Aufrüstung bis zum Klimakollaps

Laut Melanie Jaeger Erben stellt weltweite Militarisierung ein Problem für das Klima dar

Der Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehrbei einer Übung
Der Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehrbei einer Übung

Es gibt Nachrichten, bei denen man sich fragt, ob sie aus einem dystopischen Roman stammen. Leider ist die folgende keine davon: Die globalen Militärausgaben sind laut einem neuen Bericht des Conflict and Environment Obseravatory 2024 erneut gestiegen – auf über 2,7 Billionen US-Dollar. Ein Rekordwert. Und Deutschland liegt mit 88,5 Milliarden Dollar international auf einem der vorderen Plätze. Mehr Panzer, mehr Drohnen, mehr Raketen – für manche eine beruhigende Absicherung für einen möglichen Ernstfall. Anderen vermittelt es eher ein mulmiges Gefühl, wenn man bedenkt, dass genau dieser Ernstfall mit diesen Mitteln überhaupt erst möglich wird. Bei den Debatten über Zeitenwende und Verteidigungsfähigkeit rückt ein Aspekt meist an den Rand: die klimapolitischen Folgen militärischer Aufrüstung.

Der militärische Sektor ist einer der größten institutionellen Emittenten von Treibhausgasen weltweit – Schätzungen sprechen von fünf bis sechs Prozent der globalen Emissionen. Dennoch bleibt das Militär weitgehend aus internationalen Klimabilanzen ausgenommen, etwa im Rahmen der UN-Klimaberichterstattung. Hier zeigt sich ein struktureller Widerspruch: Während sich Staaten zu ambitionierten Klimazielen bekennen, wird ein emissionsintensiver Bereich systematisch ausgeklammert – vorgeblich aus Gründen der Geheimhaltung.

Melanie Jaeger-Erben

Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.

Dass in einer Zeit multipler globaler Krisen – Klimawandel, Ressourcenknappheit, soziale Ungleichheit – das Militär massiv ausgebaut wird, wirft Fragen auf: Welche Art von Sicherheit verfolgen wir? Und mit welchen Mitteln?

Die Produktion von Waffen ist energieintensiv, ressourcenfressend und chemisch oft hoch belastend. Der Einsatz – siehe Ukraine, Gaza, Syrien – zerstört nicht nur Menschenleben, sondern auch Ökosysteme, Wasserinfrastrukturen, Agrarflächen. Der Wiederaufbau ist CO2-intensiv, oft Jahrzehnte verzögert, manchmal gar nicht möglich. Der CO2-Fußabdruck eines Krieges ist nachhaltig.

Und dennoch: Aufrüstung erscheint heute als alternativlos, Abschreckung durch Gewaltandrohung wird als notwendig dargestellt, um ein fragiles internationales Gefüge zu stabilisieren. Wer an dieser Stelle nach Alternativen fragt, wird schnell als naiv belächelt. Dabei ist es doch naiv zu glauben, dass sich globale Sicherheit durch permanente Eskalationsbereitschaft herstellen ließe – und dass dabei ausgerechnet die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden dürfen.

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Man kann natürlich nicht einseitig abrüsten. Das wäre in der internationalen Politik ungefähr so sinnvoll, wie mit Samthandschuhen beim Boxturnier zu erscheinen. Zu tief ist der militärische Apparat als machtstabilisierendes Arrangement in nationale Identitäten und geopolitische Kalküle eingebaut.

Und doch braucht es mutige Strategien, wie diese Struktur langfristig verändert werden kann. Wer ernsthaft von Nachhaltigkeit spricht, muss Pfadabhängigkeiten hinterfragen – und Szenarien entwickeln, in denen Sicherheit nicht durch Abschreckung, sondern durch Kooperation entsteht. Friedens- und Klimapolitik gehören in dieser Perspektive enger zusammen, als es gegenwärtige Haushaltsprioritäten vermuten lassen. Denn das eigentliche Drama ist nicht, dass die Welt sich verteidigt. Sondern dass sie sich dafür systematisch unbewohnbar macht.

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