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Ressourcen in der Pflege teils ungenutzt
Fachverband fordert gesetzliche Stärkung von Handlungskompetenzen für Pflege-Profis
In der Pflege sind weiterhin die Probleme umfassend beschrieben, aber von einer guten Lösung noch weit entfernt. Darunter die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung, die Stärkung der Angehörigenpflege oder die Aufwertung der Pflegeberufe sowie anhaltender Personalmangel. Wie ist zu erreichen, dass die Politik endlich in die Gänge kommt und vorhandene Gesetzentwürfe zügig verabschiedet?
Viel mehr als der Koalitionsvertrag und allgemeine Absichtserklärungen etwa der neuen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sind noch nicht greifbar. Nun bietet die in dieser Woche stattfindende Gesundheitsministerkonferenz die Gelegenheit, den Ressortchefs aus den Ländern einiges mit auf den Weg zu geben. Ebenso der Bundesgesundheitsministerin, die als ständiger Gast qua Amt dort ebenfalls zugange ist.
»Das Potenzial der Pflege für die Prävention ist bislang völlig ungenutzt.«
Christine Vogler Deutscher Pflegerat
Der Deutsche Pflegerat nutzte den bevorstehenden Termin und forderte am Dienstag in Berlin, dass die Bundesregierung das Thema Pflege in der Verfassung verankern sollte. Das würde die Wichtigkeit des Themas unterstreichen, so die kürzlich in ihrem Amt bestätigte Pflegeratspräsidentin Christine Vogler.
Drei Gesetzesvorhaben sind es, die aus Voglers Sicht noch 2025 verabschiedet werden sollten: zunächst das Pflegekompetenz- und das Pflegeassistenzgesetz, zu denen Vorarbeiten aus der letzten Legislaturperiode vorliegen. In ersterem geht es darum, dass Pflegefachpersonen künftig selbstständiger als bisher, abgestuft nach Qualifikation, erweiterte heilkundliche Leistungen erbringen können. Sie würden damit zum Beispiel gegenüber den Ärzten gestärkt.
Ideen und Vorschläge der Pflegeratspräsidenten zu dem Thema gehen noch weiter. Sie fragt unter anderem, ob nicht auch qualifizierte Pflegekräfte über eine Änderung des Pflegegrades entscheiden könnten: »Die Kolleginnen und Kollegen sehen die Pflegebedürftigen teils täglich und nehmen Veränderungen deutlich wahr. Hier könnten viele Ressourcen gespart werden.«
Das zweite Gesetz soll die Ausbildung zur Pflegeassistenz vereinheitlichen. Diese ist kürzer als bei den examinierten Pflegekräften und soll den Einstieg in den Beruf erleichtern, also auch bei Schulabschlüssen unterhalb des Abiturs. Zuletzt war angedacht worden, sogar Menschen ohne jeden Schulabschluss hier den Zugang zu ermöglichen – unter heftigen Protesten von Pflegeverbänden. Die geplante Regelung der Pflegeassistenz soll unter anderem auch ausländische Pflegekräfte anziehen.
Ein drittes gewünschtes Gesetz ist ebenfalls im Koalitionsvertrag vermerkt. Dabei geht es um die Etablierung eines neuen Berufsbildes, der sogenannten Advanced Practice Nurse. Diese akademische Weiterbildung von Fachkräften in der Pflege, die unter anderem Leitungsfunktionen übernehmen oder spezielle Versorgungsbereiche verantworten, ist international bereits etabliert. Teilweise gibt es derartige Studiengänge schon in Deutschland. Der Einsatz der Absolventen, vor allem über den klinischen Bereich hinaus, bedarf allerdings noch einer Regelung.
Für die Umsetzung der Gesetze brauche es auch die Länder, meint Vogler und erwähnt unter anderem Pflegeschulen und deren Finanzierung sowie die Anerkennung neuer Berufsbilder wie auch neue Versorgungsmodelle.
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Ein weiteres wichtiges Thema aus Sicht des Pflegerates ist die Selbstorganisierung. Pflegekammern müssten dort gestärkt werden, wo sie be- oder entstehen. »Wenn es keine gibt, sollte geschaut werden, welche Strukturen sich alternativ anbieten.« Für jede Planung im Gesundheitsbereich sei es nötig, Fachpersonen zu erfassen und zu registrieren. »Weil wir das nicht haben, ist es heute noch möglich, dass Menschen 40 Jahre in der Pflege arbeiten, ohne eine einzige Fortbildung zu besuchen.«
Vor der Gesundheitsministerkonferenz sicherte deren aktuelle Vorsitzende, Ministerin Katharina Schenk (SPD) aus Thüringen, dem Pflegerat an vielen Punkten Unterstützung zu. Schenk stört bei dem Thema unter anderem die ungelöste Finanzierungsfrage: »Wenn am Ende die teils geringen Vermögen der Pflegebedürftigen verbraucht sind und die Rente nicht reicht, werden Heimbewohner zum Sozialfall. Das ist für Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, bitter. Am Ende belasten die nötigen Ausgaben die kommunalen Haushalte.« Auch über diese Verbindung werde Pflege zum gesamtgesellschaftlichen Problem.
Zur Zukunftssicherung gehören hingegen für den Pflegerat nicht nur Fragen der Ausbildungsregulierung oder auch der Personalbemessung. Man müsse zudem verhindern, dass Menschen überhaupt pflegebedürftig werden, so Vogler: »500 000 Pflegefachpersonen gehen jeden Tag in Haushalte – dieses Potenzial ist bis jetzt für die Prävention völlig ungenutzt.« Passgenauer Rat könnte Pflegebedürftigen als auch Angehörigen helfen.
Damit diese und weitere Ressourcen der Pflege gesichert werden, müsse die Profession auch auf Bundesebene gehört werden. Im Unterschied zu anderen Gesundheitsberufen fehle es an einer gesetzlich fest verankerten, institutionellen Stimme, erklärte die Pflegeexpertin.
Der Deutsche Pflegerat stünde auf Bundesebene bereit, in Gremien, bei Gesetzesvorhaben und in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens mitzuwirken. Aktuell geht es auch um die Mitarbeit in der geplanten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform. Der Pflegerat, ein Zusammenschluss von 22 Verbänden, wickelt zurzeit vieles im Ehrenamt ab. Die bisherige finanzielle Förderung des Bundestages läuft in diesem Jahr aus – wenn sie nicht verlängert wird.
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