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Dauphiné: Stürze, Tricks und neue Technik
Das Critérium du Dauphiné wird seinem Ruf als Vorbereitungsrennen für die Tour de France auf allen Ebenen gerecht
Die Spannung steigt vor dem finalen Wochenende der Dauphiné. Zum einen hält der Parcours am Samstag einen echten Scharfrichter parat. Auf der nur 131,6 Kilometer kurzen Etappe müssen mit dem Col de la Madeleine, dem Col de la Croix de Fer und dem finalen Anstieg nach Valmeinier 1800 knapp 4900 Höhenmeter bewältigt werden. Das ist gewaltig. Und die drei Zacken im Höhenprofil werden auch weiteren Aufschluss über die Verfassung des Favoritentrios für die Tour de France bringen.
Bisher ließen sich bei Tadej Pogačar (Slowenien), Jonas Vingegaard (Dänemark) und Remco Evenepoel (Belgien) vor allem zwei Muster erkennen: Pogacar hält sich noch etwas zurück, während seine beiden Rivalen nach ihren langen Wettkampfpausen den Aufgalopp für die Tour vor allem zur moralischen Bestätigung nutzten, auf dem rechten Weg zu sein.
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Evenepoel legte im Regenbogentrikot des Weltmeisters ein famoses Zeitfahren auf den Asphalt und eroberte so auch das Gelbe Trikot, das hier wie später bei der Tour den Gesamtführenden ziert. »Ich war selbst überrascht, wie viel Zeit ich auf die anderen herausholen konnte«, spielte er auf die Abstände zu Vingegaard (20 Sekunden) und Pogačar (48 Sekunden) auf der nur 17 Kilometer kurzen Strecke an.
Auch der Däne war mehr als zufrieden mit seiner Vorstellung in dieser Spezialdisziplin. Derart zufrieden gar, dass er noch einen Pfeil der Herausforderung in Richtung Pogačar abschoss: »Mir gingen etwas die Gänge aus. In den schnellen Abschnitten hätte ich noch eine höhere Übersetzung fahren können. Ich hätte wohl vorn ein größeres Kettenblatt montieren sollen.«
Der zweifache Toursieger scheint vor Kraft und Selbstbewusstsein schier zu bersten. Er zögert nicht, das auch zu zeigen. Das hat ihm schon den Ruf eingetragen, ein »neuer Vingegaard« zu sein. Das niederländische Portal »Wielerflits« strich heraus, dass er schon auf der ersten Etappe an einer Stelle attackiert hatte, die vom Profil her nicht unbedingt dazu eingeladen hatte. Das war bislang tatsächlich eher die Spezialität Pogačars. Der Slowene gewann dann zwar auch die Etappe und spielte dabei seine große Explosivität aus. Vingegaards Antritt allerdings hatte das Feld gespalten. »Jonas hat das großartig gemacht. Er ist damit in Pogačars Herrschaftsbereich eingetreten. Das zeigt, wie gut er vor allem an der Explosivität gearbeitet hat«, lobte Ex-Weltmeister Mads Pedersen seinen Landsmann.
Auch auf dem Gebiet von Ausrüstung und Technik trumpft Vingegaards Rennstall Visma–Lease a Bike derzeit auf. Der Däne fuhr mit einem neuen Atemmessgerät, dem die UCI nach längerem Zögern rechtzeitig vor der Tour doch noch die Freigabe erteilt hatte. VitalPro Strap nennt sich das neue Spielzeug, und laut seinem Entwickler Arnar Larusson werde es »den Sport revolutionieren, wie es in den 1970er Jahren die Einführung des Herzfrequenzmessers tat«. Sportler könnten nun in Echtzeit sehen, wie ihr Körper auf die Belastungen reagiert und diese dann auch besser steuern. »Wir werden das Gerät sicher bei der Tour einsetzen«, sagte auch Vismas Mann für die technischen Entwicklungen, Mathieu Heijboer.
Im Wettstreit der Neuerungen mochte auch Evenepoel nicht zurückstehen. Der Belgier ließ an seinen Zeitfahrhelm ein neuartiges Visier montieren, das nicht nur allein teurer ist als die kompletten Zeitfahrhelme der meisten Rivalen. Es soll auch besseren Durchblick garantieren.
Auffällig ist bei alldem die Zurückhaltung des Dritten im Bunde. Pogačar gestaltete etwa sein Zeitfahren so konservativ, dass bereits die ersten Theorien über Bluffs die Runde machten. »Er ist einfach ein kontrolliertes Rennen gefahren, weil er sich noch im Aufbauprozess seiner Form befindet«, mutmaßte der US-amerikanische Ex-Profi Tom Danielson. Pogačar bestätigte das indirekt: »Ich darf nicht vergessen, dass ich von einem großen Trainingsblock komme und wir noch am Herumjustieren der Form sind«, meinte er.
Pogačar befindet sich also im athletischen Vorbereitungsmodus auf die Tour, während Vingegaard und Evenepoel schon in der mentalen Kampfphase angekommen sind. Das ist vielleicht ein wenig übereilt. Evenepoel musste auch schon einen Rückschlag verkraften. Bei einem Sturz am Donnerstag zog er sich Schürfwunden zu und verlor vor allem einen seiner geplanten Tour-Helfer.
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