Brandenburg-Polen: Zurückweisungen oder Abschiebelager

Brandenburgs neuer Innenminister René Wilke stellt das erst neu eröffnete Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt zur Debatte

Im Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt werden Rückführungen von Asylsuchenden vorbereitet, die bereits in Polen registriert wurden.
Im Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt werden Rückführungen von Asylsuchenden vorbereitet, die bereits in Polen registriert wurden.

Brandenburgs neuer Innenminister René Wilke (parteilos) hat sich erneut zurückhaltend über den Weiterbetrieb des Dublin-Zentrums in Eisenhüttenstadt geäußert. Wilke stellte im Interview mit dem Sender RBB angesichts verstärkter Kontrollen an der polnischen Grenze den Zweck der Ausreiseeinrichtung infrage. Durch die Kontrollen reisten weniger Asylsuchende nach Brandenburg ein, sagte er.

Das Dublin-Zentrum sei vor der Verschärfung der Grenzkontrollen erdacht worden, erklärte Wilke. Von hier aus sollten eigentlich Personen, die bereits in einem anderen EU-Staat – vornehmlich in Polen – als Geflüchtete registriert wurden, zurückgeführt werden. »Mit den verstärkten Grenzkontrollen ist es aber so, dass diese Personengruppe gar nicht erst in das Land rein kann«, erläuterte Wilke. Er wolle nun die Sinnhaftigkeit und damit auch weitere Investitionen in das Ausreisezentrum prüfen, »nicht weil weniger Rückführungen gemacht werden sollten, sondern weil diese Art der Rückführungen schon auf einem anderen Weg jetzt passiert«.

Erst im März war das Dublin-Zentrum auf dem Gelände der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt eröffnet worden. Bis zu 150 Personen können in dem Neubau unterkommen. Von hier aus soll ihre Rückführung in das Land vorbereitet werden, in dem sie zuerst den Boden der Europäischen Union betreten haben.

Mitte Mai, zwei Monate nach der Eröffnung, waren nach Angaben von Ausländerbehördenchef Olaf Jansen 33 Menschen im Dublin-Zentrum registriert, 15 von ihnen haben sich dem Zugriff der Behörden wieder entzogen. Aus dem Dublin-Zentrum, das keine geschlossen Einrichtung ist und das die Registrierten frei betreten und verlassen können, sind bisher drei Personen nach Polen abgeschoben worden.

Innenminister Wilke hatte bereits mit seinem Amtsantritt am 22. Mai angekündigt, die Investitionen für die Einrichtung gestoppt zu haben, und dafür Lob von den Brandenburger Grünen erhalten. Es sei richtig, »genau hinzuschauen, ob Einrichtungen wie das Dublin-Zentrum den heutigen Herausforderungen gerecht werden und ob sie menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen«, hatte die Grünen-Landesvorsitzende Andrea Lübcke erklärt.

»Dass Menschen, die ihr Bleiberecht nie hatten oder verwirkt haben, das Land verlassen müssen, war schon immer meine Position.«

René Wilke (parteilos) Innenminister von Brandenburg

Das RBB-Interview legt nun aber nahe, dass weniger humanistische als bürokratische und ökonomische Motive den neuen Innenminister zur Überprüfung der Einrichtung veranlasst haben. »Dass Menschen, die ihr Bleiberecht nie hatten oder verwirkt haben, das Land verlassen müssen, war schon immer meine Position«, sagte Wilke.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte die Verschärfung der seit 2023 durchgeführten Grenzkontrollen angewiesen und damit Kritik im Nachbarland hervorgerufen. Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte Polens Ministerpräsident Donald Tusk in Aussicht gestellt, seinerseits die Einreisenden aus Deutschland zu kontrollieren. Der »Spiegel« berichtete Mitte Mai von zwei Fällen, in denen Polen die Rücknahme von Asylbewerbern verweigert hatte, sodass die Personen zur Erstaufnahme nach Eisenhüttenstadt gebracht wurden.

Brandenburgs Innenminister René Wilke sagte mit Blick auf die Grenzübertritte: »Die Zahlen gehen ja jetzt schon stark nach unten, in den letzten Wochen und Monaten sieht man das ganz deutlich.« Sowohl das generelle Zeichen, das von Deutschland nun ausgehe, als auch die konkreten Maßnahmen hätten eine Wirkung.

Eine Studie mehrerer Sozialwissenschaftler*innen kam jüngst zu dem Schluss, dass weniger die Grenzpolitik der EU als die Situation in den Herkunftsländern die Entwicklung der Asylantragszahlen beeinflusse. In der EU wie auch in Deutschland war die Zahl 2022 und 2023 deutlich gestiegen und 2024 leicht zurückgegangen. Die mit der Studie befassten Sozialwissenschaftler*innen nannten etwa die Entspannung der Lage in Syrien als einen Faktor.

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Seit September 2024 finden an allen deutschen Grenzen Kontrollen statt. An der Grenze zu Polen, Tschechien und der Schweiz kontrolliert die Bundespolizei seit 2023, an der Grenze zu Österreich seit 2015. Das Schengener Abkommen der EU sieht eigentlich den Verzicht von Grenzkontrollen als Voraussetzung für einen starken Binnenhandel, den Tourismus und gemeinsame Parameter in der Sicherheitspolitik vor.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat die Grenzkontrollen als eine Zwischenphase beschrieben. Sowohl die deutsche als auch die polnische Führung streben eine gemeinsame EU-weite Anstrengung für mehr Kontrollen und Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen an.

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