Werbung

Diäten in Brandenburg: Politiker deckeln ihre Bezüge nur mäßig

Diäten der Landtagsabgeordneten sollen künftig in einem Jahr nicht mehr als 3,5 Prozent steigen dürfen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
88 Abgeordnete mal 9800 Euro im Monat – macht rund zehn Millionen Euro Diäten im Jahr.
88 Abgeordnete mal 9800 Euro im Monat – macht rund zehn Millionen Euro Diäten im Jahr.

Um 5,7 Prozent seien die Bezüge der Landtagsabgeordneten zum 1. Januar 2025 erhöht worden und davor um 4,4 Prozent zum 1. Januar 2024, erinnert Falk Peschel, parlamentarischer Geschäftsführer der Brandenburger BSW-Fraktion. »Das sind Sprünge, die wir für unangemessen halten«, erklärt Peschel am Dienstag. Aktuell erhält jeder Abgeordnete eine sogenannte Diät von 9800 Euro monatlich.

Damit nicht weiter der Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität der Politiker entsteht, sind in Brandenburg die Bezüge der Abgeordneten schon vor Jahren an die allgemeine Entwicklung der Einkommen und der Verbraucherpreise im Bundesland gekoppelt worden. Zugrunde gelegt werden für die Erhöhung der Diäten vom Statistikamt gelieferte Daten.

Künftig soll die auf diese Weise mögliche Erhöhung nun bei 3,5 Prozent gedeckelt werden. Höher dürfte sie nicht mehr ausfallen. Entsprechend wollen die Koalitionsfraktionen SPD und BSW sowie die oppositionelle CDU-Fraktion das Abgeordnetengesetz ändern. Das BSW hätte sich eine noch größere Zurückhaltung gewünscht und eine Deckelung bei 2,5 Prozent oder maximal drei Prozent vorstellen können, sagt Peschel. Am Prinzip der Koppelung der Diäten an Löhne und Preise will er aber festhalten. Es ist seiner Einschätzung nach »sehr transparent«. Theoretisch könnten die Diäten mit dem gewählten Verfahren auch einmal sinken, was nach Kenntnis von Peschel bisher aber noch nie vorgekommen ist.

BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders fügt hinzu, es wäre immer möglich, ganz auf eine Erhöhung der Diäten zu verzichten. Gegeben hat es solche Beschlüsse des Landtags während der Corona-Pandemie, als viele Brandenburger von existenziellen Sorgen geplagt waren und eine Diätenerhöhung anstößig gewirkt hätte.

Auch der SPD-Abgeordnete Ludwig Scheetz will grundsätzlich daran festhalten, die Höhe der Diäten von der allgemeine Entwicklung abhängig zu machen. Dieses Verfahren habe sich »bewährt«, argumentiert er. Den Gesetzentwurf zur Deckelung bei 3,5 Prozent hat Scheetz gemeinsam mit Falk Peschel und dem CDU-Abgeordneten Steeven Bretz ins Parlament eingebracht. Sie sind die Geschäftsführer ihrer Fraktionen.

»Auch gedeckelte Privilegien bleiben Privilegien. 3,5 Prozent mehr im Jahr sind für viele Menschen in Brandenburg schlicht zynisch.«

Sebastian Walter Linke-Landeschef

Die Linksfraktion hatte sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Diätenerhöhungen ausgesprochen. Wenn sie überstimmt wurde, zahlten ihre Abgeordneten den erhaltenen monatlichen Mehrbetrag in einen Fonds ein, aus dem soziale Projekte Unterstützung erhalten konnten.

Wenige Tage vor der Landtagswahl im September 2024 kündigte Linksfraktionschef Sebastian Walter dann einen radikalen Schritt an. Demnach sollten die künftigen Landtagsabgeordneten seiner Partei nur einen Arbeiterlohn von 2500 bis 3000 Euro monatlich für sich behalten und die restliche Summe spenden. Daraus konnte aber nichts werden, weil die Linkspartei mit knapp drei Prozent der Stimmen ihren Wiedereinzug in den Landtag verpasste.

Jetzt sagt Sebastian Walter: »Während Lehrerstellen gekürzt, Bahnverbindungen gestrichen werden und Pflegekräfte am Limit sind, gönnen sich SPD, CDU und BSW eine automatische Diätenerhöhung – und nennen das auch noch Deckelung.« Walter meint: »Auch gedeckelte Privilegien bleiben Privilegien. 3,5 Prozent mehr im Jahr sind für viele Menschen in Brandenburg schlicht zynisch.« Wer die soziale Lage im Land kenne, käme nicht auf die Idee, sich selbst Jahr für Jahr automatisch mehr Geld zu überweisen, findet Walter, der weiterhin Landesvorsitzender der Linken ist. »Dieses Verfahren gehört nicht reformiert, sondern abgeschafft – sofort! Politik darf kein Selbstbedienungsladen sein, sondern muss sich zuerst an denen orientieren, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen.«

Unter den nur noch vier im Landtag vertretenen Fraktionen protestiert jetzt allein die AfD. So wie die AfD es immer gehalten habe, seit sie 2014 in den Landtag einzog, lehne die Partei eine Erhöhung der Diäten wieder ab, versichert Fraktionsgeschäftsführer Dennis Hohloch. Die Abgeordneten seien bereits gut versorgt. Hohloch rechnet vor, dass es mit einer Erhöhung von 3,5 Prozent immer noch einen Aufschlag von mehr als 300 Euro monatlich geben würde.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

»Ich bin ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht, dass das BSW da mitmacht«, ergänzt AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt. »Das hätte ich denen nicht zugetraut.«

Einen Sozialfonds, in den die Erhöhung fließt, soll es bei der AfD indessen nicht geben. Es werde den einzelnen Abgeordneten selbst überlassen, für was und wen sie Geld spenden, sagt Hohloch.

BSW-Politiker Peschel berichtet derweil, die AfD habe mehr Stellen für Wahlkreisabgeordnete gewünscht. Statt 1,5 Stellen, die bisher jedem Abgeordneten für sein Wahlkreisbüro zugebilligt werden, hätten es zwei Stellen sein sollen. Bei insgesamt 88 Abgeordneten hätte das Peschel zufolge 44 zusätzliche Mitarbeiter bedeutet. Dies hätte bei der üblichen Bezahlung nach Entgeltgruppe E13 eine siebenstellige Summe verschlungen.

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.