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Sorry, Musterknabe
Die schlimmsten Klubs der Welt, Teil 2: Werder Bremen (und nicht Arminia Bielefeld)
Obwohl er selbst gar nichts dafür kann, gilt mir seit Jahren der SV Werder Bremen als doofster deutscher Verein. Der Anstoß dazu kam von Clara, einer Kollegin. Bielefeld, einst bezeichnet als die »Mutter aller Unstädte, hat mit Arminia Bielefeld den ›Vater aller Unvereine‹«. So unverzeihlich witzig witzelte jene Clara im April 2007 auf »Zeit online«, und komplettierte ihren Unsinn mit dieser Zwischenfrage: »Was hat Arminia schon für Erfolge zu verzeichnen?« Das war natürlich rhetorisch gemeint.
»Keinen«, schob die Autorin trotzdem nach, und heizte dann den Ostwestfalen so richtig ein: »Ihre beste Bundesligaplatzierung war ein lächerlicher 8. Platz. Und den einzigen Titel, den sie halten können, ist der des ›Rekordaufsteigers‹«, so wusste sie halbwegs korrekt alles Grundwissenswerte über den inoffiziellen Rekordaufsteiger aufzulisten, ehe sie ihm das hier wünschte: »Den endgültigen Abstieg. Der DFB soll ihnen am besten ein One-Way-Ticket in die 2. Bundesliga schenken. Noch nie im Kampf um einen Uefa-Platz dabei, noch nie die Meisterschale ansatzweise in den Händen gehalten. Ein überflüssiger Verein, der es verdient hat, endlich aus den großen Stadien zu verschwinden.«
Daraus wurde allerdings nichts. Mit dem Verschwinden aus den großen Stadien hatte Arminia Bielefeld – damals jedenfalls – nichts zu tun. Schwer abstiegsgefährdet zwar, wie aber eigentlich immer, sicherte sich der DSC den Klassenerhalt. Und damit einmal mehr die, zugegeben, eher wunschgetriebene denn begründete Option, dass es Bielefeld vielleicht in der kommenden Spielzeit doch einmal schaffen könnte: einen Uefa-Cup-Platz oder »ansatzweise die Meisterschale«, wie Clara das formulierte. Dass es nur 18 Jahre später fast zum DFB-Pokal reichen und man auf dem Weg dorthin ausgerechnet die doofen Bremer abledern würde, ahnte da noch niemand.
Gegenwärtig veranstaltet die Fifa in den USA die Klub-WM. Es ist die nächste Stufe des Geldsäcke-Einsackens im Profifußball. Und ein guter Anlass, in loser Folge über die am meisten überschätzten Fußballklubs nachzudenken.
Arminias damaliger Verbleib gelang übrigens kurz vor Saisonende mit einem überraschenden 3:2-Sieg über die da noch als heißer Titelaspirant gehandelten Bremer. Was insofern bemerkenswert ist, als sich hier einer der beliebtesten deutschen Fußballvereine die fast schon sichere Meisterschaft ausgerechnet von einem der unbeliebtesten vermasseln ließ. So jedenfalls lautete ein Umfrageergebnis: Sympathischster Bundesligaverein der Saison 2006/2007 war Werder Bremen, unsympathischster Arminia Bielefeld. Da kann man mal sehen, wie viel Schneid es seinerzeit brauchte für eine Bielefeld-Beschimpfung. Aber auch: wie sehr meine Entscheidung, Werder Bremen doof zu finden, eine von Emotionen gepeitschte und eher irrationale war. Aber was hilft’s?
Denn natürlich kann es mir als ewigem Arminia-Fan nicht schnuppe sein, wenn mein Club in einer Sympathietabelle nicht nur hinter Bremen, sondern auch hinter allen übrigen Unsympathen wie Bayern, HSV, Cottbus und sogar Wolfsburg nur auf Platz 18 landet. Wenn ihm obendrein die Existenzberechtigung abgesprochen wird (und damit auch mir) und als Kriterium für das erhoffte Abstiegsticket ausgerechnet jene Erfolge gelten, die dieser Verein sich bislang nicht erkaufen konnte, dann brauchte es ein Ventil. Das konnte in diesem Moment tiefster Kränkung nur der aktuelle Musterknabe sein. Und ist es bis heute geblieben. Sorry, Wörda – auch dafür, dass der nächste DFB-Pokal für euch bereits in der ersten Runde auf der Bielefelder Alm endet.
Davon abgesehen sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich in Claras Arminia-Bashing exakt jene Haltung Bahn brach, wie sie bis heute von so gepuderten Mittelschichtstöchtern auch schon mal solchen Absteigern entgegengebracht wird, die man Hartzer oder Bürgergeldempfänger heißt. Wirtschaftlich Erfolglose auch sie und damit ebenfalls Überflüssige, die bitte ganz schnell aus dem Blickfeld der Erfolgreichen verschwinden? Genauso hörte sich Claras Arminia-Zeug an.
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