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Berliner Landespokalfinale: Die senile Ballflucht der Dorfkicker
Beim Landespokalfinale zwischen dem BFC Dynamo und Eintracht Mahlsdorf war Zeit für die ganz großen Gefühle und Gedanken
Der DFB hat mit dem Finaltag der Amateure ausnahmsweise mal etwas Gutes geschaffen. Die Übertragung der Spiele in der ARD schafft Aufmerksamkeit und bringt den Clubs Geld. Wo in dunkler Vergangenheit vier Trunkenbolde Pokalsiege bejubelten, finden sich heute selbst im tiefschwarzen Bayernlande über 1000 Menschen ein, um den lokalen Ballungeheuern beim munteren Gerangel ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken.
In Berlin sah das ausverkaufte Mommsenstadion 8400 Zuschauer, von denen drei Viertel für den BFC waren. Dynamo wird im Sommer viele seiner Spieler abgeben, einige haben bereits Verträge bei ihren neuen Klubs unterschrieben. Das Spiel stotterte über weite Strecken öde und langweilig vor sich hin, die scheidenden BFC-Kicker waren anscheinend nicht mehr bei der Sache. Es hätte für den BFC leicht schiefgehen können, wenn der Gegner mit etwas Mut nach vorn gestürmt wäre. Tat er aber nicht. Mahlsdorf spielte Kaninchen vor der Schlange und lud den BFC zum Finalsieg ein. Selten hat sich ein Underdog so schlecht verkauft. Der erste Torschuss des BFC saß, danach kam von Mahlsdorf außer einer gelbroten Karte nichts mehr.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Der BFC sah über weite Strecken gemeinsam mit Mahlsdorf den Gänseblümchen beim Wachsen zu. Fast hätten sich die Spieler an der Hand genommen und den Ringelreihen des Eskapismus getanzt. Spät bestrafte der Favorit die senile Ballflucht der Dorfkicker mit dem zweiten Tor. Immerhin kamen die Mahlsdorfer mal in den Genuss der schönen Westberliner Luft. Das mag ihnen als Trost bleiben. Der Anhang des BFC feierte den Pokalsieg mit Platzsturm und munteren Gesängen. Es war schon etwas überraschend, wie der im Ligaalltag oft behäbige Dynamo-Anhang tirilierte. Die Alten warfen ihre Krücken weg, Blinde konnten wieder sehen und riskierten einen Bocksprung, dass die gichtigen Knochen knatterten. Weil so ein Pokalsieg dem BFC einen Platz in der Hauptrunde des DFB-Pokals nebst feiner sechsstelliger Prämie beschert, schwang selbst der gestrenge Vorstand das Tanzbein und zeigte Zahngold.
Das Geld verschafft ein wenig Spielraum für die Zukunft. Ja, ihr Lieben, die wunderbare Zukunft, sie leuchtet am Horizont, was kann es Schöneres geben, schon Mitte Juni ist für die Viertligakicker der Urlaub zu Ende, weil bereits im Juli der/die Schiedsrichter/in den ersten Spieltag der neuen Saison anpfeifen wird. Nun kann der BFC fleißig verheißungsvolle Jungkicker verpflichten, denen weinrote Lava durch die Adern fließt, die den Traum vom Profifußball noch nicht aufgegeben haben.
Bis dahin wird unsere Fußballleidenschaft mager glimmen, aber nicht erlöschen. In etwas mehr als einem Monat wird sie uns wieder einholen, so wahr wie der Teufel drei goldenen Haare auf seinem kahlen Schädel trägt, der sich wegen der Hörner nicht zum Kopfball eignet. Der wahre Teufel spielt nicht selbst, er lässt spielen, er lässt die Kicker tanzen, die Fans frohlocken. Weil es nichts Huldvolleres gibt, als verträumt auf den Traversen zu stehen und die schmucke Seilschaft in den heiß geliebten Farben anzubeten. Um mit Nietzsche zu sprechen: Es geht nichts über die ewige Wiederkunft des Gleichen.
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