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Trommelfeuer gegen Sozialdemokraten in Spanien
Spanische Regierung immer heftiger unter Druck von rechts und links
Das Trommelfeuer auf die sozialdemokratische Regierung unter Pedro Sánchez aus dem rechten Spektrum in Spanien erreicht immer neue Höhepunkte. Nach einer Großdemonstration der rechten Volkspartei (PP) am Sonntag in Madrid hat ein der PP nahestehender Richter am Montag beschlossen, den von der Regierung ernannten Generalstaatsanwalt Álvaro García Ortiz auf die Anklagebank zu setzen. Der Untersuchungsrichter am Obersten Gerichtshof Ángel Hurtado will einen Geheimnisverrat durch ihn sehen.
Es ist ein eher lächerlicher Vorgang in einem Land, dessen Justiz ständig Vorgänge an die Presse durchsticht. Beschuldigte erfahren oft aus der Zeitung davon. Ermittlungen wegen Geheimnisverrats sind selten. Ohnehin kann sich Hurtado nur auf wachsweiche Indizien stützen, denen zufolge der Generalstaatsanwalt ein Schreiben an die Presse durchgestochen haben soll.
Nur vage Indizien gegen den Generalstaatsanwalt
Darin hatte der Lebensgefährte der Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso einen doppelten Steuerbetrug zugegeben. Ayuso gehört zur Parteispitze der rechten PP und Hurtado hat in diversen Fällen alles getan, um hohe PP-Mitglieder zu schützen. In diesen Rahmen ordnen viele Beobachter den Vorgang ein. Der Richter wollte auch im großen »Gürtel«-Korruptionsskandal der PP deren »System institutioneller Korruption« nicht sehen, für das sie schließlich verurteilt wurde.
Es nützte dem Generalstaatsanwalt nichts, dass sechs Journalisten ausgesagt haben, das Dokument längst in den Händen gehalten zu haben, bevor Ortiz Kenntnis davon erlangte. Diese Aussagen verwarf der Richter, um die Doktrin seines Gerichtshofs auszuhebeln, wonach eine Information kein Geheimnis mehr ist, wenn sie schon zirkuliert. Er legte nur vage Indizien dafür vor, dass der Generalstaatsanwalt etwas mit der Veröffentlichung zu tun gehabt haben könnte. Er behauptet aber, dass Ortiz auf Anweisung »aus dem Präsidium der Regierung« gehandelt habe. Dafür hat er, so arbeitet es der renommierte Verfassungsrechtler Javier Pérez Royo heraus, »nicht ein Indiz« vorgelegt.
Kriegsführung mit juristischen Mitteln
Royo hatte, wie andere hochrangige Juristen, immer wieder den »lawfare« in Spanien kritisiert. Das wird als Kriegsführung mit juristischen Mitteln bezeichnet, um politische Gegner kaltzustellen. Der »lawfare« hat sich auch schon direkt gegen die Familie des Ministerpräsidenten Sánchez gewendet. Dessen Frau Begoña Gómez wird in einem zweifelhaften Verfahren Korruption und Einflussnahme vorgeworfen.
Das Problem für Pedro Sánchez ist, dass die Sozialdemokraten (PSOE) in reale Skandale verwickelt sind.
Das Problem für Pedro Sánchez ist, dass die Sozialdemokraten (PSOE) in reale Skandale verwickelt sind. Da sind die Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Transportminister José Luis Ábalos, einst rechte Hand von Sánchez. Vetternwirtschaft wird auch dem Bruder des Regierungschefs vorgeworfen. Gerade sorgt der »Fall Leire« für viel Aufsehen, Anlass für die Kundgebung am Sonntag in Madrid. Dort forderte die PP den Rücktritt von Sánchez, etwa 50 000 Menschen hatten sich dort versammelt.
Fall Leire Díez wird zur Last für Premier Sánchez
Die Kundgebung stand unter dem Motto »Mafia oder Demokratie«. Die Mafia wolle man vertreiben und die Demokratie wiederherstellen. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo nannte Sánchez einen »Paten« der Mafia. Das sagte der Chef der einzigen Partei, die jemals in Spanien wegen Korruption verurteilt wurde. Die PP ist in zahllose Skandale verstrickt und paktiert mir der rechtsextremen Partei Vox. Doch Feijóo spricht von einem »bürgerlichen Aufschrei« und einem »Ruf nach Freiheit«.
Der Fall der Journalistin Leire Díez wird gefährlich für Sánchez. Die Online-Zeitung »El Confidencial« hatte Audioaufnahmen veröffentlicht, in denen Díez, die das Parteibuch der PSOE besaß, einem aus Spanien geflüchteten Geschäftsmann einen Deal mit der Generalstaatsanwaltschaft für dessen Rückkehr aus Dubai anbot. Dafür sollte dieser belastende Informationen über Korruption liefern. Vor allem hatte sie den Leiter der Sondereinheit UCO der Guardia Civil im Blick, die für Korruption, Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität zuständig ist. Sie will als »Journalistin« für ein Buch recherchiert haben, gibt sie an. Die UCO ist auch in die Ermittlungen gegen den Generalstaatsanwalt, die Frau des Regierungschefs und dessen Bruder verwickelt.
Koalitionspartner Vereinte Linke (IU) will Regierung verlassen
Massive Probleme hat Sánchez aber auch in seiner Regierung. Im zweiten Jahr in Folge hat sie nicht einmal versucht, einen Haushalt zu verabschieden, da sie auf viele Unterstützer angewiesen ist und die Widersprüche immer größer werden. Auch beim linken Koalitionspartner Sumar (Summieren) kriselt es nun heftig. Die Vereinte Linke (IU), Teil des Sumar-Bündnisses, erwägt sogar den Austritt aus der Regierung, weil Militärausgaben immer weiter erhöht werden. Inzwischen wurden sie, ohne die Verabschiedung eines Haushalts, schon auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung angehoben.
Es sei für die IU praktisch unmöglich, »in einer Regierung zu bleiben«, die sich auf einen »brutalen Aufrüstungswettlauf einlässt«, drohte der Chef der Kommunisten (PCE) Enrique Santiago auf einer Demonstration gegen die Wiederbewaffnung und die Kriegsspirale am vergangenen Samstag in Madrid. Die PCE gibt den Ton in der IU an.
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