Mietvertrag gekündigt: »Moabit hilft« geht, bleibt aber aktiv

Verein verlässt Räume nach jahrelangem Streit um Mietvertrag – trotz eines verbesserten Angebots

Auch ohne die Räume in der Turmstraße wird »Moabit hilft« weiterarbeiten.
Auch ohne die Räume in der Turmstraße wird »Moabit hilft« weiterarbeiten.

Das Angebot war nicht gut genug. Die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH war zwar auf »Moabit hilft« zugegangen und vor rund 14 Tagen auf einmal bereit, den von der Initiative geforderten langfristigen Mietvertrag einzugehen. Aber der Verein hat sich dagegen entschieden, das Angebot anzunehmen, und räumt den Funktionsbau in Landesbesitz auf dem ehemaligen Klinikgelände an der Turmstraße in Moabit zum 15. Juni. Seit 2018 hat die bekannte Nichtregierungsorganisation die Räume bespielt. Aber auch ohne Räume wird der Verein seine Arbeit weitermachen.

»Die BIM hat sich in den letzten Wochen sehr offen gezeigt«, sagt Diana Henniges zu »nd«. Man sei verwundert darüber gewesen, dass nach so vielen Jahren auf einmal ein Gespräch auf Augenhöhe zustande kam. »Sicherlich auch wegen des öffentlichen Drucks«, vermutet Henniges, die Gründerin und eine von drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Vereins ist. »Wir haben ganz ehrlich nicht mit einem Entgegenkommen gerechnet.«

Die BIM wäre bereit gewesen, das Gebäude zu vergünstigten Konditionen zu vermieten. Ein Betriebskostenanteil von rund 1200 Euro hätte »Moabit hilft« monatlich zahlen müssen. Noch im März war bekannt geworden, dass die BIM den Mietvertrag zu Ende Mai gekündigt hatte, wofür der verantwortliche Finanzsenator sich heftige Kritik aus der Opposition einfing. Aber das Verhältnis zwischen BIM und Verein war schon vorher schwierig. Der ursprüngliche Mietvertrag wurde immer nur kurzfristig verlängert, und auch das nur stillschweigend. »Wir haben vor vier Jahren angefangen zu verhandeln«, sagt Henniges.

»Sozialämter schließen für Monate, Leistungen werden ausgesetzt. Es ist verrückt, was für Dinge passieren in dieser Stadt.«

Diana Henniges  Moabit hilft

Das Angebot hat die zwölf stimmberechtigten Vereinsmitglieder nicht überzeugt. Um die vergünstigten Konditionen formal zu rechtfertigen, hätte »Moabit hilft« sämtliche Rechnungen und Kontoauszüge zu vorgenommenen Renovierungsausgaben vorlegen müssen. Ein Eingriff in die Unabhängigkeit des Vereins, wie die Mitglieder befanden. »Unsere Unabhängigkeit – gerade auch im Umgang mit Mitteln und Ressourcen – ist ein grundlegender Bestandteil unserer Arbeit«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Es geht aber auch um eine ganz grundsätzliche Frage: »Warum sollen wir jeden Monat 1200 Euro dafür zahlen, dass wir dringend notwendige Arbeit für die Stadt machen?«, fragt Henniges. Mit Geld, das der Verein nur über Spenden aufbringt. »Alles Gelder, die nichts mit irgendeinem Bundes-, Landes- oder Bezirkshaushalt zu tun haben.« Allein in den vergangenen Jahren habe man schon 190 000 Euro an Miete gezahlt, zusätzlich dazu 40 000 Euro an Renovierungskosten. »Die Senatsverwaltungen hätten sich einigen müssen, wer diese Betriebskosten zahlt. Damit hätten sie ein Statement setzen können – haben sie aber nicht.« Man hätte auch zahlen können, aber das wolle man nicht, so Henniges. »Wenn wir darum betteln müssen, dass die Stadt uns eine Schrottimmobilie zur Verfügung stellt, dann ist es vielleicht auch mal gut.«

»Wir haben gesagt, dass wir unser Geld lieber in die Menschen individuell investieren, so wie wir das in unserer Satzung formuliert haben«, so Henniges. Der Verein springt dort ein, wo die Sozialsysteme kollabieren. »Sozialämter schließen für Monate, Leistungen werden ausgesetzt. Es ist verrückt, was für Dinge passieren in dieser Stadt.« Der Verein müsse Menschen die Miete zahlen, Lebensmittel besorgen.

Letztendlich spielen auch Frust und mangelnde Wertschätzung für die riesige ehrenamtliche Arbeit des Vereins eine Rolle. »Wir haben jahrelang in einer Bittstellersituation auf Knien kriechend darum gebeten, diese Immobilie zumindest zu einem würdigen Preis zur Verfügung gestellt zu bekommen«, sagt Henniges. Aber mit dem Senat habe es zu keinem Zeitpunkt Gespräche gegeben – weder aus der Sozialverwaltung, noch aus der Finanzverwaltung. »Ich glaube, für uns alle war es an der Zeit zu sagen: bis hierhin und nicht weiter.«

Elif Eralp, Sprecherin für Migration der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sagt »nd«, dass »Moabit hilft« die Räume verlassen müsse, sei ein »Armutszeugnis« für den Senat. Die wichtige Arbeit für Geflüchtete werde dadurch geschwächt. »Dafür trägt der Senat die Verantwortung, der viel zu spät reagiert und über die BIM erst jetzt Angebote an ›Moabit hilft‹ gemacht hat, obwohl unter anderem ich schon im Sommer letzten Jahres den Senat auf die Situation hinwies und um Lösungen für den wichtigen Verein bat.«

Auch ohne Raum wird »Moabit hilft« weitermachen. Dass es nicht mehr vor Ort weitergehen werde, sei sicherlich ein Verlust, so Henniges. »Was wir auf jeden Fall wollen, ist ein selbstverwalteter Safespace für Geflüchtete, da sind wir auch schon dran.« Ob der Verein erneut eine Immobilie anmieten wird, wird erst auf der nächsten Mitgliederversammlung entschieden. Angebote gibt es bereits. »Aber wenn, dann bezahlen wir lieber an die Privatwirtschaft als an die Stadt.«

Aber in den vergangenen Jahren hat sich auch die Arbeit von »Moabit hilft« verändert. »Wir haben uns dezentralisiert«, sagt Henniges. Viele der Angebote seien auf verschiedene Immobilien und Co-Working-Spaces verteilt. Die Sozial- und Asylberatung läuft weiter wie bisher. Und auch die aufsuchende Arbeit in Unterkünften wird der Verein weiterführen, genauso wie die politische Lobbyarbeit in den Bezirksverordnetenversammlungen und dem Abgeordnetenhaus. »Wir gehen nicht verloren. Wir sind genauso politisch hartnäckig wie vorher.«

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