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Staat einigt sich mit den Hohenzollern
Nach 100 Jahren endlich geklärt: Kunstschätze bleiben in den Museen
1529 porträtierte Lucas Cranach der Ältere den brandenburgischen Kurfürsten Joachim. Das Gemälde bleibt im Jagdschloss Grunewald. 1810 entwarf Karl Friedrich Schinkel Möbel und die sonstige Ausstattung des Schlafzimmers von Königin Luise im Schloss Charlottenburg – und dort wird die Einrichtung weiterhin zu besichtigen sein. 1834 malte Eduard Gärtner ein »Panorama von Berlin vom Dach der Friedrichwerderschen Kirche« – und auch das bleibt im Schloss Charlottenburg.
Denn die mit den Hohenzollern erzielte Einigung über den Umgang mit zahlreichen Kunstschätzen sei nun wirksam, heißt es in einer am Freitag von der Stiftung preußische Schlösser und Gärten (SPSG) und vom brandenburgischen Kulturministerium verbreiteten Pressemitteilung. Wirksam sei die Einigung, weil nach der SPSG und der Stiftung preußischer Kulturbesitz nun zuletzt auch das Deutsche Historische Museum zugestimmt habe.
Nachdem der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. 1918 abgedankt hatte und ins niederländische Exil abgedampft war, war sich schon die Weimarer Republik uneins mit dem vormaligen Herrscherhaus der Hohenzollern, wem denn nun eigentlich bestimmte Kunstwerke gehörten, die in verschiedenen Schlössern und Museen in Berlin und Brandenburg ausgestellt sind. Der Zwist reicht zurück bis in die Jahre 1925 und 1926.
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»Nach 100 Jahren haben wir einen Streit aus der Zeit des Übergangs von der Monarchie zur Republik im besten Einvernehmen beendet«, freut sich nun Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer. »Die Einigung ist ein historischer Erfolg, und zwar zuallererst für die Öffentlichkeit und Deutschland als Kulturnation«, sagt er. »Zahllose Kunstgegenstände, die für die Geschichte Brandenburgs, Preußens und damit Deutschlands von hoher Bedeutung sind, bleiben nun der Öffentlichkeit auf Dauer erhalten und bilden weiterhin Kernstücke unserer Museen und Schlösser.« Der bleibende Rechtsfrieden setze Kräfte frei, um die Sammlungen und ihre Geschichte noch besser für das Publikum zur Geltung kommen zu lassen.
Einst soll Alexander der Große die unentwirrbar verknüpften Seile des Gordischen Knotens mit einem Schwert durchtrennt haben. Das gilt als Sinnbild einer einfachen Lösung für ein schwieriges Problem. Jetzt sagt Brandenburgs Kulturministerin Maja Schüle (SPD), es sei gelungen, »den Gordischen Knoten zu entwirren – nicht mit brachialer Gewalt, sondern mit einer klugen Lösung«.
Die betreffenden Kunstschätze werden in die neue Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz überführt. In den Stiftungsrat entsenden der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg je zwei Vertreter – jeweils benannt von den für Kultur und für Finanzen zuständigen Ressorts. Zu diesen zusammen sechs Ratsmitgliedern kommen noch Georg Friedrich Prinz von Preußen und zwei von ihm benannte Mitglieder. Da Beschlüsse in dem Gremium mit einfacher Mehrheit gefasst werden und die Staatsvertreter nur einheitlich abstimmen dürfen, kann das Haus Hohenzollern zwar ein Wörtchen mitreden in der Stiftung, den Staat aber im Zweifelsfall nicht überstimmen.
»Es war immer mein Ziel, unser gemeinsames Kulturerbe dauerhaft für die kunstinteressierten Bürgerinnen und Bürger zu erhalten und öffentlich zugänglich zu machen«, versichert Georg Friedrich Prinz von Preußen. Der Ururenkel von Kaiser Wilhelm II. meint: »Die nun gefundene Lösung ist eine hervorragende Basis für eine neue Partnerschaft zwischen den staatlichen Kulturstiftungen und meiner Familie.«
Eigentlich ein gesonderter Rechtsstreit war der um eine Entschädigung in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Sie war in Aussicht gestellt für nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone enteignete Besitztümer. Georg Friedrichs Großvater Louis Ferdinand hatte die Entschädigung bereits 1991 beantragt. Auch hier zog sich eine Lösung lange hin. Beide Angelegenheiten waren insofern miteinander verwoben, als eine Gesamtlösung angestrebt wurde. Ein Vorbescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Oder-Spree hatte den Hohenzollern bereits die 1,2 Millionen Euro verheißen. Dann schaltete 2014 der damalige brandenburgische Finanzminister Christian Görke (Linke) das übergeordnete Landesamt ein, das diesen Vorbescheid überprüfte und kassierte. Denn wenn Kronprinz Wilhelm den Nazis erheblichen Vorschub geleistet hätte – auch das war zunächst umstritten –, so hätten seine Nachfahren ihren Anspruch auf eine Wiedergutmachung verwirkt.
Damit in Zusammenhang standen dann etliche juristische Auseinandersetzungen von Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Historikern und Politikern, die zu dieser Frage ein Urteil abgegeben hatten, und mit Journalisten, die darüber berichtet hatten. Teils hatten die verklagten Personen tatsächlich etwas behauptet, was so nicht stimmte. So war noch weiter davon die Rede, dass die Hohenzollern ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof begehren würden, obwohl diese Idee längst vom Tisch war. Und beim Start der Volksinitiative »Keine Geschenke den Hohenzollern« verwechselte Sebastian Walter, Spitzenkandidat der Linken bei der Brandenburger Landtagswahl 2019, wenige Wochen vor dem Wahltermin Kronprinz Wilhelm mit Prinz August Wilhelm, der ein ausgemachter Nazi war.
Das Haus Hohenzollern hatte aber vor Beginn der im Oktober begonnenen Gespräche über die Kunstschätze »alle noch offenen Klagen vermögens- oder presserechtlicher Natur zurückgenommen«, wie es nun noch einmal ausdrücklich heißt. Für das Deutsche Historische Museum (DHM) sei vor allem wichtig, »dass die zuvor strittigen Objekte auch künftig so präsentiert werden können, wie es unserer historisch-kritischen Perspektive entspricht«, sagt Raphael Gross, Präsident der DHM-Stiftung. Der Kompromiss führe dazu, »dass künftig Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, egal welche historische Perspektive sie einnehmen, dies ohne Sorge vor juristischen Auseinandersetzungen tun können«.
SPSG-Generaldirektor Christoph Martin Vogtherr sagt, es würden mit der Einigung langjährige juristische Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang vermieden.
Die Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz wird mit einem bescheidenen Barvermögen von 20 000 Euro ausgestattet. Ihr eigentlicher Reichtum sind die Kunstwerke.
»Die Einigung ist ein historischer Erfolg, und zwar zuallererst für die Öffentlichkeit und Deutschland als Kulturnation.«
Wolfram Weimer Kulturstaatsminister
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