inhaltlichen Positionen der Partei zu Lehrermangel, Schwangerschaftsabbruch, Mindestlohn, Tempolimit oder der Digitalisierung?« Er findet: »Eine Talkshow-Moderatorin sollte für ihre Gage von etwa 15 000 Euro pro Sendung in der Lage sein, sich mit einem AfD-Politiker auseinanderzusetzen. Aber in vielen Redaktionen scheint ein Unwille, ja eine Angst zu herrschen, dabei könne etwas schiefgehen.«
Ach so? Sollte es etwa schwierig sein, in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Leute zu finden, die für irgendetwas stehen, die Mut und Rückgrat und Biss haben? Sollten in den Redaktionen nur Windhosen und Windbeutel zu finden sein? Das wäre dann tatsächlich ein Problem, aber erstaunt wäre man wenig.
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